ARCHIV-BIBEL-ONLINE die Offenbarung
IMPULSE UND AUSTAUSCH zur Offenbarung des Johannes |
EINFÜHRUNG |
Ab 22. März 2020 veröffentlichen wir hier Impulse zur Offenbarung des Johannes: Gedankenanstösse, Informationen, Antworten auf Fragen usw. Bei Bedarf veröffentlichen wir hier auch zusätzliche Sacherklärungen. Das Gespräch findet in einer WhatsApp-Gruppe mit dem Namen »Online-in-die-Offenbarung« statt. Wer möchte, kann daran teilnehmen. Bitte schickt eine kurze Mail mit Angabe Eurer Natel- bzw. Handy-Nummer an Ulrike Bittner (hier), um in die Gruppe aufgenommen zu werden. Die Gesprächsbeiträge sind nur den Mitgliedern der WhatsApp-Gruppe zugänglich. Auf dieser Internet-Seite werden nur die Impulse und eventuelle Hilfsmittel veröffentlicht. Zu den Gesprächsregeln gehört: ◉ Wir bleiben unbedingt beim Thema. ◉ Wir schreiben persönlich. Jeder Beitrag beginnt also mit dem eigenen echten Vornamen und dem Anfangsbuchstaben des Familiennamens, z.B. «Christian T.» oder «Marianne W.» ◉ Wir reden bzw. schreiben selbst: also keine Links auf fremde Texte, Videos usw. Das obenstehende Bild zeigt Offenbarung 1,9-20. Die Ikone ist etwa 2 Meter hoch und hängt in der Grotte der Apokalypse in Patmos. Also an jenem Ort, wo nach der Tradition Johannes die Offenbarung gezeigt bekommen und seinem Begleiter Prochoros diktiert hat. Links: Christus hält die sieben Sterne (also uns als die sieben Gemeinden) in seiner rechten Hand. Rechts: Christus ist es, der die Schlüssel des Todes und des Totenreichs in seiner Hand hält. — Klicken Sie auf die Bilder, damit sie grösser werden. Wir freuen uns auf den Austausch. |
INFORMATIONEN und HILFSMITTEL |
TEXTE und AUDIODATEIEN zur Offenbarung des Johannes. Auf dieser Seite finden Sie die verstreut veröffentlichten Beiträge zu unserem Thema. Blättern Sie, lesen Sie und hören Sie hinein. Texte und Audiodateien zur Offenbarung BILDER UND IKONEN zur Offenbarung des Johannes Sie finden diese Liste hier: Bilder zur Offenbarung POSAUNE - SCHOFAR Was bedeuten Posaunen in der jüdischen Tradition? Wie sehen sie aus? Wie klingen sie? Die Posaunen der Offenbarung |
IMPULSE |
Mittwoch, 17. Juni 2020 IMPULSE ZUR OFFENBARUNG (März bis Juni 2020). Wir haben versprochen, Euch unsere Impulse zur Offenbarung zur Verfügung zu stellen. Hier könnt Ihr sie als PDF herunterladen und — wenn Ihr mögt — ausdrucken: IMPULSE ZUR OFFENBARUNG BITTNER 2020 Sie sind für den persönlichen Gebrauch bestimmt und dürfen nicht weiter veröffentlicht werden, auch nicht in Auszügen. Donnerstag, 11. Juni 2020 OFFENBARUNG 22,6-21 KOMMT IHR, DENN ER KOMMT! Gewöhnlich schliesst ein Brief oder ein literarisches Werk mit Grüssen. So ist es auch hier. Im Unterschied zu Schlussworten in anderen Werken handelt es sich hier nicht um formelhafte Wendungen. Alle, die am Zustandekommen des Buches beteiligt waren, melden sich noch einmal zu Wort. VERSCHIEDENE STIMMEN In keinem anderen Abschnitt der Offenbarung melden sich in so kurzem Abstand so viele Beteiligte zu Wort: der Engel, der Johannes begleitet (Verse 6. 9. 10-11?); Jesus selbst (Verse 7. 10-11?. 12-15. 16. 18-19?. 20a) Johannes (Verse 8. 17b. 18-19?. 20b, 21), der Geist und die Braut (Vers 17a). Zwischendrin wird zweimal formuliert, wie die Gemeinde (also wir als die Hörenden) einstimmt (Verse 17. 20b). Es klingt so, als ob jeder das, was ihm wichtig ist – was eventuell zu kurz gekommen sein könnte, was man überlesen oder vergessen haben könnte – noch einmal betont. Es klingt wie ein vielstimmiger Chor. Schön daran ist: Wir werden konkret dazu eingeladen einzustimmen und mit zu rufen. DER ANFANG: VERTRAUE DER BOTSCHAFT! Was in diesem Buch der Gemeinde übergeben wird, das ist zuverlässig. Es kommt direkt von Gott her. Verlasst Euch darauf! Auf diesem Grundsatz baut die Botschaft der Offenbarung auf. Wie ist das mit mir? Vertraue ich ihr? Vertraue ich IHM? Was ist damit gemeint, dass wir diese Worte „festhalten“ sollen (Vers 7)? WER STEHT DAHINTER? – IHM KANN MAN VERTRAUEN! Jesus stellt sich am Ende des Buches nochmals vor. Er hat eine lange Geschichte. Diese Geschichte verbindet ihn mit seinem Volk, verbindet ihn mit der langen Geschichte von Gottes Versprechen, verbindet ihn mit der grossen Hoffnung auf Gottes Zukunft. Unlösbar verknüpft ist diese Geschichte mit den Worten der Propheten: „Ich bin der Wurzelstock, das Geschlecht Davids, der leuchtende Morgenstern“ (Jesaja 11,1; 2. Samuel 7,12ff; 4. Mose 24,17). „Er ist das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.“ Ist mir deutlich, aus welch langer Geschichte dieser Ruf kommt? Ist mir deutlich, in welch lange Geschichte ich damit gerufen werde? NICHTS STREICHEN UND NICHTS HINZUFÜGEN! Bereits Mose hatte dem Volk zugerufen, dass wir Menschen Gottes Weisung nicht verändern dürfen. Dasselbe, so sagt uns nun Jesus, gilt auch für die Offenbarung des Johannes. Neigen wir – auch in der Kirche – dazu, manches zu streichen, weil es nicht in unseren Horizont passt, uns Unverständnis, Vorwürfe und Ablehnung einträgt? Neigen wir – auch in der Kirche – dazu, manches, das unserer Meinung nach in diesem Buch fehlt, für so wichtig anzusehen, dass wir es anfügen und einfügen wollen? Hat sich in unserem Glaubensverständnis und unserer kirchlichen Überlieferung manches so eingebürgert, dass wir es der Botschaft dieses Buches am liebsten anfügen möchten: die Fragen nach dem Taufverständnis, nach unserer Kirchenordnung, nach dem Verständnis des Heiligen Geistes und seinen Gaben, nach dem richtigen Bekenntnis und unserem Bekennen, nach unserem Umgang mit Macht und Sexualität … Lauter Fragen, die mit Recht wichtig sind. Was ist es, das wir hinzufügen wollen? Was ist es, das wir streichen wollen? Jesus kündet dafür Konsequenzen an. Was denken wir darüber? DIE ZEIT — ES KOMMT BALD / ER KOMMT BALD Für die Offenbarung des Johannes gibt es eine menschliche „Uhr“ und eine göttliche „Uhr“. An dieser zweiten Uhr wird sichtbar, dass alles, was in diesem Buch geschildert wird, „bald“ eintrifft. Wörtlich heisst es „schnell“ und „nahe“. Schon zur Zeit des Neuen Testamentes haben Menschen gefragt, wie man das zu verstehen habe. Ein Hinweis: Die Bezeichnung „nahe“ kann sowohl eine zeitliche wie eine räumliche Nähe beschreiben. An anderer Stelle sagt Jesus: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an.“ Ich stelle mir vor, wie Jesus vor der Tür steht, klopft, die Klinke in die Hand nimmt und langsam nach unten drückt. Er ist – räumlich verstanden – ganz nahe. Wann wird er die Klinke durchdrücken, die Tür öffnen und eintreten? Damit ist die Frage nach der Zeit gestellt. Ich stehe auf dieser Seite und sehe, wie er die Klinke drückt. Und nun höre ich ihn – dreimal in diesem Abschnitt – sagen: „Ich komme bald“ (Verse 7, 12 und 20). Das Bild der Türklinke will ich vor mir sehen und dabei diese, nämlich SEINE Stimme hören. DIE GROSSE ANTWORT: KOMM! „Der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer es hört, der sage: Komm“ (Vers 17). Jesu Ruf bleibt nicht ohne Echo. Der Geist macht die Gemeinde zur Braut Christi. Ausgezeichnet ist sie dadurch, dass sie hören kann. Als solche erweist sie sich dadurch, dass sie Jesus beim Wort nimmt. Er hat seine Nähe versprochen und sein Kommen zugesagt. Darum bitten wir ihn inständig: Komm, Herr Jesus. So wichtig war der frühen Gemeinde dieser Ruf, dass sie ihn sogar auf Aramäisch, also in der Muttersprache Jesu, aufbewahrt und gerufen hat: „Marana tha! - Unser Herr: Komm!“ (1. Kor 16,22; vgl. die frühchristliche Schrift Didache 10,6). Ist uns klar, dass es Kirche Jesu Christi ohne die Bitte um sein Kommen nicht gibt, ja nicht geben kann? Mit der Bitte des Unser-Vaters, dass Sein Reich kommen möge, bitten wir genau darum. Gottes Herrschaft meint keine bloss veränderte Form von Herrschaft. Sie meint eine Person: Jesus! DIE GROSSE EINLADUNG: KOMMT! Wir bitten Jesus um sein Kommen, weil auch wir zum Kommen eingeladen und gebeten sind. „Wer es hört, der sage: Komm! Wer dürstet, der komme. Wer will, der nehme Wasser des Lebens umsonst“ (Vers 17). Da werden Menschen in ihrer inneren, vielleicht ihrer innersten Bedürftigkeit angesprochen: hören, dürsten, kommen, wollen, nehmen – UMSONST! So einfach das klingt, so einfach ist es auch. Das sind keine Bedingungen, die einem am Ende doch noch gestellt werden. Hören, dürsten, kommen .... sind Schritte auf dem Weg zu ihm. Es ist einfach. Lasst es auch so einfach bleiben. DAS SCHLICHTE ENDE So geht unser Buch ganz schlicht zu Ende. »Es sagt der, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald! Amen. Komm, Herr Jesus! Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!« Mittwoch, 10. Juni 2020 OFFENBARUNG 21,9 - 22,5 – DAS NEUE JERUSALEM Wir haben gesehen, dass Jesus Christus erscheint (20,11): In einem grossartigen Akt der Neuschöpfung werden Himmel und Erde erneuert, Bücher werden aufgeschlagen und die Menschen werden nach ihren Werken gerichtet. Es kommt ans Licht, wer wir sind. Die ‹Braut› – das ist die unzählbare Gemeinde der 144‘000 – kommt auf die erneuerte Erde herab. Sie trägt den Namen «das neue Jerusalem». Auch Gott kommt aus dem Himmel und wohnt auf der Erde – in seiner Gemeinde, im «neuen Jerusalem». Es gibt keinen Tempel und keine Kirche mehr und auch keine Sehnsucht mehr nach dem Himmel. «KOMM, ICH WILL DIR DIE BRAUT ZEIGEN» Mit Offb 21,9-22,5 wird der Ausblick in die Zukunft abgeschlossen. Die Szene erinnert an Mose. Gott hatte Mose vor seinem Tod auf den Berg Nebo gebracht. Von dort aus durfte Mose ins Gelobte Land hinüberschauen (5. Mo 34,1ff). So wird auch Johannes im Geist auf einen hohen Berg gebracht. Von dort aus darf er die ‹Braut des Lammes›, die Gemeinde, anschauen. Die Gemeinde wird ihm im Bild einer Stadt gezeigt. «Und er [der Engel] führte mich hin im Geist auf einen grossen und hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem herniederkommen aus dem Himmel von Gott, die hatte die Herrlichkeit Gottes» (Offb 21,10f) Das «neue Jerusalem» wird dem Johannes von einem Engel gezeigt. Es ist interessanterweise derselbe Engel, der Johannes bereits die Stadt Babylon gezeigt hat (Offb 17). Babylon war ein Zerrbild des neuen Jerusalem und existiert nicht mehr. Die ‹Braut des Lammes› wird dem Johannes und damit auch uns im Bild einer Stadt gezeigt. Was hier von Mauern, Toren, Fundamenten gesagt wird, meint nicht zuerst eine ‹tatsächliche› Stadt. Es ist das Bild der neuen Gemeinschaft und ihrer Lebensweise. Die Stadt spiegelt wider, wer Gottes Volk ist. Sie spiegelt die Herrlichkeit Gottes und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. DAS URBILD DIESER STADT Das Urbild für das «neue Jerusalem» kennen wir aus der Schau der Propheten Hesekiel. Hesekiel bekam die zukünftige Gottesstadt ebenfalls von einem hohen Berg aus zu sehen (40,2). Er sah die Mauern der Stadt, die zwölf Tore mit den Namen der zwölf Stämme Israels und den Tempel – der dann im «neuen Jerusalem» fehlt. Hesekiel sah, wie Gott Wohnung in der Stadt nimmt: «Und siehe, die Herrlichkeit des Gottes Israels kam von Osten und brauste, wie ein grosses Wasser braust, und es ward sehr licht auf der Erde von seiner Herrlichkeit» (Hes 43,2). Aus dem Tempel floss ein Strom von Wasser: «Und siehe, da floss ein Wasser heraus unter der Schwelle des Tempels nach Osten ... Und als ich zurückkam, siehe, da standen sehr viele Bäume am Ufer auf beiden Seiten. ... Wohin der Strom kommt, das soll leben.» (Hes 47,1.7.9). Die Schau des Propheten gipfelt darin, dass Gottes Gegenwart und die Stadt als eins wahrgenommen werden: «Und alsdann soll die Stadt genannt werden: ‹Hier ist der Herr.›» (Hes 48,35) EINE GROSSE STADT Die neue Stadt ist unglaublich gross – in ihrer Länge, Breite und Höhe. Sie wird als Kubus vorgestellt. Wir meinen, dass die 12‘000 Stadien symbolisch zu verstehen sind; mit der 12 als Zahl für Vollkommenes. Vielleicht handelt es sich aber auch um eine bildhafte Bezugsgrösse: Rechnet man die Zahl um, beträgt die Länge jeder Seite gut 2400 km. Die Fläche entspricht dann der grössten Ausdehnung des römischen Reichs, nämlich 116 n. Chr. unter Kaiser Trajan. HELL UND DURCHSICHTIG Die Stadt ist hell: „Ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem Jaspis, klar wie Kristall“ (Offb 21,11). Und: «Die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, dass sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Und die Völker werden wandeln in ihrem Licht» (Offb 21,23f) Und in 22,5ff nochmals. Wir können uns fragen, was das meint. Das Leben in der neuen Stadt ist in Bildern von Helligkeit und Durchsichtigkeit beschrieben. Es ist die Helligkeit, die dort entsteht, wo Gott anwesend ist. Für unser eigenes Betrachten: Wo erleben wir schon heute eine helle durchsichtige Atmosphäre? Klarheit, Durchsichtigkeit, Freundlichkeit? DIE GESCHICHTE BLEIBT Die Namen der zwölf Stämme Israels stehen auf den Toren der Stadt, die Namen der zwölf Apostel auf ihren Grundsteinen. «Sie hatte eine grosse und hohe Mauer und hatte zwölf Tore und auf den Toren zwölf Engel und Namen darauf geschrieben, nämlich die Namen der zwölf Stämme Israeliten. ... Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine und auf ihnen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes.» (21,12-14). Wir erinnern uns, dass damit zum einen die ‹wirklichen› Stämme und Apostel gemeint sind (Hes 48,31ff), dass die Zahl Zwölf gleichzeitig eine Vollzahl ist. Es sind die Namen aller Glaubenden, durch die die neue Stadt ihre Identität hat. Die Stadt wird auch ‹durch mich›, ‹durch dich›, durch jeden ihrer Bewohner zu der Stadt, die sie ist. So wie die christliche Gemeinde durch jeden einzelnen ihrer Glaubenden ihr Gesicht erhält – und darum auf keinen Glaubenden verzichten kann. Das «neue Jerusalem» ist – anders als das Paradies am Anfang der Welt es war – voll von Erzählungen und Erinnerungen. Sie ist voll von Geschichten über unser Glauben und Hoffen und über Taten der Liebe und Gerechtigkeit. So wie der auferstandene Jesus die Male seiner Hinrichtung behält (Joh 20,20), so werden auch Taten unserer Liebe bleiben. Die Bibel hatte mit der ersten Schöpfung und der Erzählung vom Paradies begonnen. Sie schliesst mit der Erzählungen von der neuen Erde und dem «neuen Jerusalem». Die neue Erde ist keine Reparatur der ersten. Sie ist ihre Vollendung. DIE HERRLICHKEIT DER VÖLKER Die Stadt hat Mauern, also klare Grenzen. Heute würden wir Mauern wohl v.a. in psychologischer Hinsicht als Voraussetzung für Identität ansehen. Die Mauern definieren die Stadt, aber ihre Tore sind niemals geschlossen. Es sind zwölf Tore und sie sind offen. Was heisst es, in einer Stadt oder ‹als› eine Stadt mit offenen Toren zu leben? «Und die Könige auf Erden werden ihre Herrlichkeit in sie bringen. Und ihre Tore werden nicht verschlossen am Tage; denn da wird keine Nacht sein. Und man wird die Herrlichkeit und die Ehre der Völker in sie bringen. Und nichts Unreines wird hineinkommen und keiner, der Gräuel tut und Lüge, sondern die geschrieben sind in dem Lebensbuch des Lammes.» (Offb 21,24b-27) Die Völker, die auf der erneuerten Erde leben, bringen ihre Herrlichkeit und ihren Reichtum in das «neue Jerusalem». Das erinnert an die Weissagungen Jesajas: «Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des HERRN, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem.» (Jes 2,2ff) Wir merken: Das «neue Jerusalem» ist nicht identisch mit der neuen Erde. Die Stadt ist die Mitte der neuen Erde. Sie ist die Quelle, aus der alles fliesst, was die Völker brauchen. Die Stadt ist heilig – Gott wohnt in ihr – aber auch die ganze Erde ist voll von Gottes Herrlichkeit. Am Thron Gottes und des Lammes ist wieder viel los. «Lebendiges Wasser» geht vom Thron aus. Der «Baum des Lebens» trägt Blätter zur «Heilung der Völker». In das alles ist die Gemeinde involviert. Sie sind «Knechte», die Gott dienen und sind auf diese Weise diejenigen, die regieren: «Und seine Knechte werden ihm dienen und sein Angesicht sehen, und sein Name wird an ihren Stirnen sein.» (Offb 21,3-5) ZUKUNFT UND GEGENWART Uns wird in Offb 21 ein Bild der zukünftigen Stadt gezeigt. Aber nichts in dieser Zukunft ist nur zukünftig. Denn die Mitte der Stadt und die Mitte der neuen Erde ist Jesus Christus, der gelebt hat, gestorben ist, der auferstanden ist von den Toten. Er regiert schon heute und hält gerade jetzt die «sieben Sterne» in seiner Hand. Alles Entscheidende ist ja schon geschehen. Die zukünftige Stadt wirft ihr Licht schon auf unser Leben: • Wenn das neue Jerusalem – die «Braut des Lammes», die Gemeinde – eine Stadt mit Mauern und offenen Toren ist: Was heisst das für das Miteinander unserer Gemeinde? • Wenn das neue Jerusalem – die «Braut des Lammes», die Gemeinde – in grossen Dimensionen entworfen ist: In welchen Dimensionen denken wir als Gemeinde? • Wenn vom neuen Jerusalem – der «Braut des Lammes», der Gemeinde – lebendiges Wasser ins Land strömt: Welcher Dienst ist uns als Gemeinde gegeben? • Wenn das neue Jerusalem – die «Braut des Lammes», die Gemeinde – die zwölf Stämme Israel und die Apostel vergegenwärtigt, wie denken wir dann von unseren Namen und unserer Geschichte? • Gottes Anwesenheit erleuchtet das neue Jerusalem und macht es hell. Damit hat nichts Dunkles - Misstrauen, Angst, Schuldgefühle usw. - einen Ort in unserer Gemeinde. Wie erlebe ich meine konkrete Gemeinde? Was muss geschehen, dass sie diesem ‚idealen‘ Bild entspricht? Sehne ich mich danach? Dienstag, 9. Juni 2020: OFFENBARUNG 21,1-8 – GOTT MACHT ALLES NEU Nachdem der Himmel und die Erde «entflohen» sind (20,11), sieht Johannes einen neuen Himmel und eine neue Erde: «Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.» (Offb 21,1) ERDE UND HIMMEL WERDEN NEU Etwas Entscheidendes ist geschehen. Die neue Schöpfung ist da. Der neue Lebensort. Johannes erzählt von einem Unterschied zur alten Erde: Das ‹Meer› ist nicht mehr. ‹Meer› ist ein Bild für das Unbewohnbare und Bedrohende. Wir erinnern uns: Das ‹Tier› war dem Meer entstiegen. Es gibt auf der neu gewordenen Erde keinen Ort mehr, dem eine Bedrohung entsteigen könnte. Die Erde ist (schon immer!) ein herrlicher Ort in Gottes herrlicher Schöpfung. Die neue Erde wird wie die jetzige Erde sein: eine Welt voll von Schönheit, Kraft, Freude, Zartheit und Würde. Fehlen wird alles, was entstellend war: Tod, Trauer und alles, was diese verursacht, sind nicht mehr da. Auch der Himmel wird neu. Das überrascht vielleicht manchen. Auch der Himmel ist Teil der Schöpfung Gottes und wird darum erneuert. Wir haben mehrmals mit Johannes in den «geöffneten Himmel» schauen dürfen. Auch da hatte es Krieg gegeben (Offb 12,7), auch da gab es ein ‹Meer›, vielleicht eine Erinnerung an die Macht des Bösen.? DAS NEUE JERUSALEM «Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.» (Offb 21,2) Wir kennen das Bild bereits aus Offb 19,7-9. Wir hatten gesagt, dass die Geschichte der Welt auf die Hochzeit des ‹Lammes› mit der Braut zuläuft. Wer ist die «Braut des Lammes»? Wer ist das «neue Jerusalem»? Die Braut und das neue Jerusalem besteht aus dem Volk Gottes. Wir denken vielleicht: Aber Gottes Volk ist doch schon auf der neuen Erde? Wie können sie gleichzeitig «aus dem Himmel herabkommen»? Der Schlüssel liegt darin, dass – wie Paulus es in Kol 3,3 sagt – «unser Leben verborgen ist mit Christus in Gott». Diese Wirklichkeit wurde uns in den grossen Szenen in Offb 5;7;19 gezeigt. Wir konnten mit Johannes einen Blick in den Himmel werfen. Da sahen wir die Gemeinde als eine unzählbare grosse Schar am Thron Gottes versammelt. Da sahen wir uns selbst, in unserer verborgenen Wirklichkeit. Wenn also heute jemand zu Jesus Christus gehört, dann setzt er sein Leben auf der Erde fort. Und gleichzeitig hat er ein verborgenes Leben am Thron Gottes. ‹Verborgen› meint, dass es der äusseren Wahrnehmung nicht zugänglich ist. Nun aber, wo die Hochzeit des Lammes anbricht, wird die verborgene Wirklichkeit der Gemeinde sichtbar. Es wird sichtbar, wer zum Lamm gehört. Es wird sichtbar, wie schön die «Braut» ist. Paulus schreibt: «Wenn aber Christus, euer Leben, offenbar wird, dann werdet ihr auch offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit.» (Kol 3,4; 1. Joh 3,2) GOTT WOHNT IM NEUEN JERUSALEM «Und ich hörte eine grosse Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, das Zelt Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein.» (Offb 21,3) «Wohnen» ist das entscheidende Wort in 21,3 («Er wird bei ihnen wohnen»). Der Anklang an Gottes Wohnen in der Stiftshütte ist deutlich. Im Alten Testament war es so, dass Gott erst in der Stiftshütte, dann im Tempel im Jerusalem wohnend gedacht wurde. Im Evangelium hören wir, dass Jesus Mensch wurde und mitten unter uns wohnte: «Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit». (Joh 1,14) Auf der neuen Erde gibt es keinen Tempel mehr. «Und ich sah keinen Tempel darin, denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel, er und das Lamm.» (Offb 21,22) Warum ist das so? Das «neue Jerusalem», die Gemeinde, ist der Ort des Zusammenseins mit Gott. Es war immer schon Gottes verborgener Plan, dass er einmal ganz bei seinem Volk sein wird – und nicht auf einem ausgegrenzten und heiligen Stück Land. Nun wohnt Gott für immer in seiner Gemeinde – als heilende, tröstende, feiernde Gegenwart. In einer Vorwegnahme hat er genau das bereits in Jesus Christus getan. Wenn Menschen auf der ‹alten Erde› zu Jesus kamen – wenn sie heute zu Jesus kommen – dann begegne(te)n sie dem Vater im Himmel: «Wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat.» (Joh 12,45) Im Glauben an Jesus erleben wir bereits heute seine heilende, tröstende, feiernde Gegenwart. Auf der ‹neuen Erde› gibt es nur noch diese. Alles kommt von Christus her und läuft auf Christus zu (Eph 1,10). GOTT DIENT DEN SEINEN Wie können wir uns Gottes Wohnen im «neuen Jerusalem» – das ist seine Gemeinde – vorstellen? Wir hören, was Gott tut. «Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.» (Offb 21,4) Es ist eine starke Vorstellung, dass sich Gott persönlich um sein Volk kümmert. Wie kennen diese Erwartung, dieses Bild bereits vom Propheten Jesaja. Es ist Gott selbst, der ein Festmahl bereitet und seinen Gästen dient: «Und der HERR Zebaoth wird auf diesem Berge allen Völkern ein fettes Mahl machen, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein, darin keine Hefe ist. Und er wird auf diesem Berge die Hülle wegnehmen, mit der alle Völker verhüllt sind, und die Decke, mit der alle Heiden zugedeckt sind. Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volks in allen Landen; denn der HERR hat's gesagt.» (Jes 25,6-8) SIEHE, ICH MACHE ALLES NEU Mit Gott hat alles begonnen. Er ist der Schöpfer. Auf Gott läuft alles zu. Er ist der Vollender. Wir denken an die erste Schöpfung, die Gott gemacht hat, an den alten Himmel und die alte Erde. Und wir denken an die erneuerte Schöpfung, die auf uns zukommt, an den neuen Himmel und die neue Erde. Beides kommt von Gott her. Die neue Schöpfung ist nicht die ‹reparierte› Version der alten Schöpfung, sondern sie ist ihre Vollendung. Das Ziel unseres Lebens und das Ziel der Welt ist nicht, dass wir von der Erde irgendwann einmal in den Himmel gehen und da weiter leben. Die Schlussszene der Offenbarung und damit die Schlussszene der Bibel ist nicht die, dass Menschen in einen Himmel hinauf steigen. Die Schlussszene ist die, dass Gottes Gemeinde – das «neue Jerusalem» – mit Gott zusammen auf der neu geschaffenen Erde wohnt. Noch einmal, weil wir merken, dass es auch für viele bibellesende Christinnen und Christen neu und ungewohnt ist: • Wir hoffen auf eine neue körperliche Existenz. Das ist das biblische Verständnis von der Auferweckung von den Toten. Wir sind dieselben, unsere persönliche Geschichte, unsere Taten bleiben. Unser neuer Körper aber wird frei sein von allem, was an Krankheit, Sünde, Tod erinnert. • Wir hoffen auf eine neu erschaffene Welt. Gott macht «Himmel und die Erde» neu – und zwar nach dem Bild der gegenwärtigen Welt. Gott hat diese erste Erde so gut gemacht, dass sie das Bild für die erneue Erde ist. Leben in Ewigkeit findet also nicht in irgendeinem abstrakten «Himmel» statt, sondern auf dieser einen neu geschaffenen Erde. EIN WORT FÜR DIE GEMEINDEN Johannes soll das aufschreiben: für die sieben Gemeinden damals in Kleinasien und für die Gemeinden heute und auch für uns. «Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss. Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des Lebens umsonst. Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.» (Offb 21,5-7) Gott hat alles begonnen und er führt alles zum Ziel. Er möchte, dass wir dabei sind. Montag, 8. Juni 2020 OFFENBARUNG 20,11-15 – ALLES WIRD AUFGEDECKT Johannes sieht einen grossen Thron und den, der darauf sitzt. Der Thron ist «weiss» wie das Pferd des Christus, wie die Kleider des himmlischen Heeres und seine Pferde und wie die Kleider der unzählbaren Schar am Thron (Offb 7,9). HIMMEL UND ERDE MÜSSEN NEU WERDEN Himmel und Erde fliehen und haben keinen Ort mehr (V.11). Bereits beim Öffnen des sechsten Siegels haben wir das mit Johannes gesehen: «Der Himmel wich wie eine Schriftrolle, die zusammengerollt wird, und alle Berge und Inseln wurden wegbewegt von ihren Orten.» (Offb 6,14) Auch dieses Ereignis ist Teil von Gottes zurechtbringendem Handeln. Himmel und Erde entfliehen und Gott wird sie erneuern. Es ist die ‹erste› Schöpfung, es ist ‹unsere Welt›, die erneuert werden wird. Sie soll zum bleibenden Ort für Gottes Gegenwart und für die Seinen werden. Nun stehen alle, die je zur Menschheit gehörten, vor Gottes Thron. Der Tod hatte jede und jeden von ihnen weggenommen, so dass es aussah, als seien sie vergangen und verschwunden. Jetzt wird sichtbar, dass jeder einzelne Mensch aufbewahrt wurde. So wichtig ist jedes Leben und so wichtig ist das Tun jedes Menschen. JEDER STEHT VOR DEM THRON «Und ich sah die Toten, die grossen und die kleinen, stehend vor dem Thron, und Bücher wurden aufgetan. Und ein anderes Buch wurde aufgetan, welches ist das Buch des Lebens.» (Offb 20,12) Wir Menschen finden uns unterschiedslos vor dem Thron Gottes wieder. Jetzt wird aufgedeckt – im Bild: jetzt wird in Büchern nachgeschlagen – wie es um uns steht. ‹Gerichtet werden› heisst, dass ans Licht kommt, wer wir sind. In diesem Gericht geschieht nichts Neues mehr. Unser Leben haben wir gelebt, unsere Entscheide haben wir getroffen, unsere Wege sind wir gegangen, unsere Liebe haben wir verschenkt. Wer von Gott zurecht gebracht worden ist, wurde vorher zurecht gebracht. Jetzt wird alles sichtbar. Es kommt ans Licht, wer wir sind. Es kommt ans Licht, zu wem wir gehören. Wenn «Bücher aufgeschlagen» werden, dann ist das wieder Bildsprache. Aber es ist eine deutliche Sprache. Mit dem «Öffnen der Bücher» kommt ans Licht, wer wir sind und was wir getan haben. Es wird nicht gefragt, nicht diskutiert – sondern einfach nur vorgelesen. Die ersten, denen die Augen dafür aufgehen werden, wer sie sind, das werden wir selbst sein. Denn auch was wir waren, war uns in vieler Hinsicht verborgen. Jesus hat seine Hörerinnen und Hörer auf diesen Ablauf des Gerichtes vorbereitet. «Wenn der Menschensohn (= er selbst) kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken.» (Mt 25,31-33) Auch das ist Bildsprache, aber wieder ist sie deutlich. Jesus sagt den Menschen, was sie getan haben: anderen Nahrung gegeben, Kleidung gegeben, sie besucht usw. Das ist etwas, was in der Vergangenheit liegt und nicht mehr zu ändern ist. Jeder, der im Gleichnis vorkommt, stimmt Jesus zu: ‹Ja, das haben wir getan› bzw. ‹Ja, das haben wir nicht getan›. Jeder weiss von seinem Tun. Überraschend aber ist etwas anderes. Sie erfahren jetzt, dass sie «dem König gedient» bzw. «dem König nicht gedient» haben. (Mt 25,40.45) Das kommt jetzt ans Licht. GERICHTET NACH DEN WERKEN «Und die Bücher wurden aufgeschlagen, und ein anderes Buch wurde aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern steht, nach ihren Werken.» (Offb 20,13) Es sind verschiedene Bücher, die aufgeschlagen werden. Es sind Bücher (im Plural), in denen die Menschen mit ihren Werken verzeichnet sind. Es ist ein einziges Buch, in dem die Namen derjenigen aufgeschrieben sind, die zum Lamm gehören. Die Menschen werden «nach ihren Werken» gerichtet. Jetzt wird sichtbar, was wir Menschen getan haben – aus unserem eigenen Willen und als unser eigenes Werk. Wer meinte, sich auf seine Werke berufen zu können, dessen Werke werden nun tatsächlich beurteilt. Er wird beim Wort genommen. Es ist sein eigenes Tun und Wollen, das aufgedeckt wird. GEFUNDEN IM BUCH DES LEBENS Es gibt keine Diskussionen darüber, wer ins Buch des Lebens geschrieben ist. Wenn man zueinander gehört, dann wissen es die, um die es geht. Die Namen derer, die zum ‹Lamm› gehören, stehen «im Lebensbuch des Lammes, das geschlachtet ist» (Offb 13,8). Es sind diejenigen, die dem ‹Lamm› folgen (Offb 7,9f; 14-17). Wir haben sie – nämlich die Gemeinde, die 144'000, die unzählbare Schar – am Thron Gottes gesehen. Es sind diejenigen, die durch das «Blut des Lammes» bereits zurecht gebracht wurden (Offb 7,14). Das Blut des Lammes wurde für sie in der «Kelter des Zornes Gottes» vergossen. Das Gericht liegt hinter ihnen (vgl. Joh 5,24). Schon lange. Es liegt nicht mehr vor ihnen. Denn «diese sind erkauft aus den Menschen als Erstlinge für Gott und das Lamm» (Off 14,4). Mit erschreckender Schlichtheit und Selbstverständlichkeit heisst es: «Und wenn jemand nicht aufgezeichnet gefunden wurde in dem Buch des Lebens, der wurde geworfen in den feurigen Pfuhl.» (Offb 20,15) Auch hier scheint es keine Erklärung zu brauchen. Die Werke helfen nicht, um für gerecht befunden zu werden. Aus eigener Anstrengung kann sich niemand von uns selbst zurecht bringen. Es braucht das ‹Lamm›. Es muss etwas an uns Menschen und für uns Menschen getan werden. Die strikte Unterscheidung zwischen Vertrauen auf die Werke und der Kindschaft, zwischen Verdienst und Gnade, kennen wir aus den Evangelien und aus den Paulusbriefen. Jesus und Paulus sind nicht weniger grundsätzlich als Johannes. Paulus schreibt, dass dem, der mit Werken umgeht, durchaus ein Lohn angerechnet wird. «Dem aber, der mit Werken umgeht, wird der Lohn nicht aus Gnade zugerechnet, sondern aus Pflicht.» Um gerecht gesprochen zu werden, muss man Gott glauben. Ihm glauben, dass er die Gottlosen – und damit mich selbst – rettet. «Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.» (Röm 4,4f) DIE WERKE DER GLAUBENDEN Wie ist das mit den Werken derer, die zum Lamm gehören? Es stehen doch «alle» vor dem Thron, wenn die «Bücher» aufgeschlagen werden, oder? Die Frage, ob auch die ‹Werke› der Glaubenden ihr Urteil bekommen, wird in der Offenbarung nicht behandelt. Adolf Schlatter schreibt: «Wir vermögen nichts vor Gott zu bringen, als was wir empfingen, und unsere eigene Entschliessung und Arbeit geschieht mit dem, was uns gegeben wird.» (Schlatter 326) Das also, was wir empfangen haben, das investieren wir in der Liebe zu Gott und den Menschen. Was meint ihr? Ist es nicht so: Das Kind sagt zum Vater: Gib mir zehn Franken, denn ich möchte dir etwas zum Geburtstag schenken. Der Geburtstag kommt und damit die Frage: Wer hat denn jetzt das Geschenk gekauft? Warum kann man wirklich von einem Geschenk des Kindes sprechen, für das sich der Vater von Herzen bedankt? DER TOD WIRD VERNICHTET «Der Tod und sein Reich» haben keinen Ort mehr in Gottes neuer Schöpfung. Der Tod wird nach dem Tier und dem falschen Propheten (19,20) und dem Teufel (20,10) selbst vernichtet. So hören wir es auch von Paulus im grossartigen Kapitel über die Auferstehung von den Toten: «Nun aber ist Christus auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. Ein jeder aber in der für ihn bestimmten Ordnung: als Erstling Christus; danach die Christus angehören, wenn er kommen wird; danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er vernichtet hat alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt. Denn er muss herrschen, bis Gott ‹alle Feinde unter seine Füsse gelegt hat› (Psalm 110,1). Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.» (1. Kor 15,20-26) Für Paulus ist wie für Jesus und Johannes der Tod nichts Natürliches, vor allem nichts Würdevolles. Er ist ein Feind, der in all seinen Erscheinungsformen gegen das Leben steht. Gott aber ist ein Gott des Lebens. Darum landet der Tod auf keinem Thron. Er landet zusammen mit dem Totenreich und vereint mit Satan, Antichrist und falschem Propheten (Offb 20,14) im Feuersee. immer noch Sonntag, 7. Juni 2020 Wir schreiben: Immer wieder - in unserem Chat genauso wie in manchen Gesprächen – taucht die Frage auf, warum Gott das Böse denn nicht von Anfang an verhindert hat. So viel Leid, so viel Auseinandersetzung, so viel … Das hätte es gar nicht gegeben, wenn Gott dem Bösen von Anfang an keinen Raum gegeben hätte. Wir haben selbst keine Antwort auf diese Frage. Wohl aber ein paar Gedanken, Vermutungen, Hinweise, die uns für unsere Gespräche wie für unseren eigenen Glauben wichtig sind: WAS ES MIT DEM BÖSEN AUF SICH HAT Liebe Brigitte, liebe Claudia, Ihr alle Wir denken, dass die Frage nach dem Bösen, seinem Ursprung und damit die Frage, warum Gott dies und jenes und vor allem das Böse nicht verhindert hat, viele Menschen beschäftigt. Es ist ja nicht eine Frage nach unserer Logik. Meist ist es, wie du - Claudia - deutlich machst, eine Frage, die einen durch die eigene Lebens- und vor allem Glaubensgeschichte unruhig macht. Zunächst: Wir glauben, dass es darauf keine befriedigende Antwort gibt. Auch wir haben keine. Allerdings gestehen wir, dass uns diese Frage nicht wirklich beschäftigt. Warum ist das bei uns Menschen so unterschiedlich? Auch wenn wir keine Antwort haben, denken wir natürlich darüber nach. Dazu ein paar Hinweise. Einmal: Der Bericht vom Sündenfall in 1. Mose 3 ist ja auch die Geschichte, wie das Böse in unsere Welt kam. Es ist gut, wenn man diesen Bericht sorgfältig liest. Was sagt er - und was sagt er nicht? Diese Geschichte erzählt wie gesagt, WIE das Böse zu uns Menschen und letztlich auch in uns Menschen hinein kam. Das Böse wird nicht auf ein metaphysisches Ungeheuer zurück geführt. Obwohl andere Aussagen (z.B. 2. Petrus 2,4; Judas 6) über den Ungehorsam von Engeln sprechen, wird kein Zusammenhang mit dem Sündenfall erwähnt und entfaltet. Das Böse geht auf „die Schlange“ zurück, die ausdrücklich als ein Geschöpf „des Feldes“ bezeichnet wird, „das Gott der Herr erschaffen hatte.“ Zusammengefasst: Der Bericht ist nur an der Frage interessiert, WIE es zuging … und nicht an der Frage, WOHER das Böse kam und kommt bzw. WARUM es dazu kam. Dazu: Uns fällt auf, dass die Frage, WOHER das Böse kommt, auch sonst in der Bibel nicht gestellt wird. Die Offenbarung entfaltet sorgfältig, wie es dazu kommt, dass das Böse ein Ende findet. Aber es ist doch auffallend, dass die Frage nach dem WOHER und dem WARUM nicht gestellt wird. Man könnte einschränken, dass das Buch Hiob und Psalm 73 diese Frage ja durchaus stellen. Nur: Für beide Texte gilt, dass auch sie keine Antwort darauf formulieren. Warum ist das so? Auch darauf wissen wir keine Antwort. Vielleicht eine Vermutung. Ein Kind erlebt bei seinen Eltern so manches, das ihm rätselhaft sein müsste, ohne dass es ihm je zur Frage wird. Dass die Eltern täglich für es da sind, dass für Essen, für Kleidung, ja sogar für ‚Beschäftigung‘ usw. gesorgt wird und es bei Schmerz und Krankheit umgeben ist, ist für ein Kind eine GEGEBENHEIT, die ihm jedoch nicht Anlass zur Frage wird. Die Liebe der Eltern ist für das Kind eine Gegebenheit. Erst wo die Liebe unsicher und damit zum Problem wird, wandelt sich die Selbstverständlichkeit zu Fragen. Lieben mich die Eltern wirklich? Was muss ich tun, damit ich die Liebe nicht verliere? Usw. All diese Fragen haben ihren Grund nicht in der Liebe selbst. Ihre Wurzeln liegen darin, dass einem die Liebe unsicher wird bzw. werden kann. Kann es also sein, dass die biblischen Schriften so klar von der Gewissheit der Güte Gottes ausgehen, dass für die Frage nach dem Warum und dem Woher kein Raum bleibt? Was tun, wenn solche Fragen auftauchen? Wir begreifen schnell, dass es sich dabei nicht um eine Frage der Logik handelt, die man durch logische Antworten lösen könnte. Was bei einem Kind gilt, das trifft genauso bei Erwachsenen zu. Fragen der Beziehung sind keine Fragen der Logik. Bin ich unsicher, wie wichtig ich dem von mir geliebten Menschen bin? Vielleicht habe ich sogar konkrete Fragen an ihn. Auch der Beter von Psalm 73 wie Hiob hatten sehr konkrete Fragen an Gott gestellt. Beide haben darauf keine Antwort erhalten. Ruhig wurden sie, als sie sich ihrer Beziehung zu Gott bzw. der Beziehung Gottes zu ihnen gewiss wurden. Ihre Fragen wurden nicht gelöst. Sie aber wurden von ihren - unbeantworteten! - Fragen gelöst. Fragen der Beziehung werden nicht durch logische Argumente beantwortet. Sie benötigen VERGEWISSERUNG. Das ist ja das Geheimnis des Kindes. Es ist sich der Liebe der Eltern gewiss. Darum stellen sich ihm die Fragen nach den Rätseln des Lebens gar nicht. Wir vermuten, darin könnte der Grund liegen, dass in den biblischen Schriften die Frage nach dem WARUM und nach dem WOHER des Bösen kaum gestellt wird. Allerdings: Haben wir einmal mit dem rationalen Denken begonnen, scheint es kaum noch zur Ruhe zu kommen. So gibt es auf die Frage, warum das Böse in unserer Schöpfung geradezu notwendig sei, eine entsprechende und in der Theologie oft vorgetragene rationale Antwort. Sie lautet etwa: Gott hat den Menschen geschaffen, damit er sich ihm in Liebe zuwendet. Liebe aber ist nur möglich, solange der Mensch frei ist. Freiheit, so geht die Argumentation weiter, ist nur da gegeben, wo ein Mensch Wahlfreiheit hat, also wo er auch frei das Gegenteil wählen kann. Darum ist das Böse geradezu notwendig. Ohne die Möglichkeit, das Böse wählen zu können, wäre die Wahl Gottes keine freie Wahl, und damit wäre die Liebe zu Gott auch keine frei gewählte Liebe. Ist der Gedankengang verständlich? Unser Urteil: Sobald wir rational zu denken beginnen, hat dieser Gedankengang durchaus Überzeugungskraft. Nur: Lässt sich Freiheit und lässt sich erst recht Liebe rational erfassen? Aus der Erfahrung lassen sich ganz andere Überzeugungen gewinnen. Wer ein Gegenüber wirklich liebt, der liebt frei. Er weiss sich von niemandem dazu gezwungen. Und doch ist er gleichzeitig nicht frei, nicht zu lieben. Warum ist das so? Die Liebe und mit ihr die Freiheit der Liebe funktioniert nicht wie eine rationale Denkaufgabe. Gerade darum ist sie Liebe. Auf die Frage, warum Gott Israel liebt, lautet die Antwort: „Nicht weil du stärker und grösser und ... wärest als andere Völker … Sondern: Gott liebt dich, weil er dich liebt.“ (so etwa 5. Mose 7,7f). Der Grund für die Liebe liegt nicht in unserer Wahlfreiheit. Er liegt einzig in der Liebe. Gott liebt mich weil er mich liebt. Genau genommen heisst das: Auf rationalem Weg gibt es auf die Frage nach Herkunft und Sinn des Bösen für uns Menschen keine Antwort. Natürlich ist das Fragen selbst erlaubt. Wir denken, dass es dafür nur einen Weg gibt: den Weg des Kindes! Wo Fragen von solcher Dimension unbeantwortbar bleiben, hilft uns nur die Gewissheit, die aus der Begegnung mit Gott kommt, wie sie für das Kind aus der Begegnung mit den Eltern kommt: Was immer geschieht und was immer ich nicht verstehen mag: Ich weiss, dass meine Eltern gut sind. Dies war und ist bis heute der Weg des Beters von Psalm 73 und von Hiob: Beide verstehen Gott nicht, obwohl sie anfangs meinen, ihn unbedingt verstehen zu müssen, um ruhig werden zu können. Sie erhalten keine Antwort. Aber sie erhalten die Begegnung mit dem Gott der Liebe. Aus dieser Begegnung erwächst für sie die Gewissheit: Gott ist mit uns. Und dieser Gott ist gut. Sonntag, 7. Juni 2020 Ulrike und Wolfgang schreiben: Heute beginnt die letzte Woche unseres gemeinsamen Bibellesens in der Offenbarung. Bitte lest Offb 20,1-10. OFFENBARUNG 20,1-10 „Jetzt geht es wirklich langsam aber entschlossen auf das Ende zu.“ So begann unser letzter Impuls. Was ist mit „Ende“ gemeint? Nein - es geht nicht um das Ende der Welt, wie man vielleicht meinen könnte. Das „Ende“ ist die grosse und endgültige Hochzeit des Lammes mit seiner Braut. VORBEREITUNGEN Wir hatten von den notwendigen Vorbereitungen gesprochen, die von der Seite des Bräutigams her geschehen müssen, damit er endlich seine Braut heimholen kann (Offb 19,6-9). Mitten in diesen Vorbereitungen stehen wir. Zunächst (Offb 19,19-21) wurden der Antichrist und der falsche Prophet zusammen mit den Königen, die sich zum Kampf gegen Jesus (den Reiter auf dem weissen Pferd Offb 19,11ff) aufgemacht hatten (Offb 19,19) unschädlich gemacht (Offb 19,20-21). Die Könige wurden mit dem Schwert des Wortes erschlagen (Offb 19,21), Antichrist und falscher Prophet landeten im Feuersee. Sie werden nicht wieder auftauchen. Damit setzt unser heutiger Abschnitt ein. Wir beachten, dass all diese ‚Vorbereitungen‘ nicht vom Bräutigam selbst umgesetzt werden. Zum vorangehenden Kampf rief ein Engel die Vögel herbei (Offb 19,17). Der Kampf selbst geht zwar gegen den Reiter auf dem weissen Pferd (Offb 19,19). Doch zu einem solchen Kampf kommt es gar nicht. DER SATAN WIRD WEGGESPERRT Auch jetzt (20,1ff) ist es ein Engel, der das Geschehen vorantreibt. Er kommt vom Himmel herab auf die Erde. Warum? Offb 12,7 wurde berichtet, dass der Satan vom Himmel auf die Erde geworfen wurde. Darum sucht ihn der Engel jetzt auch auf der Erde auf. Er trägt den Schlüssel zur Unterwelt. Die Unterwelt ist für die Bibel der Bleibeort der Dämonen (vgl. Luk 8,31). Der Schlund zur Unterwelt war mit diesem Schlüssel bereits einmal geöffnet worden (Offb 9,1f). Nun wird der Satan mit einer Kette gebunden und in die Unterwelt geworfen. Alle seine Namen werden aufgezählt, wie man bei einem Gefangenen die Identität feststellt. Wichtig erscheint, dass der Zugang zur Unterwelt danach versiegelt wird. Obwohl der Satan noch lebendig ist, ist ihm damit jeder Zugang zur Erde und damit jede Wirksamkeit auf der Erde unmöglich gemacht. Das Ziel dieses Vorgangs wird genau beschrieben. Er soll die Völker nicht mehr verführen. Dafür ist eine zeitliche Frist genannt: 1‘000 Jahre. WARUM NOCH EINE ZWISCHENZEIT? Man kann sich fragen, warum es denn nun nicht schnell zum Ende kommt. Der Satan, die treibende Kraft der Verführung, der hinter Antichrist und falschem Prophet stand, ist jetzt gebunden. Aber noch ist er nicht vernichtet. Würde auch er sofort in den Feuersee geworfen, dann wäre seine Geschichte ja ebenfalls zu Ende. Warum also noch eine Zwischenzeit? Wir meinen, dass es um die „Völker“ geht (Offb 20,3). Dabei handelt es sich offensichtlich um jene Völker, die an den vier Enden der Erde (Offb 20,8) wohnen und die bisher nicht dem Evangelium begegnet sind. Das also muss noch geschehen. Jesus selbst hat deutlich davon gesprochen: „Und dieses Evangelium vom Reich (Gottes) wird auf dem ganzen Erdkreis verkündet allen Völkern zum Zeugnis, und dann wird das Ende kommen“ (Mt 24,14; vgl. Mk 13,10). Das ewige Evangelium ist noch unterwegs (Offb 14,6). 1000 JAHRE Für diese Aufgabe wird in unserem Abschnitt eine Frist von 1‘000 Jahren genannt: das tausendjährige Reich. Die frühe jüdische Apokalyptik kennt zwar die Vorstellung einer ähnlichen Zeitspanne, bevor das Ende kommt. Auffallend aber ist, dass weder im Alten noch im Neuen Testament von einer solchen Zwischen-Zeit oder gar von tausend Jahren bzw. einem tausendjährigen Reich die Rede ist. Wir finden diese Vorstellung nur in unserem Abschnitt (Offb 20,2.3.7). Das macht das Verständnis nicht einfacher. FRAGEN ÜBER FRAGEN Die Auffassungen über das tausendjährige Reich und über das, was mit der damit verbundenen ersten Auferstehung gemeint ist, gehen unter den Auslegern weit auseinander. Werden bei der ersten Auferstehung alle Christen auferstehen oder nur besondere Gruppen? Die Offenbarung skizziert eine konkrete Abfolge der Ereignisse: Wiederkunft Christi - tausendjähriges Reich - letzte Rebellion - jüngstes Gericht. Handelt es sich dabei wirklich um eine zeitliche Abfolge? Und: Wäre eine solche Abfolge global zu verstehen, dass also die Ereignisse immer zeitgleich auf der ganzen Welt stattfinden? Findet das tausendjährige Reich auf der Erde statt? Oder handelt es sich um eine himmlische Herrschaft, die ihre Wirkung durchaus auf der Erde haben kann? Wann begann oder beginnt das tausendjährige Reich? Hat es bereits mit Jesu Kreuz und Auferstehung eingesetzt? Oder warten wir noch auf seinen Anbruch? Usw. WAS STEHT DA? Wir fragen danach, was genau da steht. Unser Abschnitt setzt damit ein, dass der Engel vom Himmel herabsteigt, den Zugang zum Abgrund öffnet, den Satan fesselt und hinabwirft und anschliessend den Zugang wieder versiegelt. Das geschieht also auf der Erde. Aber es geschieht ohne Mitwirkung der glaubenden Menschen. Auch von einem Kampf ist nicht die Rede. Genannt aber wird die Zeit, die der Satan in der Unterwelt gefangen wird. Die Zahl ist wie immer bei apokalyptischen Zahlen nicht zum Zählen bzw. zum Nachschlagen in einem Kalender bestimmt. Sie bedeutet, dass der Zeitraum von Gott festgelegt ist. DIE THRONE Statt zu rechnen ist es besser zu fragen, wozu diese Zeit bestimmt ist. Johannes sieht (wohl im Himmel) vorbereitete Throne. Auf ihnen nehmen Menschen Platz, deren Kennzeichen genau genannt werden: einmal die Märtyrer, die um des Zeugnisses für Jesus und um des Wortes Gottes willen „enthauptet“ worden waren; die weder das Tier (den Antichrist) noch dessen Bild angebetet hatten; die das Malzeichen des Tieres weder auf die Hand noch auf die Stirn genommen haben. Es sind also nicht nur die Märtyrer. Könnte man sagen: Es sind alle, die in dieser Zeit Jesus treu gewesen sind?! Mit Recht ist hier die Frage zu stellen: Handelt es sich um besondere Gruppen der Christinnen und Christen? Oder trifft das nicht viel eher auf alle Christen zu? Johannes sieht sie zuerst als „Seelen“ (Offb 20,4). Dass sie „lebendig“ wurden (Offb 20,5) kann eigentlich nur bedeuten, dass sie bereits ihren Auferstehungsleib empfangen. Dementsprechend schreibt Johannes auch, dass es sich hier um die „erste Auferstehung“ handelt (Offb 20,5f; im Unterschied zur nächsten Auferstehung Offb 20,12f, bei der dann alle Toten vor dem Gericht Gottes erscheinen). Sie sitzen dort zusammen mit Christus. Ihre Aufgabe besteht darin, zu „richten“ (Offb 20,4) und zusammen mit Christus zu „herrschen“ (Offb 20,4). Die Vorstellung scheint also zu sein, dass in dieser Zeit, in der der Satan gebunden ist, gleichzeitig in der himmlischen Welt auf gute Weise „regiert“ wird. Da aber die himmlische und die irdische Welt zusammen gehören, ist gemeint, dass sich diese gute Herrschaft hier auf unserer Erde auswirkt. Besonders bemerkt wird, dass die „übrigen Toten“ (Offb 20,5) in dieser Zeit nicht auferweckt werden. Das sind die, die im Verlauf ihres Lebens keine glaubende Beziehung mit Gott eingegangen sind. Für sie ist es eine lange Wartezeit oder Schlafenszeit. DIE ERSTE AUFERSTEHUNG Johannes spricht hier also von der „ersten Auferstehung“ und preist die selig, die daran Anteil haben. Welche Vorstellung steht dahinter? Johannes meint damit die Auferstehung der verstorbenen Glaubenden, die während dieser Zwischenphase (dem 1000-jährigen Reich) mit Christus im Himmel über Gottes Welt regieren. Das grosse Weltgericht kommt für sie und für alle anderen erst später (Offb 20,11-15). Die übrigen Toten werden erst zu diesem späteren Zeitpunkt, d.h. zum Zeitpunkt des grossen Weltgerichtes, auferstehen. Jeder Mensch stirbt seinen individuellen Tod, also den ‚ersten‘ Tod. Im Weltgericht wird sich zeigen, wer weiter mit Christus leben kann und wer nicht. Für diese zweite Gruppe kommt es zum „zweiten Tod“ (Offb 20,6). Wer jedoch bereits an der ersten Auferstehung teilhat ist „selig“. Der zweite Tod wird ihn als einen Glaubenden nicht mehr berühren (Offb 20,6; vgl. Joh 11,25f). Die Berufung der Glaubenden ist die, die Gott seinem Volk beim Bund am Berg Sinai zugesprochen hat: „Priester Gottes und Christi“ zu sein (Offb 20,6; vgl. 2. Mose 19,6; 1 Petr 2,5). Priester ist man nie für sich selbst. Die priesterlichen Menschen des Neuen Testamentes bringen auch keine Opfer. Das Lamm hat sich selbst bereits als umfassendes Opfer dargebracht. Es gibt kein weiteres Opfer mehr. Die entscheidende Aufgabe eines Priesters ist nun die geistliche Begleitung von Menschen und vor allem das Gebet für sie. DIE WIRKUNG DES TAUSENDJÄHRIGEN REICHES Wie haben wir uns das tausendjährige Reich in seiner Auswirkung auf der Erde vorzustellen? Die Beschreibung, die unser Abschnitt liefert, ist denkbar knapp: Von den Seelen, die durch die erste Auferstehung zum ganzen (leibhaften) Leben zurück kehren, heisst es: „… es wurde ihnen das Gericht übergeben“ und „… sie herrschten mit Christus tausend Jahre“ (Offb 20,4.5). Rechtsprechung und Regierung. Paulus nennt den Antichrist „Mensch der Gesetzesfeindschaft“ (2. Thess 2,4) und weist mit „Geheimnis der Gesetzesfeindschaft“ auf den Grundzug der antichristlichen Zeit, der bereits wirksam sei, hin. Paulus weiss aber auch darum, dass es etwas gibt, das diesen Mensch der Gesetzesfeindschaft „aufhält“ (2. Thess 7). Die meisten Ausleger sind sich einig, dass damit das Fundament der „Rechtsstaatlichkeit“ im römischen Staat gemeint ist. Solange man sich auf das Recht berufen und damit rechnen kann, dass die Institutionen des Staats das Recht nicht nur vertreten, sondern einem auch zum Recht verhelfen, kann sich das Böse nicht ungehindert ausbreiten. Wir denken nicht daran, dass das tausendjährige Reich ein religiös geformter Staat ist. Entscheidend ist, dass er das Recht vertritt, schützt und durchsetzt. Das scheint uns ein Kennzeichen des „tausendjährigen Reiches“ zu sein. WAS IST ‚ZEIT‘? „Tausendjähriges Reich“ ist eine Zeitangabe. Was aber ist unter ‚Zeit‘ zu verstehen? Was bedeutet ‚Zeit‘ allgemein und was bedeutet sie im Buch der Offenbarung? In der Zeit des sogenannten Eisernen Vorhangs lebten Christen im Westen in grosser Freiheit. Für sie war es eine ‚gute Zeit‘. Christen in anderen Ländern litten unter Bedrängnis. Für sie war es eine ‚bedrückende Zeit‘. So ist das bis heute. Wir in der Schweiz, in Deutschland usw. profitieren von einem stabilen Gesundheitswesen. Länder (bzw. Bevölkerungsgruppen) in Asien und vor allem in Afrika leben mit vielen Einschränkungen in Bezug auf die medizinische Versorgung. In den meisten Bereichen des Westens leben wir trotz aller Einschränkungen und trotz des Virus im Vergleich mit diesen Ländern in einer relativ ‚guten Zeit‘. Natürlich gibt es Ausnahmen: Menschen in Bergamo, in New York, in den Flüchtlings-Lagern auf Lesbos bzw. im Nahen Osten usw. machen zur selben Zeit ‚schwere Zeiten‘ durch. ZEITRÄUME, DIE SICH AN EREIGNISSEN ORIENTIEREN Unsere Frage: Könnten bzw. müssten wir da nicht davon reden, dass wir in sehr verschiedenen ‚Zeiten‘ leben? Natürlich: Im Blick auf unseren Kalender leben wir alle im Jahr 2020. Das aber ist nur ein mögliches Zeitverständnis: eine global überall gleiche Zeit. Es gibt jedoch noch andere Möglichkeiten, ‚Zeit‘ zu verstehen, die sich weder am Kalender noch am Zeiger unserer Uhren orientieren. Nennen wir sie einmal ‚Erfahrungszeiten‘. Sie orientieren sich an den Ereignissen, die gerade vor sich gehen. So sprechen wir auch treffend von Krankheitszeiten, von Krisenzeiten, von Ferienzeiten usw. Keine dieser Zeiten sind global, betreffen also alle Menschen im selben Moment. Trotzdem sind das ‚Zeiten‘ und werden von uns auch so erfahren. Wir meinen, dass die Offenbarung mit der Schilderung der schweren Ereignisse der Siegel, der Posaunen usw. von einem solchen zweiten Zeitverständnis ausgeht. Also: Die beschriebenen Ereignisse weisen uns zwar auf ‚schwere‘ Zeiten hin. Aber die müssen nicht unbedingt zur selben kalendarischen Zeit über die ganze Welt kommen. Kann man das ‚tausendjährige Reich‘ genauso verstehen? Ist es eine Zeit des Friedens und der Rechtssicherheit, auch wenn wir sie da und dort örtlich gesehen nur begrenzt erfahren? DIE TAUSEND JAHRE GEHEN ZU ENDE Die „tausend Jahre“ gehen zu Ende und der Satan wird wieder losgelassen. Es ist wichtig zu bedenken, dass sowohl die tausend Jahre wie die Freilassung des Satan in Gottes Hand liegen. Die Befreiung des Satan ist ein Akt der Macht Gottes und kein Akt der Mächtigkeit Satans. Satan tut das einzige, was er wirklich kann: Er verführt die Völker und versammelt sie zum Krieg. Mit „Gog“ und „Magog“ wird (unter Rückgriff auf Ezechiel 38-39) ein Symbolname verwendet, der diese Völker charakterisiert: ein Reitervolk, das seine Grösse und Macht vor allem durch weit gespannte kluge Bündnispolitik sichert. So auch hier. Die Völker versammeln sich in unzählbarer Menge zur vermeintlich letzten Auseinandersetzung. Das Heerlager der Heiligen „und die geliebte Stadt“ wird umzingelt. Menschlich gesehen ist es aussichtslos für sie. Doch wie bereits vorher (Offb 19,19f) kommt es gar nicht zum Kampf. „Feuer vom Himmel“ (vgl. Ezech 39,6) verzehrt sie. Unser Abschnitt schliesst damit, dass die Aufgabe des Satans nun beendet und seine Zeit beschlossen ist. Man beachte: Weder der Antichrist noch der falsche Prophet noch der Satan kommen vor ein Gericht oder gar vor das grosse letzte Gericht. Das wird eine andere Aufgabe haben. Der Satan wird „geworfen“ in den Feuersee, „wo auch das Tier und der falsche Prophet sind“ (Offb 20,10). Von dort wird er nie mehr wiederkehren. Gottes Geschichte mit seinen Menschen geht ohne ihn zu Ende. Donnerstag, 4. Juni 2020 Ulrike und Wolfgang schreiben: Mit den Impulsen geht es am Sonntag, 7. Juni, weiter. Wir wollen bis zum 14. Juni das gemeinsame Lesen der Offenbarung abschliessen. Mittwoch, 3. Juni 2020 OFFENBARUNG 19,17-21 – LANGSAM AUF DAS ENDE ZU Jetzt geht es wirklich langsam aber entschlossen auf das Ende zu. Nachdem das grosse Babylon gestürzt und vernichtet wurde, geht es nun zwei Schritte weiter. Der Antichrist und der falsche Prophet landen im Feuersee und werden nicht mehr weiter auftauchen. Am Ende wird auch noch der Drache, also der Satan, ergriffen und mit einer Kette für tausend Jahre im Abgrund verwahrt. Bis er schliesslich ebenfalls in den Feuersee geworfen wird (Offb 20,10). Wir sehen uns das einzeln an. Zuerst erscheint Christus als Reiter auf dem weissen Pferd. Ihm folgen die himmlischen Engel-Heerscharen. Das Bild ist militärisch, obwohl Christus – mit Ausnahme des Schwertes, das aus dem Mund kommt – keine kriegerischen Waffen trägt. Alles spitzt sich auf den kommenden Kampf (Offb 19,19ff) zu. DIE EINLADUNG ZUM ZWEITEN MAHL Damit setzt unser heutiger Abschnitt ein. Ein Engel in der Sonne, also am höchsten Punkt über der Erde, ruft mit lauter Stimme alle Vögel, die im Zenit fliegen. Sie bekommen keinen Auftrag, sondern eine Einladung. Es ist die zweite Einladung Gottes zu einem Gastmahl in diesem Kapitel. In Offb 19,7-9 wird zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen. Auch hier (Offb 19,17) handelt es sich um ein Mahl Gottes. Eingeladen sind die Vögel. Sogar die Speisekarte ist klar: Es gibt nur Fleisch, und zwar von … Die Einladung ergeht, obwohl die ‚Mahlzeit‘ noch gar nicht bereit ist. Sie ist aber gewiss. AUFMARSCH - ABER KEIN KAMPF Erst jetzt (Offb 19,19) setzt der Aufmarsch ein: «Und ich sah das Tier und die Könige auf Erden und ihre Heere versammelt, Krieg zu führen mit dem, der auf dem Pferd sass, und mit seinem Heer.» Der Anführer ist der Antichrist (das Tier), um den sich die Könige mit ihren Heeren versammeln, also zum erwarteten Kampf aufmarschieren. Der Gegner, der in diesem Kampf vernichtet werden soll, ist klar: der, der auf dem Pferd sitzt (Offb 19,11), also Jesus als der Messias. Die Schlacht kann nun beginnen. Doch von einer Schlacht wird gar nicht erzählt. Kommt es gar nicht dazu? Oder ist sie so unwichtig, dass von ihr gar nicht berichtet werden muss? EREIGNIS 1: FEUERSEE Berichtet wird von zwei Ereignissen: Der Antichrist wie der falsche Prophet, die in der Kraft des Drachens die Menschen der Welt verführt hatten, werden «ergriffen». Das ist kein genuin militärischer Vorgang. Er entspricht eher unserem Ausdruck «sie wurden gepackt». Entscheidend ist, dass sie lebendig in einen Feuersee geworfen werden, der von Schwefel brennt. Das Bild von Feuer und Schwefel kennen wir ebenfalls aus dem Bericht von Gottes Gericht über Sodom und Gomorrha (1. Mose 19,24ff). Was bedeutet das? Die Deutungen gehen in verschiedene Richtungen. Bei Sodom und Gomorrha bestand die Aufgabe des Feuers darin, die beiden Städte und ihr Umland zu vernichten (1. Mose 19,25). In der jüdischen und der christlichen Deutung ist Feuer ein Weg zur Reinigung, wie man Erz im Feuer erhitzt, um so das geschmolzene und gereinigte Metall von der Schlacke zu trennen. Daneben breitet sich die Vorstellung vom Feuer als dem Ort der Qual und Strafe aus. Welcher Vorstellung neige ich zu? Woher habe ich die Neigung zu dieser Vorstellung? Wie denke ich heute darüber? EREIGNIS 2: TÖTUNG DURCH DAS SCHWERT Im Unterschied zum Antichrist und zum falschen Propheten, die lebendig in den Feuersee geworfen werden, werden «die Übrigen» (also wohl die Könige und ihre Mitläufer) durch das Schwert, das aus dem Mund des Reiters hervorgeht, getötet. Auch hier ist zu fragen, was mit dieser Bildsprache gemeint ist. Das scharfe Schwert aus dem Mund des Messias ist das Wort, das ihm vom Vater anvertraut ist (Offb 1,16; vgl. Jesaja 49,2). Sein Wort ist das einzige Mittel, mit dem er Menschen zurecht bringen kann. Ein anderes Mittel steht ihm nicht zur Verfügung. Wer auf dieses Wort nicht hört, sich von ihm nicht zurecht bringen lässt, ist damit bereits gerichtet. Zum Abschluss seiner öffentlichen Wirksamkeit sagt Jesus: «Wenn jemand meine Worte hört und sie nicht hält, richte nicht ich ihn. Denn ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um sie zu retten. Wer mich verwirft und meine Worte nicht annimmt, hat seinen Richter. Das Wort, das ich geredet habe, das wird ihn richten am jüngsten Tag» (Joh 12,47f). Wer also Jesu zurechtbringendes Wort nicht aufnimmt, der findet sich am Ende genau dort vor, wohin er – in seiner Ablehnung Jesu – immer schon hin wollte. Das Gerichtswort über ihn ist kein Urteil, das als etwas Fremdes über ihn kommt. Es ist jenes Urteil, an dem er mit seiner Ablehnung Jesu ein Leben lang mitgewirkt hat. HABEN WIR MITLEID MIT JENEN IM FEUERSEE? Das Bild vom Feuersee ist schrecklich. Bis jetzt sind nur der Antichrist und der falsche Prophet in ihm (Offb 19,20). Später wird noch der Drache (also Satan selbst) dazu kommen (Offb 20,10), noch später noch einige andere (Offb 21,8). Wir werden also noch weiter versuchen, diese Bildsprache zu verstehen. Hier eine Zwischenüberlegung: Unser Mitleid mit jenen, die dort ihren letzten Ort finden, hängt sicher einmal mit der Endgültigkeit zusammen, die wir mit Recht mit diesem Geschehen verbinden. Das Gericht ist etwas Endgültiges. Hinzu kommt ein Zweites, das uns an der Geschichte von Sodom und Gomorrha deutlich werden kann. Die Geschichte setzt mit Gottes Frage ein, ob die Leute in Sodom und Gomorrha wirklich so verdorben sind, wie man es von ihnen erzählt. Es ist Gott selbst, der seine Engel hinschickt, um der Sache nachzugehen. Abraham bekommt von Gott selbst Kunde davon. Seine bedeutende Unterredung mit Gott hat eine Voraussetzung: Gäbe es eine völlig verdorbene Gemeinschaft oder einen völlig verdorbenen Menschen, dann wäre da doch sicherlich noch irgendwo ein kleiner Rest an Gerechten bzw. an Gerechtem, das man in die Waagschale werfen könnte. Wie viel braucht es, um das endgültige Strafgericht abzuwenden? Reichen fünfzig, oder 40? Und wenn es nur ... Am Ende kommt Abraham an dem vermuteten Tiefpunkt an: «Vielleicht sind nur zehn darin zu finden.» Und Gott antwortet: «Ich will sie nicht verderben um der zehn willen.» (1. Mose 18,16-33). Wie ist das nun mit dem Antichrist, dem falschen Prophet, dem Satan? Bitte beachtet: Es geht uns jetzt nur um sie und nicht – noch nicht – um jene, die sich von ihnen haben verführen lassen. Ihnen wenden wir uns später zu. DAS GRUNDPRINZIP DES BÖSEN In einem grundlegenden Abschnitt äussert Jesus sich über den Teufel, den Satan. „Er war von Anfang an ein Menschenmörder“ (Joh 8,44). «Im Anfang» bedeutet einmal: von der Schöpfungsgeschichte an. Mit diesem Satz bezeichnet man aber auch das Grundprinzip, das jemand oder etwas ausmacht. Man könnte also übersetzen: «Von dem ihm zugrundeliegenden Wesen her war er nie und nichts anderes als ein Menschenmörder.» Und so fährt Jesus weiter: «Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen; denn er ist ein Lügner und ist der Vater (der Ursprung) derselben» (Joh 8,44). DAS ZERSTÖRTE UND ZERSTÖRENDE Mitleid oder Verschonung hat dort seine Berechtigung, wo «vielleicht noch zehn» zu finden sind. Ja, vielleicht reicht sogar nur «einer». Das trifft auf uns Menschen zu. Darum ist es wichtig, dass nicht wir Menschen als Richter über Menschen eingesetzt werden. Das Gericht liegt allein in Gottes Hand. Grundlegend anders ist das beim Drachen (Satan), dem ersten Tier (Antichrist) und dem zweiten Tier (dem Pseudopropheten). Sie sind keine Menschen. Anders: Sie sind die Gestaltwerdung des Wunsches, Gottes gute Schöpfung zu zerstören und die Menschen in diesen Sog hinein zu ziehen. Nur dieses eine Anliegen treibt sie an. Etwas anderes kommt in ihnen nicht vor. Gottes Ziel ist die Erneuerung der Schöpfung (Offb 21,1ff), wie sie ursprünglich einmal gemeint war. Alls, was damals als etwas «Gutes» gemeint und geschaffen war, das wird bleiben. Alles, was die ursprüngliche Schöpfung angriff, pervertierte und bis heute zerstört, muss seinen Raum verlieren. Im Feuersee landet nichts, das je zur guten Schöpfung gehörte. Dort landet nur das Zerstörte und Zerstörende. DIE AUFGABE DER VÖGEL In unserer Betrachtung fehlen uns jetzt nur noch die Vögel, die der Engel zu Anfang unseres Abschnittes herbei rief. Es sind jene Vögel, die in einer faszinierenden Schnelligkeit und Genauigkeit jedes Aas finden und beseitigen. Sie finden alle Menschen, die sich äusserlich und auch innerlich den Königen und dem Antichristen angeschlossen hatten. Das bedeutet: • Die Vögel sorgen dafür, dass unter den Lebenden keine Krankheiten durch totes und verdorbenes Fleisch ausbrechen. Die geistig-geistliche Seuche soll sich ebenso wenig verbreiten können wie eine bakterielle. • Die Menschen sollen bewusst nicht begraben werden. Es soll keine Grabmäler, keine Erinnerungs- und Verehrungsstätten für sie geben. Die Zukunft Gottes wird ohne sie gebaut, auch wenn sie bisher Könige waren. Dienstag, 2. Juni 2020 OFFENBARUNG 19,11-16 – DAS GEWAND IST IN BLUT GETAUCHT «Und er war angetan mit einem Gewand, das in Blut getaucht war, und sein Name ist: Das Wort Gottes. Und ihm folgte das Heer des Himmels auf weissen Pferden, angetan mit weissem, reinen Leinen. Und aus seinem Mund ging ein scharfes Schwert, dass er damit die Völker schlage. Und er wird sie regieren mit eisernem Stabe; und er tritt die Kelter voll vom Wein des grimmigen Zornes Gottes, des Allmächtigen, und trägt einen Namen geschrieben auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte: ‹König aller Könige und Herr aller Herren›.» (Offb 19,13-16) BILDSPRACHE Noch einmal wie so oft: Wir haben es hier mit Bildsprache zu tun. Es braucht Offenheit und Zeit, sich in diese Bilder zu vertiefen: ihre Formen, ihre Farben und Bewegungen, ihre Hektik sowie ihre Langsamkeit, die wechselnde Lautstärke usw. Dabei wird man entdecken, dass diese Bilder zwar überraschend, aber durchaus verständlich sind. Jesus bewegt sich in den Bildern vom «Schwert», mit dem er richtet, vom «Stab», mit dem er regiert, von der «Kelter», in der sich das Zorngericht vollzieht, in den Bahnen, die ihm vom Alten Testament her vorgezeichnet sind. Jesus hat seinen Weg als Messias von Worten der Schrift her verstanden. In Offb 19,11-16 sind es drei alttestamentliche Bilder, von denen her wir sehen, wie Jesus sein Kämpfen, sein Richten und sein Regieren als Messias verstanden hat. • Es kommt ein «Schwert» aus dem Mund des Messias. «Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht» (Jes 49,2) und: «Er wird mit dem Stab seines Mundes den Gewalttätigen schlagen» (Jes 11,4) • Der ‹Sohn› regiert die Völker mit «eisernem Stab» (Ps 2,9) • Gott selbst tritt die «Kelter» des Zorns (Jes 63,3-6) Eines dieser Bilder sehen wir uns näher an. DAS GEWAND JESU IST IN BLUT GETAUCHT Das Blut, das Jesus für die Seinen vergiesst, ist sein Kennzeichen. «Er war angetan mit einem Gewand, das mit Blut getränkt war.» (Offb 19,13) An seinem Blut wird Jesus als Sieger erkannt: «Denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen» Offb 5,9. So auch Offb 1,5; 7,14; 12,11;14,20; 19,13. Es ist sein Blut, in dem die Glaubenden «ihre Kleider gewaschen und rein gemacht haben» (Offb 7,14). Es ist aufschlussreich, sich die Zusammenhänge anzuschauen, in denen in der Offenbarung Blut genannt wird. Viermal hören wir von Jesu eigenem Blut, das er vergossen hat, um Menschen zu «erkaufen». Sechsmal ist es das Blut der Heiligen bzw. der Zeugen Jesu, der Propheten und Knechte, die wegen ihres Glaubens getötet wurden. Siebenmalmal wird das Blut im Zusammenhang mit den Plagen genannt (z.B. «Wasser wurde zu Blut»). Eine weitere Stelle (18,24b) ist anders zuzuordnen. ES IST JESU EIGENES BLUT Auf Menschen bezogen ist es immer und ausschliesslich das Blut Jesu und das der Gemeinde, das vergossen wird. Jesus gibt sein eigenes Blut zum Opfer. Die Menschen, die zur Gemeinde gehören, geben ihr eigenes Blut zum Zeugnis. Es ist nie das Blut anderer Menschen; nie das Blut irgendwelcher möglichen Feinde Gottes. Die einzige Stelle, bei der man unsicher sein kann, um wessen Blut es sich handelt, ist das Bild vom letzten Gericht, von der endgültigen Ernte: «Und die Kelter wurde draussen vor der Stadt getreten, und Blut floss von der Kelter bis an die Zäume der Pferde, tausendsechshundert Stadien weit.» (Offb 14,20) Für die jahrhundertealte kirchliche Auslegungstradition war die «Kelter» eine Beschreibung der politischen Wirklichkeit. Sie verstanden «die Kelter» nicht als apokalyptische Bildsprache. Sie meinten, dass im Gericht Gottes die Gegner in der «Kelter des Zornes Gottes» landen. Ihr Blut steigt in unvorstellbare Höhe und fliesst in eine unermessliche Weite. Auf diese Weise – so dachte man es – übt das Lamm das ihm übertragene Gericht aus. Auf diese Weise hat man Gottes Gericht als Rache verstanden. Schon im Impuls zu Kapitel 14 haben wir auf eine andere und uns wahrscheinlichere Auslegung hingewiesen: Natürlich vollzieht sich hier Gottes Gericht über die Völker. Es geschieht aber so, dass Jesus selbst als der «wahre Weinstock» abgeernet und stellvertretend für die Völker zertreten wird. Für beide Textstellen von der Kelter – Offb 14,19f und 19,11-16 – ist Jes 63,3-6 das Urbild. Jesaja erwartet, dass Gott seinem Volk in Babylonien persönlich zu Hilfe kommen wird. Er kommt «mit Gerechtigkeit», um «die Meinen zu erlösen». Dort ist es das Blut der Völker, das im Akt der Befreiung Israels vergossen wird. SEIN BLUT STATT UNSEREM BLUT Mit dem Kommen von Jesus, der der Messias ist, ist es Jesu Blut, das fliesst. Nicht das Blut der Völker. Im Neuen Testament – und damit auch in der Offenbarung – findet also eine entscheidende Umdeutung statt. Es ist das Blut des Christus, das in der «Kelter» – ein Bild für die letzte Ernte – vergossen wird (Offb 14,19f; 19,5). Gerade so ist es das Gericht, das an «uns», den Menschen aus den Völkern, vollzogen wird. Es ist unsere Gottlosigkeit und unsere Ungerechtigkeit, die vom Zorn Gottes getroffen wird. Getroffen aber wird er, der Messias, Jesus als Christus und Lamm Gottes. An unserer Stelle betritt ‹das Lamm› die Kelter und lässt dort sein Blut. «Wahrlich, unsere Krankheiten hat er getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir aber meinten, er sei gestraft, von Gott geschlagen und geplagt. Und er war doch durchbohrt um unserer Sünden, zerschlagen um unserer Verfehlungen willen; die Strafe lag auf ihm zu unserer Rettung, und durch seine Wunden sind wir genesen» (Jes 53,4-5). Von daher kommt die für unsere Ohren eigenartige Berufung der Christen auf das Blut Jesu: «Das Blut des Lammes reinigt uns …», «Wir haben die Vergebung in seinem Blut» usw. Das hat schon einen merkwürdigen Klang. Nur: Theologisch lässt sich das, was in dieser Stellvertretung vor sich geht, gar nicht anders beschreiben. Es ist dichte und präzise Sprache für das, was hier geschah und noch immer vor sich geht. Montag, 1. Juni 2020 Ulrike schreibt: Bitte lest Offenbarung 19,11-16. Gut wäre es, die Verse so oft zu lesen, bis ihr nacherzählen könnt, was euch gezeigt wird. Die Bilder sind gewaltig. Wirklich gewaltig. Heute versuchen wir zu fassen, was uns über den ‹Namen› des Christus gesagt wird. OFFENBARUNG 19,11-16 – CHRISTUS AUF DEM PFERD «Und ich sah den Himmel aufgetan: und siehe, ein weisses Pferd. Und der darauf sass, hiess ‹treu› und ‹wahrhaftig›, und er richtet und kämpft mit Gerechtigkeit. Und seine Augen sind wie eine Feuerflamme und auf seinem Kopf sind viele Kronen; und er trug einen Namen geschrieben, den niemand kannte als er selbst.» (Offb 19,11f) Wir bekommen wieder Einblick in die himmlische Welt. Es ist keine irdische Armee, die hier aufzieht. Es wird keinen irdischen Kampf geben. Der Blick in den Himmel ist ein Blick ins Zentrum der Wirklichkeit. DAS KANN NUR ‹ER› SEIN Auf dem weissen Pferd sitzt einer, dessen Name nicht genannt wird. Das Bezeichnende ist wohl, dass sein Name gar nicht genannt werden muss. Es ist klar, wer er ist. Wenn jemand «treu» ist, wenn jemand gegenüber Gott und Menschen und seiner Schöpfung zutiefst zuverlässig ist: dann ist er es. Wenn auf jemanden unbedingt Verlass ist, dann auf ihn. Wenn einer «wahrhaftig» ist, wenn ihm jede Lüge, jedes Tricksen, jeder äussere Schein fremd ist, dann ist es Jesus Christus. Umgekehrt meinen wir – Wolfgang und Ulrike –, dass überall da, wo uns bei Menschen Zuverlässigkeit und Wahrhaftigkeit begegnen, Gott am Wirken sein muss. Im Bereich des Antichristlichen gibt es beides nicht. • Vielleicht können wir dem nachgehen: Gehören für mich die Attribute ‹treu› und ‹wahrhaftig› genauso selbstverständlich zu Jesus, wie sie es für Johannes tun? Oder gibt es Bereiche in meinem Herzen, in denen ich Jesus nicht für zuverlässig halte? Oder in denen ich ihm zutraue, dass er es auch ganz anders meinen könnte, zu meinen Ungunsten? • Mit welchen Adjektiven würden wir einander beschreiben? Wenn wir voneinander reden würden, ohne unsere Namen zu nennen. Bei welchen Zuschreibungen wüssten wir: ««Ja, das kann nur er sein»»? «Ja, das kann nur sie sein»? DEN NAMEN JESU KENNEN Johannes schreibt, dass niemand den Namen des siegreichen (mehrere Kronen!) Reiters kennt, ausser ihm selbst. Vielleicht ist gemeint, dass der Name Jesu nicht aus menschlicher Denkarbeit oder Erfahrung herzuleiten ist? Er muss einem ‹erschlossen› werden, im Sinne des Jesus-Wortes in Mt 11,27: «Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand erkennt den Sohn als nur der Vater, und den Vater erkennt niemand als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.» Es muss uns von Jesus selbst gesagt werden, wer der Vater ist. Wer aber der Sohn – also Jesus – ist, das ist als Geheimnis im Vater verborgen. Aller Glaube, alle wirkliche Kenntnis Jesu, hat ihren Ursprung in der Selbstmitteilung Gottes. Als Petrus Jesus als den Messias erkennt und bekennt, antwortet ihm Jesus sofort: «Fleisch und Blut – also deine menschlichen Möglichkeiten – haben dir das nicht geoffenbart, sondern mein Vater in den Himmeln» (Mt 16,17). Das gehört zum grundlegenden Wissen, das die frühe Kirche miteinander geteilt hat. «Niemand kann sagen (bekennen) ‹Herr (also Gott) ist Jesus› ausser durch den Heiligen Geist» (1. Kor 12,3). Frage: Halten wir die Erkenntnis Jesu doch noch für eine menschliche Möglichkeit? Wenn der andere ehrlich wäre, wenn er sich diesem oder jenem Argument nicht verschliessen, ja wenn er nur wollen würde …? Und auch: Wenn wir nur richtig predigen, den Menschen mit echter Liebe nachgehen, …usw. Das sind lauter Argumente hinter denen die Überzeugung steht, dass die Erkenntnis Jesu dem Menschen durchaus zugänglich wäre, wenn … Das ist der Punkt, an dem die biblischen Schriften grundlegend anders sprechen. «KÖNIG ALLER KÖNIGE» UND «HERR ALLER HERREN» «Er trägt einen Namen geschrieben auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte: König aller Könige und Herr aller Herren.» Offb 19,16 Dass Jesus den Namen auf der Hüfte trägt, meint wohl, dass er nicht von Kleidung bedeckt ist. Der Reiter auf dem Pferd trägt eine Tunika oder einen kurzen Rock, so dass die Oberschenkel unbekleidet sind und im Kampf gesehen werden. Der Name Jesu ( = König aller Könige und Herr aller Herren) ist eine Herrschaftsbezeichnung. Das ist es, was Aufgabe des Messias ist: das Reich – also die Herrschaft Gottes – aufzurichten. Der historische Jesus hat sich an keiner Stelle als militärischer Führer gezeigt. Das hat manche seiner Zeitgenossen irritiert, und darum dachten sie, dass er nicht der Messias sein kann. Denn vom Messias wurde gemeinhin erwartet, dass er die entscheidende Schlacht gegen Israels Feinde führen wird – zum Beispiel gegen die römische Besatzungsmacht. Das war seine zentrale Aufgabe. Jesu eigenes Verständnis von der Herrschaft des Messias war grundsätzlicher. Im Mittelpunkt seiner Verkündigung steht das «Reich Gottes», also das Aufrichten der «Königsherrschaft Gottes». Was meint es, die Königsherrschaft Gottes aufzurichten? Die Welt gehört Gott ohnehin, aber sie will von ihrem Schöpfer nichts wissen. Von Jesus heisst es darum in Joh 1,11: «Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.» Die Menschen wollen von ihrem Schöpfer und Erlöser nichts wissen. Jesus richtet das Reich Gottes auf – und zwar, indem er selbst kommt. Wo Jesus ist, da ist das Reich Gottes nahe. Wo er wirkt, da ist der himmlische Vater selbst am Wirken. Wo Jesus betet, wird der Vater angebetet. Jesus gibt Gott und seinem Wort unbedingte Geltung. Denn er ist der ‹Sohn› und ist das Wort Gottes. Das Reich Gottes ist Hauptthema der Evangelien. Das Markusevangelium setzt mit dem Statement ein, dass ‹jetzt›, mit dem Kommen Jesu, die Herrschaft Gottes angebrochen ist: «Die Zeit ist erfüllt und das Reich (= die Herrschaft) Gottes ist herbeigekommen. Kehrt um und glaubt dem Evangelium.» (Mk 1,15) «Und er [Jesus] zog umher in ganz Galiläa, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen im Volk.» (Mt 4,23) Seinen Jüngern sagt Jesus: «Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.» (Mt 6,33) Das ganze Neue Testament bezeugt, dass die Herrschaft Jesus gehört (1. Kor 15,24-27; Phil 2,9-11) Und auch die Offenbarung stimmt immer wieder gewaltig ein: «Es sind die Reiche der Welt unseres Herrn und seines Christus geworden, und er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit.» (Offb 11,15) Der Christus siegt. Er richtet die Herrschaft Gottes auf. Aber es ist kein militärischer Sieg über Rom, bzw. über die römische Besatzung. Jesus war grundsätzlicher. Er hat den Feind besiegt, aus dessen Macht heraus sich Systeme wie ‹Rom› organisieren. Jesus hat einen Kampf nicht mit Rom, sondern mit dem Drachen geführt, mit dem Satan, der Schlange, dem Teufel. Dass Jesus diesen Kampf gewonnen hat, steht auf seiner Hüfte. Er ist «König aller Könige und Herr aller Herren». Sonntag, 31. Mai 2020 Wolfgang und Ulrike schreiben: Wir wünschen euch ein frohes und gesegnetes Pfingstfest, eine gute Zeit mit Gott, mit euren Familien, der Gemeinde und mit euch selbst. Der Abschnitt für heute ist einfach zu betrachten und ist Anlass zur Freude. Bitte lest Offenbarung 19,1-10. OFFENBARUNG 19,1-10 – VORBEREITUNGEN FÜR DIE HOCHZEIT Babylon ist untergegangen. Und doch ist noch nicht alles vorbei. Im Gegenteil. Das Schönste kommt noch. Und vorher auch noch einiges. Es ist, als ob dem Johannes und damit auch uns ein Zwischenhalt eingeräumt wird. Es ist gut, dass der seinen Raum bekommt. Johannes ist immer noch vom Engel begleitet, der ihm das Gericht über Babylon (Offb 17 und 18) gezeigt und manches auch erklärt hat (Offb 17,1). Von ihm erhält er nun den Befehl, alles aufzuschreiben (Offb 19,9). Aufgeschrieben werden soll, was der Gemeinde sorgfältig zu übergeben und von ihr aufzubewahren ist. Worauf wird hier so wert gelegt? Man könnte denken, es sei die Beschreibung des Gerichtes über Babylon. Oder der vielfache Lobpreis, der in unserem Abschnitt erklingt. Aber das (oder das allein) scheint es nicht zu sein. Wesentlich ist: „Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind“ (Offb 19,9). DER BLICK AUF DAS WESENTLICHE Es ist gut, wenn wir dem in uns Raum geben, bevor es in der Schilderung der Offenbarung weiter geht. Jesus als das Lamm sehnt sich danach, mit seiner Braut – mit denen, die als Glaubende zu seiner Gemeinde gehören – eins zu werden, also Hochzeit zu feiern. Die Hochzeit ist das grosse Ziel. Alles andere ist Vorbereitung. So wichtig die Vorbereitungen sind, sind sie doch nicht das Wesentliche. Aber sie bergen in sich die Gefahr, dass sie einem den Blick auf das Wesentliche verstellen. Der Untergang Babylons, der Triumph über Antichrist und Pseudoprophet (Offb 19,19ff), die Fesselung des Satan (Offb 20,1f), das tausendjährige Reich (Offb 20,2ff), der Endkampf (Offb 20,7-15): Das alles gehört zu den Vorbereitungen. Unser Abschnitt ist dazu da, mitten in allen Vorbereitungen den Blick auf das Wesentliche zu bewahren. Das Buch der Offenbarung wird mit der Einladung zur Hochzeit schliessen: „Und der Geist und die Braut sagen: Komm! Und wer hört, der sage: Komm!“ (Offb 22,17). DAS VERSTÄNDNIS VON HOCHZEIT Die Hochzeit des Lammes mit seiner Braut ist das zentrale Bild des ganzen Buches. Darum sollte man etwas über das Verständnis einer Hochzeit zur Zeit des Johannes wissen, das sich an einem ganz wesentlichen Punkt von unserem modernen Verständnis von Hochzeit unterscheidet. Für uns beginnt eine Ehe mit dem Zeitpunkt der Ziviltrauung, der meistens mit der Feier der Hochzeit zeitlich zusammen fällt. Von dem Moment an sind Bräutigam und Braut juristisch gesehen Mann und Frau. Bis vor einiger Zeit ging der Hochzeit die Zeit der Verlobung voraus. Man versprach sich gegenseitig, einander gehören zu wollen. Verlobung war eine Vorbereitungszeit. Sie diente aber auch noch einer letzten Prüfung, ob man die Beziehung wirklich eingehen und leben wollte. Rechtskräftig wurde die Ehe erst mit der Trauung. DAS FEST DER HEIMHOLUNG Das war damals anders. Eine Ehe begann juristisch gesehen bereits mit der gegenseitigen Versprechung, also mit dem, was man in unserer Kultur bis vor einiger Zeit Verlobung genannt hat. Von dem Moment an war man juristisch gesehen bereits Mann und Frau. Die Hochzeit fand in der Regel etwa ein Jahr nach diesem Versprechen statt. Es war gerade nicht das Fest der Eheschliessung im modernen Sinn. In unserem Sinn verheiratet war man ja vom Moment des gegenseitigen Versprechens an. Die Hochzeit war das Fest der Heimholung. Der Bräutigam machte sich zur Familie der Braut auf, um seine Braut als seine Frau zu sich nach Hause zu holen. Dieses Rechtsverständnis steht hinter dem Bild der Hochzeit in der Offenbarung des Johannes. Braut und Bräutigam sind einander versprochen. Juristisch gesehen gehören sie bereits endgültig zusammen. Die Zeit vor der Hochzeit ist sowohl für den Bräutigam wie für die Braut die Zeit der Vorbereitung. Die Hochzeit selbst wird das Fest der Heimholung sein, mit der das Zusammenleben beginnen wird. VORBEREITUNGEN Es ist gut, wenn man sich das für seinen Glauben deutlich macht. Die Offenbarung schildert uns einiges an „Vorbereitungen“, die der Hochzeit voraus gehen. Es werden auch die Vorbereitungen der Braut genannt. Vor allem aber sind es die Vorbereitungen des Bräutigams. Die Auseinandersetzung mit Drache, Tier (Antichrist) und zweitem Tier (falschem Propheten) bedeuten, dass die mit der Schöpfung gemeinte Ordnung wieder hergestellt wird. Es soll so werden, wie es Gott mit der Schöpfung ursprünglich gemeint hat. Zu diesen Vorbereitungen – es sind noch nicht die letzten – gehört der Sturz des grossen Babylon. VIER MAL HALLELUJAH Offenbarung 19 beginnt damit, dass Johannes Stimmen im Himmel vernimmt. Mit dem Fall Babylons ist ein grosser Schritt vollzogen. Es sind vier (drei uns bereits bekannte) himmlische Stimmen, die im Lobpreis das deuten, was der Fall Babylons geistlich bedeutet. Die „Stimme einer grossen Menge“ (Offb 19,1) sagt uns, dass Gott damit seine Herrschaft angetreten hat: Rettung, Herrlichkeit und Kraft gehören ihm. Im Gericht hat er die wahren und guten Verhältnisse, die mit der Schöpfung gemeint waren, wieder hergestellt. Der Jubel dieser grossen Menge beginnt und endet mit dem hebräischen Wort „Hallelujah“, also dem Aufruf, Gott zu loben. Das ist die angemessene Antwort auf das, was hier geschehen ist und geschieht. Es ist gleichzeitig der Aufruf an uns, in diesen Jubel mit einzustimmen. Dem folgen die uns bekannten 24 Ältesten (die himmlischen Repräsentanten der irdischen Gemeinde) und die vier Wesen (die himmlischen Vertreter der Schöpfung). Sie werfen sich anbetend vor Gott nieder und stimmen in den Jubel schlicht ein: „Amen!“ - Ja, so ist es! Und: „Hallelujah“ – Lobet Gott! Gott sitzt auf dem Thron, ist also die Mitte des ganzen Geschehens. Und nun geht von eben diesem Thron nochmals eine Stimme aus, die zum Lob Gottes aufruft. Wichtig ist ihr nicht der Inhalt sondern der Kreis all jener, die am Lob teilnehmen sollen. „Lobet unsern Gott, alle seine Knechte, die ihr ihn fürchtet, die kleinen und die grossen“ (Offb 19,5). Wer ist damit gemeint? Wir wissen, dass die Glaubenden Kinder Gottes sind. Hier aber ist von Knechten die Rede. Paulus, der so grossen Wert auf die Kindschaft der Glaubenden legt, konnte auch von sich als einem „Knecht“ reden (Philipper 1,1). Für ihn war das kein strikter Gegensatz. In unserem Verhältnis zu Gott sind und bleiben wir seine Kinder. Im Blick auf die jeweilige Dienstberufung sind wir Knechte. Frage: Macht mich die Bezeichnung Knecht unruhig? Der Lobpreis wird von der ersten Stimme, der Stimme wie einer grossen Menge und grossen Wassers … abgeschlossen. Wieder beginnt der Lobpreis mit „Hallelujah!“ Diesen hebräischen Ausruf zum Lob Gottes kennen wir vor allem aus den Psalmen. Im Neuen Testament begegnet uns dieses Wort nur vier Mal – d.h. vier Mal in unserem Abschnitt: Offb 19,1.3.4.6. DIE HOCHZEIT DES LAMMES KOMMT „Lasset uns fröhlich sein und frohlocken und ihm die Ehre geben“ (Offb 19,7). Es ist gut, wenn wir das in uns aufnehmen. Ist unser Glaube mit Freude und Fröhlichkeit verbunden? Wahrscheinlich ist es gut, dass diese himmlische Stimme uns dazu aufruft. Im Unterschied zu jener Stimme, die vom Thron her kommt, spricht diese Stimme nun auch vom Grund für den umfassenden Jubel. Auch das ist gut. Jubel braucht und hat seinen guten Grund. DIE VORBEREITUNG DES BRÄUTIGAMS Genannt werden zwei Aspekte, die zusammen gehören. „Der Herr, unser Gott, der Allmächtige hat die Herrschaft angetreten“ (Offb 19,6; vgl. 19,1). Frage: Ist mir das gewiss, dass das so ist? Denken wir an das Bild der Hochzeit zurück: Der Bräutigam hat seine Vorbereitungszeit gut genützt. Er hat die Machtverhältnisse deutlich gemacht. Jetzt ist klar, wer wirklich die Herrschaft besitzt. Das ist der Grund dafür, dass nun – das ist der zweite Aspekt – die Hochzeit des Lammes stattfinden kann und auch stattfinden wird. Wir denken daran: Hochzeit ist das Fest, an dem der Bräutigam seine Braut abholt, um sie zu sich nach Hause zu bringen. DIE VORBEREITUNG DER BRAUT Auch die Braut hatte ihre Vorbereitungszeit. Im Bild spricht unser Abschnitt vom „glänzenden, reinen Leinen (Offb 19,8), in das die Braut gekleidet ist. Normale Leinwand war nie weiss und glänzend. Das wurde sie erst durch eine spezielle Behandlung, die sie zu einem kostbaren Stoff gemacht hat. Was dieses Bild bedeutet, das wird sofort geklärt. Es sind die „gerechten Taten der Heiligen“ (Offb 19,8). Damit kein Missverständnis entsteht: Die “Heiligen“ sind für das Neue Testament wie auch für die Offenbarung des Johannes die Glaubenden, die sich zu Jesus zählen. Worin bestehen ihre gerechten Taten? In der Offenbarung werden einige Dinge klar benannt: „Sie haben ihre Kleider gewaschen und sie weiss gemacht im Blut des Lammes“ (Offb 7,14), sie „halten die Gebote“ (bzw. haben sich am Götzendienst nicht beteiligt; Offb 14,4f.12), sie „halten fest am Zeugnis Jesu bzw. am Glauben an Jesus (bis zum Märtyrertum“ Offb 14,12), sie „haben das Malzeichen des Tieres nicht angenommen“. Bezeichnend bei dieser Aufzählung ist: Die Braut hat sich nie aktiv an der Auseinandersetzung mit dem Drachen und seinem Gefolge beteiligt. Im Bild gesprochen: Die Auseinandersetzung mit dem Drachen gehört zur Vorbereitung des Lammes als des Bräutigams. Sie gehört nicht zur Vorbereitung der Braut. DER RANG DES ENGELS Johannes ist überwältigt und wirft sich vor dem Engel nieder. Das ist eine Form der Anbetung. Die aber wird vom Engel selbst sofort richtig gestellt. Als Engel gehört er zwar zur himmlischen Welt. Aber auch die himmlische Welt ist wie unsere irdische Welt von Gott geschaffen. Darum ist der Engel wie wir Menschen ein Geschöpf Gottes. Er hat nichts Göttliches an sich. Uns begegnet wieder das Wort „Knecht“. Es ist die Bezeichnung der Dienstberufung, die er als Engel hat. Auch Johannes als von Gott berufener und eingesetzter Prophet hat eine solche Dienstberufung. Im Blick auf sie ist er ebenfalls „Knecht“. Engel und Prophet sind also „Mitknechte“ aufgrund ihrer jeweiligen Dienstberufung. Dieser kleine Abschnitt ist eine bis heute wichtige Klarstellung. Engel sind zwar im Himmel zuhause. Sie haben aber keinerlei göttlichen Rang, der sie über uns Menschen erhebt. Das unterscheidet das biblische Bild der Engel grundsätzlich vom esoterischen Verständnis von Engeln. Man mag dem selbst weiter nachdenken. Engel beten Gott an und loben ihn. Im Himmel gibt es ein „Heer“ (militärisch gemeint) von Engeln, die den Kampf mit dem Drachen und seinen Dienern führen (vgl. Offb 12,7). Aber sie gehören nicht zur „Braut“. Zur Braut, die das Lamm heimholt, gehören nur Menschen. Donnerstag, 28. Mai Ulrike schreibt: Bitte lest Offenbarung 18,20-24. Wir fahren am Sonntag mit Offb 19 fort. OFFENBARUNG 18,20-24 «Freue dich über sie [= über diese Stunde, in der Babylon fällt], Himmel und ihr Heiligen und Apostel und Propheten! Denn Gott hat sie gerichtet um euretwillen.» Offb 18,20 Gott nimmt es an die Hand. Gott kümmert sich um das Unrecht, das Menschen angetan wurde. Ausdrücklich nennt Johannes die Heiligen, die Apostel und Propheten, als diejenigen, deren Rechtssache Gott vertritt. Er rehabilitiert sie, lässt Babylon nicht das letzte Wort behalten. In der Verfolgung unter Kaiser Nero 64/65 n.Chr. – die den Gemeinden noch präsent ist – sind viele Christinnen und Christen getötet worden. Wer schafft Ausgleich für diese Demütigung, für das Leid, für den Tod? In V.24 wird das Gericht über Babylon nochmals in äusserster Kürze und Zusammenfassung mit Verführung und Mord begründet. In Babylon wurde das «Blut der Propheten und der Heiligen» und das Blut «aller derer, die auf Erden umgebracht worden sind,» gefunden. Dass Gott die Rechtssache an die Hand nimmt, ist schon im Alten Testament Anlass zum Jubel für Menschen und die ganze Schöpfung (Jes 44,23; 49,13, 55,12; Jer 51,48; Ps 96,11-13). IHR SOLLT VOLLKOMMEN SEIN WIE EUER VATER IM HIMMEL Gottes Volk darf sich bei erlittenem Unrecht nicht selbst Ausgleich schaffen. Wem Unrecht geschieht, der soll es nicht selbst vergelten. Es ist gut und notwendig, (1) das Unrecht zu benennen, (2) zornig zu sein, (3) das Unrecht mit rechtsstaatlichen Mitteln zu bekämpfen und (4) Gutes zu etablieren. Aber der glaubende Mensch darf sich nicht selbst rächen, sich nicht selbst Ausgleich schaffen. Der Grund dafür ist, dass Gott selbst Ausgleich schafft. Gott vergilt. «Vergeltet niemand Böses mit Bösem, (sondern) seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist es möglich - so viel an euch liegt - so habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr.» (Paulus in Röm 12, 17-19) Jesus hat seine Jünger genauso grundsätzlich angewiesen wie Paulus. Seine Jünger sollen den anderen nicht vergelten, auch nicht ihren Feinden. Das ist ein Verhalten, das die Heiden kennzeichnet – im Guten wie im Bösen. Sie lieben den, der sie liebt (Mt 5,46). Jesus Jünger rechnen nicht nach, ‹wer wem wie viel Gutes› und ‹wer wem wie viel Böses› getan hat. Jesus begründet dieses Verhalten mit dem des «Vaters im Himmel» (Mt 5,45). «Er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. ... Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.» (Mt 6,45-48) Die Anweisung, nicht zu vergelten, ist die Anweisung, sich nicht selbst Ausgleich schaffen zu wollen. Jesus und Paulus sagen: Überlass es Gott. Er wird alles zurecht bringen. Er wird auch für deine Sache einstehen. Der Fokus des Evangeliums liegt darauf, dass derjenige, der Unrecht getan hat, zurecht gebracht wird. Das «ewige Evangelium» meint auch ihn (Offb 14,6). Wir haben von Gottes Geduld und Langmut gelesen, und Gott fordert beides auch der Gemeinde ab. Wer Unrecht tut, soll frei werden, losgesprochen werden von dem, was ihn bindet (Mt 18,15-18). Jesus nennt die Gemeinde den Ort, der zum Lossprechen bevollmächtigt ist (Mt 18, 18). Ein grossartiges Bild davon, wofür Gemeinde in der Welt da ist. Wenn ein Mensch auf sein Unrecht angesprochen wird, aber nicht hören und umkehren kann, dann sollen die Glaubenden die Angelegenheit bei Gott ‹deponieren› und es gut sein lassen. Gott ist derjenige, der die Rechtssache zuverlässig führt, der richtet. FRAGEN FÜRS GESPRÄCH Es ist für glaubende Menschen nicht vorgesehen, dass sie vergelten bzw. dass sie sich selbst Ausgleich schaffen. Was heisst das für das Leben der Gemeinde? Gemeinde ist der Ort, an dem Menschen von ihren Sünden losgesprochen werden – um Jesu willen. Was seht ihr, wenn ihr euch solche Orte mitten in der Gesellschaft vorstellt? Mittwoch, 27. Mai 2020 OFFENBARUNG 18 – AUF DER ERDE WIRD ES HELL «Danach sah ich einen andern Engel herniederfahren vom Himmel, der hatte grosse Macht und die Erde wurde erleuchtet von seinem Glanz.» (Offb 18,1) Mit der Zerstörung Babylons wird es hell auf der Erde. Die Erde wird erleuchtet. Die Schöpfung hört die Stimme des Engels als Wort ihrer Freiheit. Eine Flut von leuchtendem Licht ergiesst sich! Der Fall Babylons wurde mehrfach angekündigt: in Offb 14,8, 16,9 und 17,15-18. Nun ist er geschehen: «Sie ist gefallen, sie ist gefallen!» (Offb 16,2) Wir erinnern uns: Wir haben Babylon als Bild für ein monströses, sich selbst überhöhendes Herrschaftssystem verstanden. Die Stadt muss den Becher mit den «Gräueln», den sie anderen eingeschenkt hat, selbst austrinken: «Bezahlt ihr, wie sie bezahlt hat, und gebt ihr zweifach zurück nach ihren Werken. Und in den Kelch, in den sie euch eingeschenkt hat, schenkt ihr zweifach ein.» (Offb 18,6) LANGE VORBEREITET – UND DOCH AN «EINEM» TAG Das Unglück bricht an einem einzigen Tag, also unerwartet, über die Stadt herein. Wie ein Refrain wird die Plötzlichkeit betont, mit der das Gericht über Babel hereinbricht. «Denn sie spricht in ihrem Herzen: Ich throne hier und bin eine Königin und bin keine Witwe, und Leid werde ich nicht sehen. Darum werden ihre Plagen an einem Tag kommen.» (Offb 18,7f und Offb 18,17.19) Wir hören den Anklang an Jesaja 47: «Du dachtest: Ich bin eine Herrin für immer. ... So höre nun dies, die du in Wollust lebst und so sicher sitzt und sprichst in deinem Herzen: »Ich bin's, und sonst keine; ich werde keine Witwe werden noch ohne Kinder sein«: Dies beides wird plötzlich über dich kommen auf einen Tag, dass du Witwe und ohne Kinder bist. (Jes 47,7-9) Die Gerichte haben sich in Wellen vollzogen. Sie kamen immer wieder, haben sich gesteigert. Wir haben die drei Zyklen vom ‹Öffnen der Siegel›, vom ‹Blasen der Posaunen›, vom ‹Ausgiessen der Schalen› gelesen und wissen, dass das nicht alle sind (Offb 10,1-4). Es zieht sich hin. Mehrmals sagt die Offenbarung, dass die Glaubenden mit «Geduld» durch diese Zeit gehen müssen. Es dauert. Nichts geht schnell. Aber dann, plötzlich, geht es doch schnell. Was längst alle wissen und was längst alle am eigenen Leib erfahren haben – nämlich, dass Götzendienst und ungerechtes Handeln Folgen haben – zeigt sich blitzartig. Babylon fällt. Was ist der Grund für die Dauer? Für die Langwierigkeit? Warum braucht es so viel Geduld? Wir kennen den Grund. Gottes «ewiges Evangelium» ist noch unterwegs (z.B. Offb 14,6). Gott ruft und sammelt immer noch Menschen, dass sie ihn anbeten und ihm die Ehre geben und sich der Schöpfung gegenüber angemessen verhalten. Vgl. 2. Petr 3,9-10 und Römer 2,4. KÖNIGE UND KAUFLEUTE STEHEN VON FERNE UND WEINEN Johannes zeichnet in 18,9-19 ein eindrucksvolles Bild. Könige und Kaufleute auf Erden stehen von Ferne und schauen den Untergang Babylons an. Sie sehen den Rauch von ihrem Brand. Die Kaufleute weinen, weil niemand mehr ihre Ware kaufen wird: «Und es werden sie beweinen und beklagen die Könige auf Erden, die mit ihr gehurt und geprasst haben, wenn sie sehen werden den Rauch von ihrem Brand. Sie werden fernab stehen aus Furcht vor ihrer Qual und sprechen: Weh, weh, du grosse Stadt, Babylon, du starke Stadt, in einer Stunde ist dein Gericht gekommen! Und die Kaufleute auf Erden werden weinen und Leid tragen um sie, weil ihre Ware niemand mehr kaufen wird» (Offb 18,9-11 in Entsprechung zu Jes 47,14f) Was hat die Stadt getan? Menschliche Arroganz und Unterdrückung, mutwilliger Luxus und Laster prägten das Zusammenleben. Babylon pflegte den Luxus, gab Gefälligkeiten an zahlende Gäste und behandelte diejenigen königlich, die ihr nützten oder ergiebige Bankguthaben hatten. Sie warf diejenigen Menschen, die nicht interessant für sie waren und die ihren Reichtum nicht fördern konnten, weg wie Müll. IN DER STADT IST ALLES ZU ERWERBEN Und dann wird aufgezählt, welche Herrlichkeiten in der Stadt – in einer Wirtschaft, die sich selbst verabsolutiert – zu erwerben sind: «Gold und Silber und Edelsteine und Perlen und feines Leinen und Purpur und Seide und .... und Vieh und Schafe und Pferde und Wagen und Leiber und Seelen von Menschen.» (Offb 18,12f) Es ist einfach, die Güter der Finanzwirtschaft, der Textilindustrie, der Lebensmittelindustrie usw. in heutige Güter zu übersetzen. Erschreckend ist das Ende der Aufzählung: Es sind auch Menschen zu Gütern geworden. Ihre Leiber und ihre Seelen. Babylon macht nicht Halt vor dem Handel mit Menschen. Leiber und Seelen (=Leben) sind Teil von politischen und wirtschaftlichen Interessen. Sie sind ihnen untergeordnet. BIN ICH TEIL VON ‹BABYLON›? Gestern wurde in der WhatsApp Gruppe eine Frage gestellt. Wie kann man merken, ob man selbst Teil im «System von Babylon» geworden ist? Was ist der Moment bzw. der Anlass dafür, um sich von ‹Babylon› zu lösen? Wir hatten in einem der ersten Impulse (Nr. 5 vom 25. März) darüber gesprochen, dass Paulus und Johannes ein sehr unterschiedliches Bild von der Herrschaft Roms hatten – weil sie zu unterschiedlichen Zeiten lebten und unterschiedliche Erfahrungen machten. Paulus sah römische Verwaltung und römisches Recht als Teil einer guten, von Gott gegebenen Schöpfungsordnung. Johannes wurde etwa dreissig Jahre später mit der religiösen Überhöhung von politischer und wirtschaftlicher Macht konfrontiert – und lehnte sie darum als antichristlich ab. Ein Staat, der auf einer Rechtsordnung aufbaut, sie vertritt und verteidigt, ist - bei allen Schwächen - unbedingt anzuerkennen. Ein Staat hingegen, bei dem sich die Obrigkeit absolut setzt und meint, jenseits oder gar über aller Rechtsordnung zu stehen, ist grundsätzlich antichristlich geworden. Und das auch da, wo er sich nicht (noch nicht) gegen Christen bzw. gegen die Kirche wendet. Wir hatten am 25. März folgende Gesprächsimpulse gegeben: • Wir können dem einmal nachgehen, wo überall wir – wie Paulus – die Obrigkeit, die politisch-gesellschaftliche Macht, als hilfreich und gut wahrnehmen. • Wo sehen oder erfahren wir, dass die Obrigkeit sich gegen Menschen wendet? Dass Rechtsunsicherheit und Rechtsbeugung erstarken? Dabei bedenken wir: In einer modernen Demokratie sind nicht die politischen Institutionen die Obrigkeit, obwohl sie oft so wahrgenommen oder verstanden werden: «Die da oben in …» Obrigkeit, das sind die Stimmbürger. Auch die können sich absolut setzen, wenn sie über ihren Mehrheitsentscheid hinaus keine weitere bzw. übergeordnete Autorität anerkennen. «Volkes Stimme ist Gottes Stimme» hat man früher formuliert. Was geschieht mit uns, wenn sich dieses Verständnis von Obrigkeit und Recht immer mehr durchsetzt? DEN UMBRUCH ERKENNEN – UND GEHEN Es kann nicht darum gehen, Formen von Herrschaft grundsätzlich abzulehnen. Strukturen der Autorität sind Teil von Gottes guter Schöpfung (Kol 1,15f). Problematisch wird es, wenn die Herrschaftsstrukturen eine Macht hervorbringen, die ihre Inhaber verleitet, sich nicht mehr als «demütige Knechte von Gottes Absicht in der Welt zu verstehen». Sich nicht mehr als Geschöpf zu sehen, das zum Bild Gottes gemacht ist. (Wright 161) Es ist Aufgabe von Gottes Volk, den Punkt zu erkennen, wenn politische und wirtschaftliche Autorität zu kippen und zu vergötzen drohen. Dann darf die Gemeinde nicht zögern, «die Stadt zu verlassen» – entweder körperlich oder spirituell. Der Weg, sich auch sichtbar zu trennen, ist der zuverlässigere. Tom Wright erinnert an die Geschichte von Lot, der sich in Sodom niedergelassen hatte (1. Mo 19). Es gab nichts, womit Lot sich der Bosheit der Männer, die ihn bedrängten, entziehen konnte. Der Fokus liegt nicht darauf, über die Bosheit von Babylon zu klagen. Der Fokus liegt darauf, Babylon zu verlassen und einen anderen Weg zu gehen. Wer das ewige Evangelium hört, lebt in der Gemeinde und damit als ‹Erstling› der erneuerten Schöpfung. Als christliche Gemeinde haben wir es nicht in der Hand, dass die ganze Gesellschaft Gottes Gebote befolgt. Was aber machen wir, wenn wir selbst innerhalb der Gesellschaft Gottes Geboten nicht mehr folgen können oder dürfen? HERAUSGEFÜHRT ODER FREI GEKAUFT Grosse Teile der Offenbarung beruhen auf der Überzeugung, dass Gott das, was er in Ägypten durch Mose getan hat, in der allerletzten Zeit wieder tun wird. Er wird Menschen befreien. Aber diesmal tut Gott es in einer kosmischen Dimension. Er kauft Menschen frei und führt sie dadurch aus der Sklaverei. «Und sie sangen ein neues Lied: Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen.» (Offb 5,9) Das Bild der Offenbarung ist, dass wir «erkauft» sind. Es geht also nicht zuerst um eine Anstrengung, mit der ich mich aus alten Strukturen lösen müsste. Es geht um die Erfahrung, losgemacht zu sein und aufgrund dieser Erfahrung tatsächlich anders leben zu können. FÜRS GESPRÄCH Wir leben in rechtsstaatlichen Verhältnissen. Gibt es trotzdem Strukturen, von denen ich mich trennen musste, um nicht selbst in Unrecht verstrickt zu werden? Wir meinen, dass wir viel mehr über die Bedeutung des Glaubens für unser Leben in der Öffentlichkeit, über Politik und Recht reden müssten. Was löst die Einsicht in uns aus, dass wir in einem demokratischen Rechtsstaat nicht einfach ‹Untertanen› sondern ‹Obrigkeit› sind? Welche Bedeutung hat die Gemeinde dafür, dass ich ‹anders›, dass ich befreit, leben kann? Dienstag, 26. Mai 2020 Ulrike schreibt: Wir lesen ein zweites Mal Offb 17, heute besonders die Vers 9b-18. OFFENBARUNG 17 – DIE ZEHN KÖNIGE Der US Amerikaner Roy Zimmermann hat den Text eines bekannten Liedes umgeschrieben. Da heisst es nicht mehr «In the jungle, the mighty jungle/ the lion sleeps tonight». Nun singt Roy Zimmermann: «In the White House, the mighty White House/ the liar tweets tonight./ In the West Wing, the self-obsessed wing/ the Liar tweets tonight.» Niemand muss sagen, wer die Person ist, die gemeint ist. Jeder, der das Lied hört, weiss es, ohne dass der Name genannt wird. Die Bildsprache funktioniert. DIE BILDSPRACHE FUNKTIONIERT Wir haben von frosch-artigen Lügengeistern gehört, die den «Rachen» der anti-christlichen Trinität entströmen (Offb 16,13f). Das ist apokalyptische Bildsprache. Als Menschen einer späteren Zeit nehmen wir dieselben Phänomene in politischen Systemen heute wahr: Politisches, wirtschaftliches und militärisches Handeln beruht auf wirr herumspringender Lüge und Falschaussagen. Wie die Zahl der Frösche in den Plagen Ägyptens, so hat die Zahl der Lügen in kürzester Zeit jedes Mass überschritten. Die Bilder der Offenbarung helfen uns also zu einem Urteil. Solche lügenhaften Vorgänge richten sich gegen Gott: sie leugnen und sabotieren Gottes zuverlässiges, gutes Handeln, mit dem Gott in seiner Schöpfung und mit seinem Volk unterwegs ist. Und sie haben Folgen. Sie ziehen das Gericht Gottes auf sich. In der Zwischenzeit reicht Babylon – ein Bild auch für gegenwärtige Herrschaftssysteme – den goldenen Becher ihrer Hurerei munter weiter. Sie will Menschen und Völker zum selben ungerechten Handeln und Götzendienst verpflichten, die sie selbst auszeichnen. DIE SIEBEN HÜGEL UND DIE SIEBEN KÖNIGE Die damaligen Hörerinnen und Hörer der Offenbarung wissen, von wem Johannes in Offb 17,9-18 spricht. Rom ist die Stadt auf «sieben Bergen» und Kaiser Nero ist das Tier, «das du gesehen hast». Um den toten Nero gab es unheimliche Gerüchte einer Wiederkehr. Er «ist gewesen und ist jetzt nicht und wird wieder aufsteigen aus dem Abgrund und in die Verdammnis fahren.» (Offb 17,8a) Man kann versuchen, die sieben Könige in Offb 17,9b-11 zu identifizieren. Wenn die Liste der römischen Herrscher mit Augustus beginnt, dann ist Nero der fünfte Kaiser, Galba der sechste (bis 69 n.Chr.) und Otho der siebte. Es ist möglich, dass Johannes in dieser Zeit mit der Abfassung der Offenbarung begonnen hat. Wir wissen es aber nicht wirklich. Auch wenn die Bildwelt einen Anhalt an der Realität der damaligen Hörerschaft hatte, ist es nicht das Anliegen der Offenbarung, dass wir die einzelnen Bilder in historische Vorgänge zurück übersetzen. Es geht vielmehr darum, dass wir Züge und Kennzeichen der endzeitlichen Vorgänge in den Geschehnissen unserer eigenen Zeit entdecken. Und dass wir von daher zu einem guten eigenen Urteil und zu wachsamem Handeln finden. Wie die Zahl der zehn Könige (Offb 17,12) zu verstehen ist, ist in der Forschung nicht klar. Wir wissen nicht, ob sie einen Anhalt an der politischen Realität des ersten und zweiten Jahrhunderts hat. Klar ist aber das Bild von Königen, die sich gegen Gott zusammenschliessen. DER KAMPF DER ZEHN KÖNIGE GEGEN DAS LAMM Wir bekommen Einblick, wie sich die politische Welt zu Christus – und damit zu all dem, was er verkörpert – verhält. Die ‹zehn Könige› werden als Herrscher beschrieben, die sich einig werden und «ihre Kraft und Macht dem Tier» geben. (Offb 17,13) «Die werden gegen das Lamm kämpfen und das Lamm wird sie überwinden. Denn es ist der Herr aller Herren und der König aller Könige, und die mit ihm sind, sind die Berufenen und Auserwählten und Gläubigen.» (Offb 17,14) Wofür steht Christus? Und damit: Wogegen wendet sich die politische Welt? Christus ist derjenige, der jeden Menschen meint und sucht. Der in jedem Menschen das Bild des lebendigen Gottes sieht. Er ist derjenige, der Verknechtung von Menschen nicht zulässt. Der Schuld beim Namen nennt, in seine Nachfolge ruft und Neuanfang möglich macht. Er ist derjenige, der die Kranken, die Gefangenen, die Nackten aufsucht. Der sich nicht scheut, selbst krank, gefangen, nackt zu sein und auf der ‹falschen Seite› von Herrschaftssystemen zu stehen. Gegen diesen Jesus – der sein Handeln nicht als private Mission versteht, sondern der die ganze Welt einsammeln und umgestalten will – nehmen die ‹zehn Könige› Stellung. «Das Lamm wird sie überwinden.» (Offb 17,14) Das Lamm kämpft nicht, es überwindet die Könige. Noch viel weniger kämpfen diejenigen, die «mit ihm» sind. Die «Berufenen und Auserwählten und Glaubenden» sind einfach nur beim Lamm. Wir hatten im vorangehenden Kapitel bereits von „Königen der ganzen Welt“ gehört, die verführt werden und in Harmagedon antreten, um gegen Gott zu kämpfen (Offb 16,14.16). Wir wissen, dass dieser ‹letzte› Kampf nicht stattfinden wird. Das Gericht Gottes packt das Tier endgültig und vernichtet es (Offb 19,19f). Unserer Meinung nach begegnet uns in Offb 17,12-14 nun dasselbe Muster: die Könige stellen sich zum Kampf auf, aber statt zu kämpfen, sind sie bereits überwunden. BABYLON GEHT AN SICH SELBST ZUGRUNDE Die zehn Könige wenden sich gegen Babylon und «verbrennen» die Stadt. (Offb 17,16) Babylon, das monströse Reich, das sich selbst verabsolutiert hat, – bzw. Rom, als eine von Babylons geschichtlichen Gestaltwerdungen – wird an der Feindschaft seiner eigenen Anhänger eingehen. Die Könige, die es bekämpfen, sind ihres eigenen Geistes Kinder. Wie immer im Buch der Offenbarung hören wir, dass die Könige ihre Macht nur empfangen haben. „Sie werden für eine Stunde Macht empfangen zusammen mit dem Tier.“ (Offb 17,12.17) Ihnen ist Zeit und Grenze gesetzt. BABYLON LÄSST SICH NICHT VERÄNDERN Interessant erscheint uns, dass es nicht die vermeintlich ‹Guten› sind, die Babylon in ethischer Hinsicht zurechtbringen oder besiegen können. Es gibt keine Ethik, mit der man Babylon auf ihrem eigenen Feld bezwingen kann. Wer den Kelch nimmt – und er wird den Königen und Wirtschaftsleuten aufgedrungen – der muss ihn auch austrinken. Es gibt keinen Stopp auf halbem Wege. Wer nicht den Weg Babylons gehen will, der muss sich – das ist die Aussage der Offenbarung – dem Lamm anschliessen. Nicht als Teil eines religiösen Sondergrüppchens, sondern als Mensch, der durch Jesus Christus zum Teil der erneuerten Schöpfung geworden ist. Das ist ein Weg, der diejenigen, die sich anschliessen, etwas kostet: „Und ich sah die Frau betrunken von dem Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu.» (Offb 17,6) Dass die Nachfolge des Lammes etwas kostet, gilt deutlich auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Wir haben gelesen, dass diejenigen, die nicht das Tier und seinen Namen anbeten und sein Mal tragen, vom «Kaufen und Verkaufen» ausgeschlossen sind (Offb 13,17). Dass Menschen aus dem System Babylons herausfinden, dass sie umkehren und einen neuen Weg gehen, geschieht durch das Zeugnis der Gemeinde. Ihr Zeugnis besteht darin, zum Martyrium bereit zu sein und unter allen Umständen am Weg des Lammes festzuhalten. Denn das Lamm hat gesiegt. Montag, 25. Mai 2020 Bitte lest Offenbarung 17. Das Bild von ‹Bräutigam und Braut›, von der partnerschaftlichen Treue, mit der Gott sich mit seiner Schöpfung und mit seinem Volk verbindet, wird bald ins Zentrum rücken. Nur auf dem Hintergrund dieses biblischen Motivs ist das Bild der ‹Hure› zu verstehen. OFFENBARUNG 17,1-18 DIE HURE BABYLON UND DIE BRAUT DES LAMMES Dem Bild der Hure liegt nicht das Bild von Frauen zugrunde, die heute aus Osteuropa oder Afrika mit falschen Versprechungen in westliche Länder gelockt werden. Es sind nicht Frauen gemeint, die missbraucht und zerstört werden, die ohne Hilfe sind und ohne Möglichkeiten zum Ausstieg. Johannes sieht im Bild der Hure jemand anderen. Tom Wright zeichnet das Bild von jungen Männern und Frauen, für die es keine Notwendigkeit gibt, sich verkaufen zu müssen. Aber sie haben entdeckt, dass es einen schnellen Weg gibt, um zu Geld zu kommen. Sie haben gelernt, ihre Karten so zu spielen, dass sie einen hohen gesellschaftlichen Status erreichen – mit schönen Kleidern, Uhren und Immobilien. Durch die Zeiten hindurch gibt es immer Menschen, die sich auf diese Weise eine Klientel unter den Vermögenden und Bekannten aufgebaut haben: ein „business-and-pleasure arrangement“ wechselseitiger Befriedigung. DIE HURE, DIE DIR DEN BECHER REICHT Die ‹Hure Babylon› ist eine Metapher. Sie ist kein einzelner Mensch. Sie «ist die grosse Stadt, die die Herrschaft hat über die Könige auf Erden.» (Offb 17,18 und Jes 47,5) Sie hat die Herrschaft, weil die «Könige auf Erden» sich eingelassen haben auf sie, weil sie ihren Versprechungen geglaubt haben, ihre Angebote angenommen haben und «betrunken geworden sind von dem Wein ihrer Hurerei.» (V.2) Kennzeichen der Hure ist ihr überwältigendes Aussehen. Sie kleidet sich reich: mit «Purpur, Scharlach und geschmückt mit Gold, Edelsteinen und Perlen...» (V.4). Sie lädt zu einer grossen Show, einem reichen Bankett ein und reicher Teilhabe. Sie gibt denen, die sich verführen lassen, aus einem wundervollen goldenen Becher zu trinken. Das Bild vom Becher begegnet uns in den Psalmen und bei den Propheten. Wir haben bereits auf den Abschnitt Jes 51,17ff hingewiesen. Babylon hatte Judäa und Jerusalem besiegt und seine Bewohnerinnen und Bewohner deportiert. Die Gefangenen mussten in Babylon den «Kelch des Zorns» trinken. Er war gefüllt mit Wein, der sie zum Taumeln gebracht hat. Um sein Volk zu retten, nimmt Gott selbst ihnen den Becher aus der Hand. «So spricht dein Herr, Jahwe, und dein Gott, der die Sache seines Volks führt: Siehe, ich nehme den Taumelkelch aus deiner Hand, den Becher meines Zornes. Du sollst ihn nicht mehr trinken.» (Jes 51,22) Gott gibt den Becher nun an Babylon zurück, an das Herrschaftssystem, das sein Volk unterdrückt und misshandelt hat (Jes 51,23) Jetzt muss Babylon trinken, was sie zuvor ihren Gefangenen zugemutet hat. Die «grosse Stadt», die «Mutter der Hurerei und aller Gräuel auf Erden», wird mit ihrer eigenen Bosheit und Verdorbenheit konfrontiert und wird an sich selbst zugrunde gehen. Sie muss den Becher, den sie eingeschenkt hat, selbst austrinken. (Offb 18,6) WARUM WIRD BABYLON ALS EINE HURE BEZEICHNET? Wir haben gesagt, dass «Babylon, die grosse Stadt» keine Einzelperson ist sondern ein Herrschaftssystem. Es empfängt seine Macht vom ‹Tier› – von der Macht, die sich an die Stelle Gottes gesetzt hat und diktiert, wie es in der Wirtschaft, in der Politik, im Militär zugeht. Für Johannes trug das römische Reich die Kennzeichen Babylons. PARTNERSCHAFTLICHE TREUE ALS BIBLISCHES MOTIV Die Metapher der Hure wird benutzt, weil ein Grundmotiv jüdischen und christlichen Glaubens die partnerschaftliche Treue ist. In der Bibel selbst: die eheliche Treue. Für den jüdisch-christlichen Glauben ist die geschaffene Ordnung ‘gut’ und ‘von Gott gegeben’. Männer und Frauen sind zur Ehelosigkeit (im frühen Israel eher nicht üblich) oder zu partnerschaftlicher Treue gerufen. Dieses geordnete – und gleichzeitig spannungsvolle und immer neue – Zusammenkommen der Geschlechter ist ein Grundmotiv im Schöpfungshandeln Gottes. Mit der Schöpfung von Mann und Frau schuf Gott ein «Bild, das uns gleich sei» (1.Mo 1,26). Menschen spiegeln in ihrer partnerschaftlichen Treue etwas davon wieder, wer Gott ist. Darum überrascht es auch nicht, dass das letzte grosse Bild im Buch der Offenbarung das Bild einer bleibenden Partnerschaft ist. Es beschreibt die Hochzeit des Lammes und seiner Braut. (Offb 19,7-9; 21.2.9; 22,17) ‹Braut› ist nicht die bzw. der einzelne Glaubende. Es ist die von den Toten auferweckte Gemeinschaft der Glaubenden in der erneuerten Schöpfung. DIE TREUE GOTTES ALS URBILD Das (antichristliche) Bild der Hure ist also auf dem Hintergrund des (jüdisch-christlichen) Bildes partnerschaftlicher Treue zu sehen. Partnerschaftliche Treue meint dabei zuerst das Verhältnis des Schöpfers zu seiner Schöpfung, dann das Verhältnis Gottes zu seinem Volk. Tom Wright teilt im NT for Everyone Commentary vier Beobachtungen: (1) SCHÖPFER UND SCHÖPFUNG Das Buch der Offenbarung handelt vom Schöpfer und seiner Schöpfung. Das Buch läuft darauf zu, dass das ‹Lamm› und die ‹Braut› zusammen kommen. Schöpfer und die von ihm erneuerte Schöpfung wohnen beieinander. Der ‹Himmel› kommt auf die ‹Erde›. (Offb 21,2). (2) JAHWE UND ISRAEL Eines der grossen Bilder für das Verhältnis von Israel und seinem Gott im Alten Testament ist das von Israel als Jahwes Braut. Eines der traurigsten prophetischen Bilder für das Misslingen dieser Beziehung ist das des Propheten Hosea. Er sagt, dass Israel, die doch die Braut Jahwes ist, den Götzen hinterherläuft. Dadurch macht sie sich zur Hure (Hosea 2). ‹Babylon› ist diejenige, die Götzen anbetet und die selbst angebetet werden will. Sie bietet dir «quick-fix pseudo-divinities», die dir den Himmel auf Erden versprechen, die dir nehmen, was du hast und die dich schliesslich mit nichts zurück lassen. (Wright,151) Hurerei ist aber nicht nur eine Metapher für den Götzendienst im Herrschaftsbereich Roms. Sie meint auch eine moralische Realität. (3) ZWISCHENMENSCHLICHE TREUE Johannes gebraucht das Bild der Hure auch darum für Babylon, weil die römische Welt durch sexuelle Freizügigkeit geprägt ist. Für den jüdisch-christlichen Glauben ist die Zuordnung von Mann und Frau ein Grundmotiv im Schöpfungshandeln Gottes. Vielleicht kommt noch dazu, dass die Offenbarung durchgängig davor warnt, etwas anzubeten, was nicht Gott ist. Dazu gehören die Vergötzung der Sexualität, die Vergötzung von Macht oder Geld. Was Menschen anbeten, das formt sie und ihr Handeln. An Gott zu glauben heisst, Gott anzubeten und seine Herrlichkeit widerzuspiegeln. (4) DIE GROSSMACHT ZERSTÖRT DIE ‹KLEINEN› MACHTHABER Zum vierten gebraucht Johannes das Bild der Hurerei als Metapher für Babylon, weil es etwas Unheimliches ist, wenn ein reiches Herrschaftssystem andere Menschen in seine Höhle lockt. „Hier“, sagt das grosse Reich, „ist Luxus jenseits eurer wildesten Träume! Hier können alle eure Fantasien erfüllt werden! Ihr müsst nicht hart für sie arbeiten, ihr müsst euer eigenes Land nicht klug, gerecht oder menschlich organisieren, um sie zu erreichen. Alles, was ihr tun müsst, ist, zu mir zu kommen, und ich werde meinen Reichtum mit euch teilen. Oh ja, natürlich gibt es einen Preis, aber es macht euch nichts aus, den zu bezahlen, oder?“ Einflussreiche Menschen – Kapitäne, Bankiers, Händlerinnen, bedeutende Schriftsteller, angesehene Beamtinnen, Vorsitzende vieler Komitees, Industriebosse und Kleinunternehmer – stehen eifrig an, um aus dem goldenen Becher zu trinken. Sie wissen nicht, dass sie alle in die Dunkelheit gehen. Wer den Becher Babylons entgegen genommen hat, der muss ihn trinken. (Wright, 152) EIN BECHER VOLL UNRAT Die «Hure, die an vielen Wassern sitzt», gibt den «Königen auf Erden» ihren Becher mit Wein zu trinken. Nun sagt Johannes, was im Becher wirklich drinnen ist. Der Becher, den die Hure, den Babylon den Herrschenden der Welt reicht, ist voll von Unrat. In Vers 4 heisst es: «voll von Greuel und Unreinheit ihrer Hurerei». Das Bild hält uns vor Augen, dass die äussere Erscheinung der Hure attraktiv und anziehend ist, dass aber ihre innere Wirklichkeit ekelerregend ist. Sie zieht Menschen in ihr eigenes Gebaren hinein. Roms goldener Becher ist der seiner politischen, wirtschaftlichen und militärischen Kraft. Wer ihn trinkt, wird hineingezogen in Gewalt und Leiden und unrechtes Verhalten. BABYLON UND DAS TIER Wir haben Babylon nicht als Bild für einen Menschen verstanden, sondern als Bild für ein monströses, unmenschliches Reich, ein politisch-wirtschaftlich-militärisches Machtsystem. Ob es sich im Weltreich Rom verkörpert oder im Silicon Valley o.ä. – es hat seine Macht nicht aus sich selbst. Die ‹grosse Hure› sitzt auf einem scharlachroten Tier, «das war voll lästerlicher Namen und hatte sieben Häupter und zehn Hörner.» (Offb 17,3) Wir kennen das Tier bereits aus Offb 13,1. Dieses Monster, das Tier, erhält und fördert die partikularen Reiche – wie zum Beispiel Rom. Das Tier trägt die Hure. Das Tier verlangt unbedingte Anbetung und setzt sich an die Stelle Gottes. Es schliesst diejenigen aus und tötet sie, die ihm die Anbetung verwehren. Darum heisst es, die „Frau“ sei „betrunken von dem Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu.“ (Offb 17,6) Was dem Tier nicht passt, sind diejenigen Menschen, die der Hure nicht folgen. Denn sie lassen sich nicht auf die Verlockungen und Forderungen Babylons ein. Sie dienen Gott. Im Grund ist es das, was die Bibel mit dem ersten Gebot bzw. mit Anbetung meint. Anbetung ist der politischste Akt der Gemeinde der Glaubenden. Wer sich vor Gott beugt, der wird sich vor keinem anderen Herrn dieser Welt mehr beugen. Der Anbetende, und letztlich nur er, ist der wahrhaft freie Mensch. Freiheit meint Freiheit von den Bindungen, zu denen uns die Mächte der Welt verlocken. Einmal mehr zeigt es sich: Glaube bzw. Anbetung ist eine Bindung. Denn: Nur der Gebundene ist frei. Wir haben nicht zwischen Bindung und Freiheit zu wählen. Die Wahl lautet: Anbetung Gottes oder Bindung an die Mächte dieser Welt. FRAGEN FÜRS GESPRÄCH Wie ist das mit uns, die wir in der glänzenden westlichen Kultur leben? Der Westen wird von anderen Völkern von weit weg her angesehen und in seinem Glänzen wahrgenommen. Wie viel Geld! Wie viel Wohnfläche! Wie viel Bildung! ... Sie fragen: Dürfen wir auch aus diesem Becher trinken? Wo kommen wir in diesem Bild vor? Sonntag, 24. Mai 2020 Ulrike und Wolfgang schreiben: Einen gesegneten Sonntag wünschen wir euch. Heute laden wir euch ein, Offenbarung 16,1-21 zu lesen - also das gesamte Kapitel. OFFENBARUNG 16,1-21 – FROSCH-ÄHNLICHE GEISTER UND HARMAGEDON Die Ausgiessung der sieben ‹Schalen des Zorns› entspricht den Gerichten, die zuvor durch das Blasen der sieben Posaunen (Offb 8-9 und 11,15f) ausgelöst wurden. Allerdings steigert sich nun das Ausmass der Katastrophen. Auch dieser Schalenzyklus lehnt sich – wenn auch lose – an die ägyptischen Plagen an. Zwischen dem Posaunen- und dem Schalenzyklus liegt das Auftreten des Tieres (des Antichristen), die Anbetung seines Bildes und die Annahme seines Zeichens. Hier eine Gegenüberstellung der Plagen, die in beiden Zyklen ausgelöst werden: POSAUNEN (PO) in Offb 8-9 bzw. ZORNSCHALEN (ZS) in Offb 16 (1) PO: Ein Drittel der Erde, Bäume, Gras verbrennt --- ZS: Geschwüre bei den Menschen, die das Tier anbeten (2) PO: Ein Drittel der Meere werden zu Blut, ein Drittel der Lebewesen sterben --- ZS: Meere werden zu Blut, alle Lebewesen sterben (3) PO: Ein Drittel der Wasser wird bitter --- ZS: Wasserquellen werden zu Blut (4) PO: Ein Drittel von Sonne, Mond und Sternen verfinstert sich --- ZS: Sonne versengt Menschen (5) PO: Monströse Heuschrecken stechen Menschen, die nicht das „Siegel Gottes an ihrer Stirn“ haben --- ZS: Das Reich des Tieres wird verfinstert, Schmerzen und Geschwüre, Lästerung Gottes (6) PO: Ein Drittel der Menschen wird von Engeln getötet, die ‹im Osten› gebunden waren --- ZS: ‹Vom Osten her› sammeln sich Könige zum Kampf gegen Gott (7) PO: Evt.: Ein Zehntel der Stadt stürzt ein, Erdbeben (Offb 11,13f) --- ZS: Babylon zerfällt in drei Teile, Inseln und Berge verschwinden, Hagel, Lästerung Gottes Die Ungerechtigkeit der Menschen, ihre Dunkelheit, zieht den Ausbruch der Plagen auf sich. Dreimal wird in Offb 16 gesagt, dass die Plagen zu einer weiteren Verhärtung der Menschen führen. „Sie lästerten den Namen Gottes und bekehrten sich nicht, ihm die Ehre zu geben.“ (Offb 16,9 und auch 16,11.21) Wir Menschen bekommen die Zeit und den Ort, es anders zu machen, umzukehren, unseren Schöpfer anzubeten. Aber das Verhalten der Menschen kehrt sich ins Gegenteil: in die Lästerung des Schöpfers. FROSCH-ÄHNLICHE GEISTER Beim Ausgiessen der sechsten Schale werden die „Könige der ganzen Welt“ verführt, sich gegen Gott zu versammeln und gegen ihn zu kämpfen. Diese Bewegung kommt – im Bild gesprochen – wiederum von Osten her, von „jenseits der Grenze“ des Bekannten. Die „Könige der ganzen Welt“ werden durch „unreine Geister“ verführt, die gleich Fröschen aus dem Rachen des Drachen, des Tieres und des falschen Propheten springen. Die Regierenden werden verführt, sich in einer für sie aussichtslosen Sache – im Kampf gegen Gott – zu verbinden. Frösche, die aus den Mündern hüpfen, sind hier also ein Bild für Verführung. Frösche springen hin und her, breiten sich unkontrolliert aus. Man kann sie kaum wieder einfangen. Es entsteht eine Mischung von Unruhe und Verwirrung. Wir wissen, welche Dynamik Beiträge auf Twitter, Instagram und Youtube heute entwickeln können. Wir sehen, wie Anschuldigungen, Beleidigungen, Unterstellungen und Bilder eine eigene Dynamik entwickeln. Unserer Meinung nach ist das Ausgiessen der siebten Schale ähnlich zu verstehen. Sie wird „in die Luft“ ausgegossen. (Offb 16,17) Die Luft ist die Sphäre des Unsichtbaren, der Ort von Geistern, Kräften, Ideen und Einflüssen. Es kommt auch in dieser Welt zum Kollaps. RUF ZUR WACHSAMKEIT Mitten in der Schilderung der drei letzten Plagen mutet die Offenbarung ihren Hörerinnen und Hörern – den Gemeinden – einen Schrecken zu. Sie ruft die Hörenden auf, wach zu bleiben: „Siehe, ich komme wie ein Dieb. Selig ist, der da wacht und seine Kleider bewahrt, damit er nicht nackt gehe und man seine Blösse sehe.“ (Offb 16,15) Wir verstehen das Bild so, dass Jesus zu unerwarteter Stunde kommt. Wer auf ihn wartet, der möchte nicht schlafend angetroffen werden. Nicht als einer, der sich ausgezogen und zum Schlafen hingelegt hat. Und der dann, wenn Jesus kommt, nackt und irritiert aufschreckt, seine Kleider sucht und unbekleidet angetroffen wird. Wir kennen den Ruf Jesu aus den Evangelien (Lk 12,39f; Mt 24,42ff): „Darum wachet, denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt. Das sollt ihr aber wissen: Wenn ein Hausvater wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, so würde er ja wachen und nicht in sein Haus einbrechen lassen. Darum seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr’s nicht meint.» (Mt 24,42-44) Was heisst es zu wachen? Was heisst es, nicht zu wachen? SCHLACHT BEI HAMARGEDON – MEGIDDO Die „Könige der ganzen Welt“ sammeln sich also, um gegen Gott zu kämpfen. Sie sind dazu verführt und beredet worden. „Und er sammelte sie an einen Ort, der heisst auf Hebräisch Harmageddon.“ Off 16, 16 Johannes nennt uns den Ort, an dem die „Könige der ganzen Welt“ mit Jesus zusammentreffen. Der Ort heisst Harmagedon oder Megiddo. Interessant scheint uns, dass Johannes vom Aufmarsch und der Zusammenrottung der „Könige der Welt“ (V.14) nicht weiter berührt zu sein scheint. Sie sind keine Bedrohung für Gott oder das Lamm oder seine Herrschaft. Was Johannes berührt, (kein Komma) ist allein die Frage, ob die, die auf Jesus warten, tatsächlich „wach“ angetroffen werden. Daran ist Jesus interessiert. Nicht am Aufmarsch der Könige. Megiddo ist ein bekannter Schauplatz für kriegerische Auseinandersetzungen. Am Ausläufer des Karmel gelegen war Megiddo als verkehrstechnisch und damit strategisch ausserordentlich wichtiger Ort oftmals Schauplatz entscheidender Kriege (vgl. Ri 5,19ff: Debora und Barak über Sisera; 2 Kön 9,27: Tod Ahasjas, 23,29: Tod Josijas; vgl. auch Sach 12,11). Megiddo ist ein historischer Kampfschauplatz und ist gleichzeitig Teil der apokalyptischen Bildsprache: An diesem ‹aufgeladenen Ort› muss die letzte Auseinandersetzung erfolgen. Es kommt zu einer Zusammenballung politischer Gewalten durch Mächte des Bösen, die auf eine letzte Auseinandersetzung hin angelegt ist, die also Gott in seiner Herrschaft selbst treffen will. Von Gott her erfolgt die Auseinandersetzung aber nicht auf kriegerische Art, sondern durch ein Gericht. Es kommt gerade nicht zu einer Schlacht – vgl. Offb 19,19-21! In Verkennung der Eigenart biblisch-apokalyptischer Sprache rechnen gegenwärtige apokalyptische Gruppen (z.B. die Zeugen Jehovas: Schlacht bei Harmagedon) damit, dass Gott in einer irdisch gedachten kriegerischen Auseinandersetzung im Tal Megiddo die Mächte des Bösen und die Menschen, die ihnen verfallen sind, vernichten wird. Wir lesen: Diesen Kampf wird es nicht geben. Quelle zu Harmagedon/Megiddo: Wolfgang J. Bittner, Artikel Harmagedon/Megiddo, erschienen 1992 in Burkhardt/Swarat, Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde, Band II. Ihr könnt den Artikel als Download auf unserer Seite mit den schriftlichen Hilfsmitteln herunterladen. FRAGEN FÜRS GESPRÄCH • Was heisst es für mich oder für uns als Gemeinde zu wachen? Was heisst es, nicht zu wachen? • Wie geht es mir mit dem Bild von frosch-artigen Lügengeistern? Donnerstag, 21. Mai 2020 Ulrike und Wolfgang schreiben: Nachdem wir ausführlich in Offb 14 verweilt haben, lesen wir weiter. Bitte denkt daran, dass die Offenbarung die Ereignisse nicht in einer zeitlichen Chronologie erzählt. Kapitel 1-22 liegen nicht auf einer linearen Zeitachse, auf der wir schrittweise vorwärtsgehen - auch wenn die Welt auf ihre Vollendung zuläuft. Es ist nur die Chronologie, in der Johannes die Ereignisse zu sehen bekommt. Unserer Meinung nach sind Offb 12 (das Kommen des Messias, der endgültige Sieg über das Böse, die Verfolgung Israels und der Kirche), Offb 13 (der Widerstand von Drache, Tier und 'Propagandaminister') und Offb 14 (das ewige Evangelium und die Ernte) wie eine MITTE, auf die alles in der Offenbarung immer wieder und ständig zuläuft. OFFENBARUNG 15,1-8 – DAS LIED DES MOSE UND DES LAMMES Mit Offb 15,1 setzt der dritte Zyklus der Siebenerreihen ein – die ersten beiden Reihen waren die Siegel- und Posaunenvisionen. Es sind die dem Fall Babylons und dem schlussendlichen Gericht vorausgehenden Gerichte. Ihnen liegt immer noch die Sehnsucht Gottes zugrunde, dass Menschen von ihrem Weg umkehren und Gott anbeten. Wir erinnern uns an Off 14,7: Der Engel verkündet allen Völkern ein ewiges Evangelium. DER BLICK IN DEN HIMMEL Johannes bekommt Offb 15,1 ein «anderes Zeichen» am Himmel zu sehen. Es wird eine neue Kette von Ereignissen losbrechen, die den «Zorn Gottes vollendet». Es sind diesmal sieben Engel, die das Gericht auslösen. Der Ausgiessung der sieben Schalen geht ein Blick in den Himmel voran: Wir sehen nicht nur, was sich auf Erden zuträgt, sondern wir sehen die himmlische Dimension der Ereignisse. Johannes sieht • 15,2-4 diejenigen, die überwunden haben und das Lied des Mose singen • 15,5-8 wie die Engel mit sieben Schalen ausgerüstet werden. 16,1,-21 schliesst sich an mit kurzen Bildern vom Ausgiessen der Zornesschalen über die Erde. In 17,1 wird bereits der Fall Babylons erzählt. Das schlussendliche Gericht, das letzte und unumkehrbare, ist angebrochen. DAS LIED DES MOSE Johannes bekommt in 15,2-4 die Gemeinde Gottes in ihrer himmlischen Wirklichkeit zu sehen. Das war bereits in Kapitel 7,9-17 und 14,1-5 der Fall. Das Bild vom gläsernen Meer erinnert an die Thronvision in Offb 4,6: Auch da war die Welt um den Thron Gottes im Bild eines durchsichtigen Meeres beschrieben worden. Die Gemeinde wird als Gemeinschaft derjenigen beschrieben, die «überwunden» haben. Das ist nicht aus eigener Kraft geschehen, wie wir aus den ersten beiden Liedern wissen, sondern, weil sie mit dem Blut des Lammes erkauft sind. Sie singen das Lied des Mose (2. Mose 15,1-19), das Israel nach dem Durchzug durchs Schilfmeer gesungen hat (2. Mose 13,17-15,21). Die Überwinder haben Erlösung aus der Knechtschaft Ägyptens erlebt, einen Durchgang durch das Schilfmeer und sie stehen nun gerettet am anderen Ufer. EINE GRUPPE UND EIN LIED Wir erinnern uns. Wir hatten gesagt, dass das Ende der Zeit – das mit dem Kommen Jesu Christi angebrochen ist – in Bildern des Exodus beschrieben wird. So wie Mose sein Volk aus Ägypten befreit hat, so führt auch das Lamm Gottes Menschen in die Freiheit. Das Lied, das die Gemeinde singt, ist «das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes» (Offb 15,3). Interessanterweise wird nicht einfach das überlieferte Mose-Lied zitiert, sondern es bekommt als «Lied des Mose und des Lammes» neue Worte. Es sind nicht zwei Lieder, die von zwei Gruppen von Überwindern gesungen werden. Es ist eine Gruppe und ein Lied geworden. «Mose» und «das Lamm» weisen auf die beiden Erlöser, deren Werk Anlass und Grund zum Jubeln gibt. DIE VÖLKER BETEN GOTT FÜR SEIN GERECHTES TUN AN Im Lied sind es die Völker, die Gott dafür anbeten, dass er gerecht handelt (Offb 15,4) Sie beten ihn dafür an, dass er die Welt und die Menschen zurecht gebracht hat. Wie fühlt sich das Zurechtbringen einer Gemeinschaft an? Der Neutestamentler Tom Wright erzählt in seinem New Testament for Everybody Commentary ein Gleichnis: «Stellt euch ein Dorf in der Landschaft Judäas vor. Es liegt weit weg von einer Stadt, und selbst Händler kommen nicht oft dorthin, noch weniger Regierungsbeamte. Ein Kreisrichter kommt alle paar Monate in die benachbarte Kleinstadt, wenn sie Glück hat. Das heisst aber nicht, dass nichts getan werden muss. Ein Bauunternehmer wird von einem Kunden betrogen, der sich weigert, seine Schuld zuzugeben. Einer Witwe wird ihr kleiner Geldbeutel gestohlen, und da sie niemanden hat, der sich für sie einsetzt, kann sie nichts tun. Eine Familie wird von ihrem Vermieter aus ihrem Haus vertrieben, der glaubt, von jemand anderem mehr Miete bekommen zu können. (...) Und so weiter. Niemand kann etwas dagegen tun – bis der Richter kommt. Wenn er kommt, werden die Erwartungen gross sein. Die im Laufe von Monaten aufgestaute Frustration wird überkochen. Der Richter muss Ordnung schaffen, um Anklage und Verteidigung gleichermassen zu beruhigen. Er muss jeden einzelnen Fall richtig und fair hören und besondere Sorge für die tragen, für die sich niemand einsetzt. Er wird alle Bestechungsgelder ablehnen. Und dann wird er entscheiden. Das Urteil wird gefällt. Das Chaos wird abgewendet und die Ordnung wiederhergestellt. Die Betrüger werden zurechtgebracht, der Dieb bestraft und muss den Geldbeutel wiedergeben. Der übergriffige Vermieter muss einlenken. (...) Das Dorf als ganzes wird erleichtert aufatmen. Gerechtigkeit wurde getan. Die Welt wurde wieder ins Gleichgewicht gebracht. Eine dankbare Gemeinschaft wird dem Richter vom gemeinsamen Grund ihres Herzens danken.» [Wright, 138f; übersetzt aus dem Englischen.] DIE HIMMLISCHE GEMEINDE BESTEHT AUS VIELEN VÖLKERN Es fällt auf, dass die die Gemeinde Gottes aus «allen Völkern» besteht. Gott ist «König der Völker» (V.3) und alle Völker werden kommen und anbeten. Die himmlische Gemeinschaft ist ein Gemeinschaft aus «Vielen». Pluralität und Unterschiedlichkeit wird in der Herrschaft Gottes gerade nicht aufgehoben. Gemeinsame Anbetung geschieht in unterschiedlichen Sprachen, mit Menschen einer bleibend unterschiedlichen Herkunft und Kultur. Man sollte sich unseres Erachtens nicht auf die Spur locken lassen zu meinen, dass die kulturelle und politische Vereinheitlichung von Menschen die Voraussetzung für eine innere Einheit ist. Das ist nicht so. Vereinheitlichung ist eher ein Merkmal antichristlichen Handelns. Für uns als Gemeinde in unserer Zeit heisst es, dass wir die Vielfalt von Menschen nicht als Bedrohung oder als etwas zu Überwindendes ansehen. Sie wird in Ewigkeit bleiben. OFFENBARUNG 15,5-8 – DIE ÜBERGABE DER SCHALEN Johannes sieht, wie der Tempel — das himmlische Urbild der Stiftshütte — aufgetan wird (Offb 15,5). Aus dem Tempel kommen sieben Engel heraus. Ihnen werden goldene Schalen voll vom Zorn Gottes gegeben (15,7). Da die Plagen die Natur, die Schöpfungswelt, betreffen, muss eine der vier Gestalten, die wir seit der ersten Thronvision als Repräsentanten der Schöpfungswelt verstanden haben, die Schalen übergeben. DER TEMPEL IST VOLL HERRLICHKEIT Johannes sieht, dass der Tempel voll Rauch wird und damit voll der Herrlichkeit Gottes. Das ist ein in der Bibel bekanntes Phänomen. Wir lesen davon in Jes 6,4, 2. Mo 40,34, 1. Kö 8,10-11, Ez 44,4. Und bereits in Offb 11,19 war der himmlische Tempel aufgetan worden und die Gegenwart Gottes sichtbar geworden. Was jetzt geschieht, ist kein Handeln an Gott vorbei. Es ist ein Handeln, das aus dem Himmel – dem Zentrum aller Wirklichkeit – kommt. FÜRS GESPRÄCH Wir laden ein, die Einmütigkeit im Anbeten («das Lied Mose und des Lammes») und «die Vielfalt der Anbetenden» zu betrachten. Wo begegnen mir solche Einmütigkeit und Vielfalt heute? Was heisst diese Vielfalt für meine Vorstellungen von der «neuen Schöpfung», die ewig bleibt? Mittwoch, 20. Mai 2020 OFFENBARUNG 14,14-20 – ZWEI BILDER DER ERNTE Beim ersten Lesen scheint der Text ziemlich klar zu sein. Unsere Bitte: Bevor Ihr dem Impuls lest, versucht, langsam die beiden Bilder – das Bild von der Weizenernte und das Bild von der Weinlese – innerlich vor Euch zu sehen. Es geht primär nicht um unsere Empfindungen, die diese Bilder in uns auslösen. Das darf alles auch sein. Aber zuvor geht es um unser sorgfältiges Lesen. Was steht da? Werden die Vorgänge im biblischen Text bewertet – und wenn ja wie? Wie schon so oft haben wir es hier mit apokalyptischer Bildsprache zu tun. Unsere Doppelfrage lautet also zunächst: Was sehen wir da als Bild vor uns? Und dann: Wofür stehen diese Bilder? Schön wäre es, wenn Ihr mit dem Weiterlesen des Impulses erst weiter fahrt, wenn Ihr die biblischen Bilder gut in Eurem Inneren habt. DER ABLAUF DER ERNTE In beiden Bildern geht es um Ernte: Die Weizenkörner sind „getrocknet“ (also reif) geworden (Offb 14,15). Die Trauben (bzw. die Beeren der Trauben) sind gereift. In jeder Szene kommen zwei Personen vor: Einmal der Menschensohn mit der scharfen Sichel zur Weizenernte. Das zweite Mal ein Engel mit der scharfen Sichel (dasselbe Wort) für die Traubenlese. Alles ist bereit. Im ersten Bild tritt ein Engel aus dem Tempel zum Menschensohn. Im zweiten Bild ist es ebenfalls ein Engel, der die Macht über das Feuer hat und vom Altar herkommt, der zum Engel mit der Sichel (dem Winzermesser) hinzutritt. Also: Menschensohn wie Engel sind mit dem Werkzeug zur Ernte ausgerüstet. Sie warten aber auf den Befehl, mit der Ernte zu beginnen. Dieser Befehl wird ihnen vom jeweils zweiten Engel, die aus der unmittelbaren Gegenwart Gottes kommen, erteilt. Das bedeutet: Alles ist vorbereitet. Alles ist reif. Der Beginn wird vom Zentrum der Heiligkeit Gottes aus befohlen. Nun wird also die Ernte vollzogen. Die Beschreibung beschränkt sich auf den konkreten, man könnte sagen auf den ‚technischen‘ Ablauf: „... legte an … wurde abgeerntet“ (Offb 14,16) bzw. „legte an … schnitt … schüttete“ (Offb 14,19). UND DIE EMOTIONEN? Bemerkenswert erscheint uns, dass keine Worte über irgendwelche Emotionen verloren werden. Da gäbe es ja einiges zu sagen: vom Jubel über die Ernte bzw. die Traubenlese; vom Jubel über die Besiegung der Mächte, die Gott widerstehen; vom Mitleid über das Leid, das mit diesem Geschehen verbunden ist. Aber eben: Kein Wort davon. Es ist, als ob sich die beiden Teile unseres Textes strikt auf die Ebene der Bilder beschränken wollen. Damit wird die Frage, wofür diese Bilder stehen, noch dringender. Was bzw. wer ist mit diesen Bildern gemeint? DIE MÖGLICHKEITEN DES VERSTEHENS Grundsätzlich ist die Ernte ein Freudenfest. Ein ganzes Jahr intensiver Arbeit liegt hinter einem. Eine Missernte würde Hunger bedeuten für die ganze Gemeinschaft. Immer wieder wird im Alten Testament die Ernte als Freudenfest gefeiert. „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und streuen ihren Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben“ (Psalm 126,5f). Andererseits taucht das Bild von der Ernte auch auf als Metapher für Gottes Gericht. Was der Mensch, was eine Gemeinschaft, ein Volk bzw. ein Königshaus gesät hat bzw. haben, das werden sie nun ernten. Immer wieder hat man diese beiden Erntebilder als Beschreibung des Gerichtes verstanden. Ausschlaggebend für diese Deutung ist die Aussage in Offb 14,19: „(Und er) … schüttete die Trauben in die grosse Kelter des Zornes Gottes.“ Die „Beeren des Weinstocks“ versteht man dann als die Welt, die Gott widersteht und die nun dem Gericht Gottes anheim fällt. Wie aber ist es mit dem Bild von der Weizenernte (Offb 14,14-16)? Lässt sich auch das als Gericht Gottes über die Welt, die Gott widersteht, verstehen? Aber gibt es für beide Erntebilder – das der Kelter und das des Weizens – noch andere Möglichkeiten der Deutung? SELBER LESEN Wir machen Euch Mut, den ganzen Text von diesen Überlegungen her nochmals sorgfältig zu lesen. Was nehmt Ihr wahr? Euer Urteil muss auf dem aufbauen, was Ihr selbst sehen könnt. ZUR METHODIK DES VERSTEHENS Johannes und die Menschen seiner Zeit haben von einem grossen Vorrat des eigenen Gedächtnisses gelebt. Bei Begriffen, Wendungen und einzelnen Sätzen haben sie danach gefragt, woher (aus dem Alten Testament, dem Evangelium) sie „das“ denn bereits kennen. Wir haben oben (unter „Möglichkeiten des Verstehens“) darauf hingewiesen, dass man auf diesem Weg durchaus zu verschiedenen Ergebnissen kommen kann: sowohl zum Jubel über die reiche Ernte der Gemeinde der Glaubenden als auch zum Jubel über das Gericht Gottes, also über die Vernichtung all dessen, was Gott widersteht. WAHRNEHMUNGEN Wir teilen mit Euch einige Wahrnehmungen. Ihr selbst beurteilt, ob man das anhand des Textes so sehen kann. Wenn nicht, dann legt es bitte auf die Seite. DIE STUNDE DES WEIZENKORNS Es gibt einige Einzelheiten, die uns in diesem Text auffallen. Unter dem Menschensohn (Offb 14,14) verstehen wir unmissverständlich Jesus selbst. Nach dem Johannesevangelium hat er von Anfang an darauf geachtet, wann seine „Stunde“ (bzw. seine Zeit) gekommen ist: Joh 2,4; 7,6[2x]; 7,8; 8,20. Erst in 12,23 ist mit der Frage der Griechen, die Jesus sehen wollen (vgl. Jes 11,10) seine Stunde gekommen. Es ist die Stunde, in der „das Gericht über die Welt ergeht, d.h. in der der Fürst der Welt hinausgeworfen wird“ (Joh 12,31; vgl. Offb 12,7-9). Es ist die Stunde, da er selbst wie ein Weizenkorn in die Erde fällt und stirbt. Jesus sagt von sich: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Joh 12,24). Hat man diese Zusammenhänge im Gedächtnis, dann weiss man: „Die Stunde ist gekommen“ (Joh 12,23) meint den Anbruch eben jener „Stunde“, in der Jesus sein Leben (als Weizenkorn Joh 12,24) für die Welt dahin gibt. Es ist damit auch die Stunde, in der der Fürst der Welt hinabgeworfen und entmachtet wird. Unsere Frage ist, ob Offb 14,15 darauf anspielt. Wird der „Menschensohn“ nicht an beides erinnert, wenn er vom Engel gerufen wird: „Lege deine Sichel an und ernte! Denn die Stunde des Erntens ist gekommen“? (Offb 14,15). DIE STUNDE DES WEINSTOCKS „Weinstock“ wird im Alten Testament oft als Metapher für Israel verwendet. Darum hat man Offb 14,17-20 manchmal auch als Gericht über Israel verstanden. Kommt Israel, das sich Gott widersetzt, in die Kelter des Zornes Gottes? Unter „Weinstock“ hat man aber auch den Messias, den Christus verstanden (Psalm 80,15f). Ja, Jesus hat sich selbst so bezeichnet: „Ich bin der wahre Weinstock“ (Joh 15,1). Könnte es also sein, dass uns in Offb 14,17ff gezeigt wird, wie die Sichel des Gerichts an Jesus selbst gelegt wird? Gottes Zorngericht meint die Welt, die Gott widersteht. Ergeht es nun stellvertretend über Jesus, über den Christus Gottes? „Der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, damit er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben lasse als Lösegeld für die Vielen“ (Mk 10,45). Der Messias als der Menschensohn ist der, der stellvertretend die Strafe, die auf anderen liegt, auf sich nimmt (vgl. Jes 53). Ohne diesen Grundgedanken der Stellvertretung ist die Sendung Jesu nicht zu verstehen. Dass diese Stellvertretung bildhaft durch das Treten der Kelter ausgedrückt werden kann, das hat Jesaja 63,1-6 eindrücklich deutlich gemacht. Die Farbspuren auf dem Gewand stammen davon, dass er selbst die Kelter getreten hat. Doch: Wer oder was lag da in der Kelter des Zornes Gottes? Wer oder was wurde da zertreten, sodass das Blut 1600 Stadien weit floss? Zu dieser Angabe des Längenmasses gibt es nach unserem Urteil bisher keine einleuchtende Erklärung. Auf jeden Fall: Es ist enorm weit. Für die zweite Angabe aber gibt es eine deutliche Parallele. „Die Kelter wurde ausserhalb der Stadt getreten“ (Offb 14,20). Das ist der Ort, an dem nach Hebr 13,12 Jesus als der Messias „durch sein eignes Blut das Volk geheiligt hat … ausserhalb des Tores.“ Es ist der Ort des Todes Jesu auf Golgatha. DAS WÜRDE HEISSEN Unser Deutungsangebot ist folgendes. Beide Erntebilder, die uns in Offb 14,14-20 begegnen, deuten Jesus und seinen Weg zum Heil der Welt. Als der Menschensohn (Offb 14,1) erfährt er, dass die von ihm erwartete „Stunde“ eine Stunde der „Ernte“ ist (Offb 14,15). Es ist die Stunde, da der Fürst der Welt entmachtet wird (Joh 12,31), indem der Menschensohn als „Weizenkorn“ (Joh 12,24) in der Erde stirbt, um so viel Frucht zu bringen. Als der wahre Weinstock wird er geschnitten und geernet. In der „Kelter des Zornes Gottes“ nimmt er den Zorn Gottes auf sich, der auf der Welt liegt. Darin erweist er sich als der Menschensohn, der Messias und Knecht Gottes (Mk 10,45; Jes 53). Dienstag, 19. Mai 2020 Ulrike und Wolfgang schreiben: Beim Lesen der Offenbarung bzw. bei der Beschäftigung mit ihrer Bildwelt entstehen Fragen. Wie sind die Bilder in Offb 14,9-11 zu verstehen? Gibt es so etwas wie eine bleibende Verdammnis? Dass Menschen bleibend sich selbst und Gott und seiner Neuschöpfung verloren gehen? Wir versuchen eine Antwort, die ihr bitte für euch selbst prüft. WIE IST DAS MIT DER VERDAMMNIS? Angesichts der schlimmen Bedingungen, in denen Menschen auch heute weltweit leben, werden wohl die meisten zustimmen, dass es Gericht braucht. Gericht ist notwendig – es sei denn, wir meinen, dass es kaum etwas Falsches gibt oder dass Gott das alles nichts ausmacht. Das aber wäre eine blasphemische Ansicht. Es würde allem widersprechen, was wir von Gott wissen. Im Folgenden zitiere ich wiederholt aus Tom Wright, Von Hoffnung überrascht, 2007. Ich könnte nicht besser und präziser formulieren, als er es tut. Die Zwischenüberschriften sind von mir. AUSSCHLUSS – .... UND UMARMUNG Tom Wright greift zurück auf die Terminologie von Miroslav Volf. Es «muss es zunächst ‘exclusion’ geben, Ausschluss, bevor es ‘embrace’ geben kann, Umarmung: Das Böse muss identifiziert, benannt und abgehandelt werden, bevor es Versöhnung geben kann. Das ist die Grundlage, auf der Desmond Tutu seine atemberaubende Arbeit in der südafrikanischen Kommission für Wahrheit und Versöhnung aufgebaut hat. Doch es gilt – und das ist natürlich der Knackpunkt: Wo diejenigen, die aus Boshaftigkeit gehandelt haben, sich weigern, das anzuerkennen, dort kann es keine Versöhnung geben, keine Umarmung.» (208) GOTT BRINGT DIE WELT ZURECHT Gott hat sich völlig der Aufgabe verschrieben, die Welt letztendlich ins Lot zu bringen. «Jenes Ins-Lot-Bringen muss notwendigerweise die Beseitigung all dessen beinhalten, was Gottes gute und schöne Schöpfung verzerrt, insbesondere alles, was seine ebenbildlichen menschlichen Geschöpfe entstellt.» (209) Um es ganz klar zu sagen: Im Königreich Gottes wird es niemanden geben, der Stacheldraht zieht. Diejenigen, deren ganzes Wesen davon abhängig geworden ist, Stacheldraht zu ziehen, werden dort keinen Platz haben. An die Stelle von ‘Stacheldraht’ kann man natürlich jeglichen Katalog von Schrecklichkeiten setzen: Völkermord, Atombomben, Kinderprostitution, die Arroganz der Weltreiche usw. (209) DIE DYNAMIK DES GÖTZENDIENSTES Wie kommt es dazu, dass Menschen mit ihrem ganzen Wesen davon abhängig geworden sind, «Stacheldraht zu ziehen»? Wie können wir, die wir zum Ebenbild Gottes geschaffen sind, uns dermassen brutal und zerstörerisch verhalten? Wir haben in der Offenbarung gelesen, dass Johannes zur Wachsamkeit vor dem ‘Tier’ und zur Wachsamkeit vor der Anbetung des ‘Tieres’ aufruft. Das ‘Tier’ haben wir nicht als Einzelperson, sondern als Bild für ein monströses Herrschaftssystem verstanden. Es verlangt vollständige Unterordnung und Anbetung. Wir Menschen sollen nicht anbeten, was nicht Gott ist. Wo das aber geschieht, findet Götzendienst statt. Götzendienst ist nicht eine harmlose religiöse Verfehlung, nach dem Motto: Der eine glaubt dies, der andere halt das. Es ist ernster: Götzendienst führt zwangsläufig zur Entmenschlichung dessen, der den Götzen anbetet. GÖTZENDIENST FÜHRT ZUM VERLUST DER MENSCHLICHKEIT Hören wir wieder Tom Wright. Er schreibt, dass zerstörerisches Verhalten – im tiefsten und eigentlichen Sinne – seinen Ursprung in der Anbetung des Falschen hat. «1. Sie (= die zerstörerischen Verhaltensmuster) stammen alle von dem Kardinalfehler ab, vom Götzendienst, bei dem das, was nicht Gott ist, so angebetet wird, als sei es Gott. 2. Sie tragen alle die verräterischen Zeichen des daraus folgenden Fehlers, der im unmenschlichen Verhalten besteht, also im Versäumnis, das Ebenbild Gottes vollständig widerzuspiegeln. Es handelt sich dabei um jene Zielverfehlung im Blick auf das vollständige, freie und authentische Menschsein, die das Neue Testament üblicherweise hamartia nennt, ‘Sünde’. (Sünde, das sei vermerkt, ist nicht das Brechen willkürlicher Regeln; die Regeln sind vielmehr die Miniaturansichten verschiedener Arten entmenschlichenden Verhaltens.) 3. Es ist durchaus möglich und scheint auch in der Praxis tatsächlich zu passieren, dass dieser Götzendienst und diese Entmenschlichung im Leben und im gewählten Verhalten einer Person und sogar von Gruppen derart beherrschend wird, dass diejenigen, die daran festhalten, ihrer eigenen Entmenschlichung Vorschub leisten – es sei denn, es gibt ein ganz konkretes Abwenden von dieser Lebensweise.» (209) Wir haben das Abwenden von dieser Lebensweise die «Rückkehr ins Vaterhaus» genannt: Kehr um und komm nach Hause, zu deinem Gott und Schöpfer. Tom Wright begründet – mit grosser Zurückhaltung – die Lehre vom Endgericht und der Verdammnis mit der Selbst-Entmenschlichung, die Folge des Götzendienstes ist. Er schreibt: «Doch wenn es tatsächlich eine letztendliche Verdammung derjenigen gibt, die sich durch ihren Götzendienst selbst entmenschlichen und andere mit sich reissen, dann malt die Darstellung die ich hier von dem geboten habe, wie sich das praktisch vollzieht, ein Bild, das sich von den üblichen Bildern ziemlich unterscheidet.» (210) DREI WEIT VERBREITETE ARTEN, VERDAMMNIS ZU BEGRÜNDEN BZW. ABZULEHNEN Wright zeichnet drei populäre Vorstellungen nach, wie Verdammnis gewöhnlich verstanden wird. Vom biblischen Zeugnis her sind sie alle problematisch. (1) «Die traditionelle Ansicht lautet, dass diejenigen, die Gottes Rettung ablehnen, die sich weigern, sich von Götzendienst und Bösartigkeit abzuwenden, ewig im Zustand bewusster Qual bleiben. (...) Solche Menschen werden in gewissem Sinne Menschen bleiben, und sie werden ohne zeitliche Begrenzung bestraft werden.» (210) Diese Sichtweise löst bei anderen Menschen – ob glaubend oder nicht glaubend – Abscheu aus. Sie fragen sich, wie es zugehen kann, dass die einen sich ihrer Rettung freuen und gleichzeitig um die Qual der Anderen wissen. Es kann nicht sein, dass man um Qualen weiss, um eine Art Folterkammer inmitten der neuen Schöpfung, und sich gleichzeitig freuen kann. «Wir können uns noch so oft sagen, dass Gott das Böse verdammen muss, wenn er ein guter Gott ist und dass diejenigen, die Gott lieben, diese Verdammung gutheissen müssten: Sobald diese Bilder vor unserem inneren Auge stehen, wenden wir uns angewidert ab.» (211) (2) Dann gibt es Menschen, die an die sogenannte Allversöhnung glauben. Sie meinen, dass Gott auch mit Massenmördern und Kinderschändern barmherzig sein wird. Er kenne ja die Gründe und sehe tiefer. Andere modifizieren diese Haltung und sagen: «Gott wird nach dem Tod weiterhin allen Menschen die Möglichkeit der Umkehr geben, bis sie schlussendlich in das Angebot seiner Liebe einwilligen.» (210) Wer das Leben anderer Menschen zerstört und verdorben hat, wird länger brauchen, bis er in der neuen Schöpfung ankommt – aber er wird auch ankommen. (3) Dann gibt es noch einen Mittelweg. «Wer Gottes Liebe und seine Lebensweise in der gegenwärtigen Welt zurückweist, wird einfach aufhören zu existieren.» Menschen weisen das ihnen angebotene Geschenk der Unsterblichkeit zurück und empfangen darum keine Unsterblichkeit. Diese dritte Sichtweise vermeidet es, eine Verdammung von Menschen zu glauben. Das aber geht «auf Kosten von Texten der Schrift (...), die eindeutig von einem fortwährenden Zustand derjenigen zu sprechen scheinen, die die Anbetung des wahren Gottes und die Lebensweise, die daraus folgt, zurückweisen.» (211) EINE ANDERE WEISE, VERDAMMNIS ZU VERSTEHEN Hier stellen wir die Sichtweise vor, die N.T. Wright vertritt. Wir haben sie bereits im Impuls zu Offb 14,6-13 als unsere eigene Sichtweise vorgestellt. Wir meinen, dass wir biblischen Schlüsseltexten treu bleiben und dass wir gleichzeitig der Realität des menschlichen Lebens gerecht werden. EIN MENSCH WIRD ZU DEM, WAS ER ANBETET «Wenn Menschen dem, was nicht Gott ist, von Herzen treu sind und das auch anbeten, dann hören sie mehr und mehr auf, das Ebenbild Gottes widerzuspiegeln. Es gehört zu den grundlegenden Gesetzen des menschlichen Lebens, dass man das wird, was man anbetet; mehr noch: Man strahlt das, was man anbetet, nicht nur auf das Anbetungsobjekt selbst zurück, sondern auch nach aussen in die Umgebung.» (211) ANBETUNG DES GELDES, DER SEXUALITÄT, DER MACHT «Wer Geld anbetet, definiert sich zunehmend über finanzielle Begriffe und behandelt andere Menschen als Kreditgeber, Schuldner, Partner oder Kunden, weniger als Menschen. Wer Sex anbetet, definiert sich über sexuelle Begriffe (seine Vorlieben, Praktiken und Erfahrungen) und wird andere Menschen zunehmend als tatsächliche oder potentielle Sexualpartner behandeln. Wer Macht anbetet, definiert sich über Machtbegriffe und behandelt andere Menschen entweder als Kollaborateure, Konkurrenten oder Bauernopfer. Diese und viele andere Formen von Götzendienst verbinden sich auf vielerlei Weisen, und alle diese Weisen beschädigen die Fähigkeit, das Ebenbild Gottes zu sein, und zwar bei den betroffenen Menschen selbst und bei denen, deren Leben sie berühren. Mein Vorschlag lautet: Es ist dem Menschen möglich, diesen Weg so weit hinunterzugehen und das Flüstern der guten Nachricht – alles Aufflackern des wahren Lichtes, alle Anstösse, umzukehren und in die andere Richtung zu gehen, alle Zeichen der Liebe Gottes – so klar zurückzuweisen, dass diese Menschen nach dem Tod letztlich aufgrund ihrer eigenen wirksamen Entscheidung Wesen werden, die einmal Menschen waren, es aber nun nicht mehr sind, Kreaturen, die aufgehört haben, überhaupt noch Träger des Ebenbildes Gottes zu sein. Mit dem Tod jenes Körpers, mit dem sie Gottes gute Welt bewohnten, in der die glimmende Flamme des Guten noch nicht völlig erloschen war, gehen sie nicht nur in einen Bereich jenseits der Hoffnung, sondern auch jenseits des Mitleids.» (211f) Damit meint Wright, dass Menschen so lange den Götzen angeschaut und ihm gedient haben, dass sie ihre Gottebenbildlichkeit verloren haben. Der menschliche Körper ist wie eine Erinnerung an die Gottebenbildlichkeit. Wenn auch der Körper stirbt, dann wird der Mensch zu dem, was er sein Leben lang angebetet hat. Er wird zu dem, was er sein Leben lang gewollt hat. Er wird nicht sagen: «Das habe ich nicht gewusst. Das habe ich nicht gewollt.» Im Gegenteil: Er hat bekommen, was er wollte. C.S. Lewis meint, dass Gott über diesen Menschen sagt: «Dein Wille geschehe.» Unsere Ausführungen zur Verdammnis sind prüfend zu lesen. Es gibt in den biblischen Berichten keine feste Lehre über Verdammnis. Es gibt aber biblische Aussagen und Bilder, die so stark sind, dass wir nicht hinter sie zurück gehen können. Dazu gehört, dass diese Welt die gute Schöpfung des einen wahren Gottes ist. Er bringt seine Welt und seine Menschen immer wieder zurecht – ruft sie immer wieder zurück ins Vaterhaus. Am Ende wird er die Erde richten und die ganze Schöpfung wird daran ihre Freude haben. Montag, 18. Mai 2020 Ulrike schreibt: Wir haben vom 'Wein des Zornes Gottes' (Offb 14,10) gelesen. Im nächsten Abschnitt wird die 'Kelter des Zornes Gottes' genannt und in Offb 15 werden 'Schalen des Zornes Gottes' ausgegossen. Darum halten wir inne und fragen, wie der Zorn Gottes zu verstehen ist. Wir stellen damit auch die Frage nach unserem eigenen Zorn. WIE IST DAS MIT DEM ZORN GOTTES? Angesichts der schlimmen Bedingungen, in denen Menschen auch heute weltweit leben, werden wohl die meisten zustimmen, dass es Gericht braucht. Wir haben im letzten Impuls den biblischen Begriff der ‘Krisis’ genannt. «Gericht – die souveräne Erklärung, dass dies gut ist, aufrechterhalten und rehabilitiert werden muss, und dass jenes böse ist und verdammt werden muss (...). Es gibt einige Dinge, nein, eigentlich sind es ziemlich viele Dinge, die man nicht tolerieren darf, wenn man nicht einfach mit der Bosheit gemeinsame Sache machen will.» (Tom Wright, Hoffnung, 208) Wir haben bereits in Offenbarung 6,16f vom «Zorn des Lammes» gelesen. Das hiess es: «Fallt über uns (Berge und Felsen) und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes. Denn es ist gekommen der grosse Tag ihres Zorns und wer kann bestehen?» DER ZORN DES LAMMES Die Rede vom „Zorn des Lammes“ hat manche Mitlesende in der WhatsAppGruppe überrascht. Darf man von einem „Zorn des Lammes“ reden? Steht das nicht gegen alles, was wir von Jesus wissen? Eine Teilnehmerin hatte im WhatsApp Chat geschrieben: «Ich merke, dass die Beschreibung, ‘der Zorn des Lammes’, etwas Tröstliches für mich hat. Das mag eigenartig klingen. Aber bei aller Ehrfurcht, die diese Sätze auslösen, bin ich dankbar für diesen Zorn. Wie komme ich dazu? Wenn ich meinen (so begrenzten) Blick in diese Welt wahrnehme, sehe ich so viel lebensfeindliches Verhalten, lebensverachtende Taten. Im Kleinen und im Grossen. Ich selbst bin Teil eines Systems, das sich auf Kosten anderer Erdenbewohner bereichert. Wie Vieles wird gar nicht – oder nicht mehr als das wahrgenommen, was es ist? Als gleichgültig, lieblos – und letztendlich auch Gott-los? Wo ist da die Empörung? Wo ist unser Zorn? Auf diesem Hintergrund hat der Zorn des Lammes etwas Tröstliches. Das Unrecht empfängt die angemessene Reaktion. Der Schutzmantel der Bagatellisierung, Verheimlichung usw. fällt weg. Vor dem Thron wird es sichtbar. Betroffen sind vor allem "Könige, Grosse, Oberste, Reiche, Mächtige (Offb 6,15). Ist es vor allem für sie, die selber Macht, Einfluss, Reichtum haben, undenkbar, sich einem noch Grösseren und Mächtigeren zu beugen? Aber es sind nicht nur sie. Auch Sklaven und Freie verbargen sich in die Höhlen..." Auch ich gehöre zu denen, die Zorn verdient haben. Ich möchte aber von Herzen zu Gott hin fliehen.» So weit ihr Beitrag. UNSERE ANTWORT Wir vermuten, dass es vielen so geht wie dieser Bibelleserin. Darf man von einem Zorn des Lammes reden? Ja, gibt es beim Lamm überhaupt einen Zorn? — Bei Aussagen, die uns schwierig zu sein scheinen, versuchen wir zuerst, die Formulierung zu akzeptieren und sie wo möglich bejahend zu verstehen. Hier sind unsere Überlegungen dazu. ZORN IST ETWAS GESUNDES Als der ältere Sohn im Gleichnis erfährt, dass das Fest für den jüngeren Bruder bereits im Gange ist und man ihn auf dem Feld vergessen hat, "wurde er zornig" (Lk 15,28). Der Zorn ist ein Zeichen dafür, dass sein Inneres noch lebendig ist. Man stelle sich vor, er würde das gelassen entgegen nehmen. Wäre da nicht etwas in ihm gestorben? Zorn ist Zeichen der Lebendigkeit. Und: Zorn ist Zeichen für einen Konflikt, bei dem Wesentliches auf dem Spiel steht. DAS LAMM MACHT SICH EINS MIT DEM VATER Der Zorn dessen, der auf dem Thron sitzt (der Vater), richtet sich unserer Meinung nach gegen die Taubheit der Menschen, die nicht einmal angesichts der einbrechenden Plagen oder Katastrophen zur Umkehr bereit sind. Sie fliehen und verstecken sich in Höhlen. Solche Höhlen können auch grosszügige Wohnanlagen mit grosszügigen Gärten sein, in die sich wohlhabende Menschen zurückziehen und verschliessen. Den Rückzug in die Höhlen deuten wir als eine weitere Stufe der menschlichen Verhärtung. Das Lamm ist einig mit dem, der auf dem Thron sitzt. Darum macht es sich auch in seinem Zorn mit ihm eins und trennt sich weder vom Empfinden des Vaters noch von seiner Bewertung des Handelns der Menschen. Die beiden sind auch im Zorn eins. BLINDER UND SEHENDER ZORN Wir neigen vielleicht dazu, einen 'blinden' Zorn zu vermuten, wie ja menschlicher Zorn oft genug blind ist. Ich denke mir, dass es sich bei Gott um einen 'sehenden' Zorn handelt. Das sind also keine Emotionen, die plötzlich mit Gott 'durchgehen'. Möglicherweise ist der Ausdruck „Zorn“ durch Ereignisse in meiner Lebensgeschichte derart besetzt, dass ich ihn nur noch negativ hören kann. Hilft es mir dann, wenn ich zwischen einem ‚emotionalen‘ Zorn (emotional bestimmter Zorn, ‚blinder‘ Zorn, Zorn als Gefühl, Jähzorn) und einem ‚sachlichen‘ Zorn (‚sehender‘ Zorn, Zorn als berechtigter Widerstand) unterscheide? Der Unterschied: Beim ‚emotionalen‘ Zorn hat der Zorn mich (er bestimmt über mich, verfügt über mich). Beim ‚sachlichen‘ Zorn habe ich den Zorn (ich kann über ihn verfügen). Wir selbst versuchen, den Begriff „Zorn“ nicht zu vermeiden. Es handelt sich auch beim soeben beschriebenen ‚sachlichen‘ Zorn wirklich um Zorn. GOTT GEHT MIT UNSERER REALITÄT UM Gott ist mit den Menschen barmherzig. Voraussetzung dafür ist, dass Gott die Lebenswirklichkeit sieht. Die 'Wirklichkeit' aber lautet, dass Menschen in Ungerechtigkeiten hineingeraten, in sie einstimmen und immer tiefer mit ihnen eins werden. Es sind eben diese Ungerechtigkeiten, gegen die sich der Zorn Gottes richtet, ja richten muss. Wäre er der Ungerechtigkeit gegenüber duldsam, würde am Ende eben diese Ungerechtigkeit triumphieren. Das aber kann nicht sein. Gottes Barmherzigkeit ruft und rettet uns heraus aus Ungerechtigkeiten, in die wir geraten sind oder in die wir eingestimmt haben. DULDSAMKEIT BEWIRKT NOCH MEHR VERSTRICKUNG Das Gegenteil sehen wir unter uns Menschen. Wie viele von uns sind gegenüber den eigenen Ungerechtigkeiten sehr duldsam. Man verdrängt das eigene ungerechte Handeln oder wertet es als «nicht so schlimm». Die Konsequenz davon ist, dass wir aus unserer Ungerechtigkeit kaum noch bzw. überhaupt nicht mehr herausfinden. KANN MAN DIE TAT VOM MENSCHEN LÖSEN? Richtet sich der Zorn bloss gegen die Ungerechtigkeit und nicht bzw. nicht auch gegen die Menschen? Im hebräischen Denken gibt es keine abstrakte Rede von Ungerechtigkeit, wie es ja auch kein abstraktes Lieben gibt. ‘Liebe’ wie ‘Ungerechtigkeit’ gibt es nur da, wo Menschen lieben bzw. wo Menschen ungerecht sind. Ungerechtigkeit gibt es dort, wo Menschen ungerecht handeln, wo sie sich auf Ungerechtigkeit einlassen und ihr in ihrem Inneren zunehmend Raum geben. Auch das ist ein Prozess des Wachstums und der Reifung. Wie beim ‘Unkraut’ reift die Ungerechtigkeit in und durch uns heran bis zur voll ausgereiften Frucht. Dass Gott ihr Raum und Zeit der Reifung gibt, heisst nicht, dass er sie bejaht. Durch Wachstum und Reifung wird aus der anfänglichen Saat eine ausgereifte Gestalt. VERWANDLUNG GIBT ES NUR DURCH UMKEHR Verwandlung bei uns Menschen gibt es nur durch Umkehr. Der angemessene Weg von uns Menschen ist, dass wir dem Zorn Gottes und des Lammes zustimmen und uns so von Ungerechtigkeit lösen. Grundlage der Umkehr ist, dass wir Gott recht geben. Gott recht geben aber bedeutet, seinen Zorn gegenüber dem ungerechten Handeln zu bejahen und zu teilen. Sonntag, 17. Mai 2020 Ulrike schreibt: Bitte lest Offenbarung 14,9-13. OFFENBARUNG 14,9-13 - DAS GANZE BILD Bevor wir nun auf die Stimme des dritten Engels hören, halten wir uns noch einmal vor Augen: Offenbarung 14,1-13 ist eine Ganzheit. Wie beim Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen geht es um EIN Thema: Es geht um die Freude der Ernte. Darum setzt das Kapitel mit dem himmlischen Jubel ein. Mit den 144‘000 sehen wir die ganze Ernte vor uns, die mit den Erstlingsfrüchten beginnt und mit der kommenden reichen Ernte abgeschlossen werden wird. 144‘000 gehört wie alles in diesem Kapitel zur apokalyptischen Bildsprache. Diese Zahl ist nicht zum Abzählen gemeint. Sie steht für die Vollzahl aller, die zu Jesus gehören und ihren Weg mit ihm gehen. Wann der einzelne Glaubende zu dieser ‚Vollzahl‘ hinzu kommt, ist unwichtig. Die ‚Erstlinge‘ sind bereits 144‘000. Im Lauf der Geschichte kommen andere zur reichen Ernte hinzu. Am Ende werden es 144‘000 sein: die volle Zahl der Glaubenden. ZUM JUBEL GEHÖRT DIE ‚KRISIS‘ Zum Jubel der reichen Ernte gehört der zweite Jubel hinzu, von dem Jesus im Gleichnis (und auch sonst) gesprochen hat. Ernte ist Scheidung, auf griechisch ‚krisis‘. „Die Stunde des Gerichtes ist gekommen“ (Offb 14,7). Was bisher zusammen auf dem Ackerfeld wuchs, das wird nun — endlich und endgültig — voneinander geschieden. Endlich wird klar, was Unkraut und was Weizen war. VON ANFANG AN … Bleiben wir einen Moment bei dem Bild, um seine Botschaft zu verstehen. Der Weizen war von Anfang an Weizen. Ebenso: Das Unkraut war immer schon Unkraut. Die Stunde der Ernte entscheidet nicht, ob etwas Weizen oder Unkraut ist oder war. Sie macht es nur unmissverständlich deutlich. Das ist mit der Stimme des zweiten Engels gemeint. Die Zeit „Babylons“, die „mit dem Zornwein ihrer Unzucht die Völker getränkt hat“ (Offb 14,8), ist jetzt endgültig vorbei. „Gefallen, gefallen ist das grosse Babylon“ (ebda). Im Gleichnis heisst es: „Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte“ (Mt 13,30). Jetzt ist die Zeit, da beides miteinander wuchs, vorbei. Nun ist “die Zeit der Ernte“ gekommen. FRAGEN, DIE SICH STELLEN An diesem Punkt tauchen, wohl zurecht, Fragen auf. Viele Leserinnen und Leser denken nicht an das Ganze der Ernte. Sie denken an einzelne Menschen. Sie fragen, woran es hängt, dass jemand als Weizen bzw. Unkraut verstanden wird. Damit verbinden sie - im Bild gesprochen – die Vorstellung, dass ein Mensch wie ein Samenkorn ist. Doch erst im Lauf des Lebens ‚entwickelt‘ er sich zu dem, was er am Ende sein wird: zum Weizen oder zum Unkraut. ES GEHT UMS GANZE Wir werden auf diese Frage bald einmal näher eingehen. Nur: Mit den Bildern von Offenbarung 14 lässt sie sich ebenso wenig beantworten wie mit dem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen. In diesen Bildern geht es um das GANZE der Ernte, auch wenn es sich dabei um einzelne Menschen handelt. Hier geht es um den Gegensatz zwischen den „144‘000“ und dem “grossen Babylon“. Es geht um die Gesamtheit der Weizenernte ebenso wie um die Gesamtheit des Unkrauts. Mit der Frage nach den einzelnen Menschen überfordern wir diese Bilder, so ernst und berechtigt diese Frage auch ist. Jesus hat im Gleichnis die Frage nach dem Unkraut als Ganzem gestellt und klar beantwortet. „“Suchet zuerst das Unkraut zusammen und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne“ (Mt 13,30). Das ist dasselbe, das nun der dritte Engel ausruft (Offb 14,9-11). Woran man ausgewachsenes Unkraut erkennt und vom Weizen unterscheiden kann, das war den Hörern Jesu kein Geheimnis. In der ihm eigenen Bildsprache benennt nun der Engel diese Kennzeichen des „Unkrauts“ (Offb 14,9) sowie das von Jesus nur angedeutete „Feuer“. Damit legt er das, was Jesus im Gleichnis beschrieben hat, näher aus. Zwischen der Verkündigung Jesu und der Botschaft der Offenbarung gibt es inhaltlich keinen Unterschied. UNSERE SCHWIERIGKEITEN In Schwierigkeiten kommen wir erst, wenn wir den Blick auf das Ganze verlieren und an einzelne Menschen denken, die uns vor Augen stehen. Nochmals: Damit überfordern wir das, was uns die Bilder dieses Kapitels wie auch des Gleichnisses Jesu sagen wollen und können. Im Gleichnis formuliert Jesus das unmissverständlich. Es geht um den „Samen, ... den ein feindlicher Mensch“ gesät hat. Der Samen ist aufgegangen, ist zur Reife gekommen und wird nun verbrannt. Dieser „Same“ ist es, der hier zu seinem Ende findet. ES GIBT KEIN ‚ERWACHEN‘ Behalten wir das vor Augen, dann wird uns eines klar. Der Moment des Gerichtes, also der Moment der ‚krisis‘, ist nicht der Augenblick eines plötzlichen Erwachens. Das Unkraut wird zur Zeit der Ernte nicht erschrecken und sagen: „Das habe ich nicht gewusst“ und auch nicht: „Das habe ich nicht gewollt.“ Im Gegenteil: Der Same des Unkrauts hat genau gewusst, was er hervorbringt. Und: Was er tat, genau das hat er auch immer gewollt. WIE REAGIERT DIE GEMEINDE? Wer jetzt erwartet, dass zu einem grossen Kampf des Glaubens aufgerufen wird, wird vermutlich enttäuscht sein. Es sind drei ganz einfache Dinge, die jetzt nötig und die in dieser Situation auch genügend sind (Offb 14,12). • „Geduld“. Das griechische Wort meint „Darunter-Bleiben“. Eine Übersetzung formuliert „Standhaftigkeit“. Hüten wir uns davor, diese Haltung heroisch zu stilisieren. Es ist etwas ganz Einfaches: Bleib einfach dabei! Es gibt nichts Neues, das man zu lernen oder einzuüben hätte und das uns womöglich zu besonderen Menschen machen würde. Nein! Bleib einfach dabei. Was heisst das konkret? Auch das ist ganz einfach: • Halte dich an die Gebote. Sie sind klar und genügen zur Orientierung für das tägliche Handeln. Und dann: • Glaube! Auch da geht es um keinen heroischen geistlichen Kraftakt. Sondern: Glaube! Halte dich daran, dass Jesus dich gemeint und dich erkauft hat. Sag Jesus danke, dass er dich erkauft hat, dass du ihm gehörst und zu ihm gehörst. Nicht mehr. EIN LETZTES WORT ZUM SEGEN Drei Engel haben zu Johannes gesprochen. Er hat es uns überliefert. Doch nun ergeht noch eine Stimme aus dem Himmel (Offb 14,13). Was sie sagt, das soll Johannes ausdrücklich aufschreiben. Es soll also nicht vergessen und nicht verändert werden. Das Wort ist klar. Darum fügen auch wir nichts hinzu: „Selig sind die Toten, die im Herrn sterben von jetzt an. Ja, spricht der Geist. Sie sollen ruhen von ihren Mühsalen. Denn ihre Werke folgen ihnen nach.“ Mittwoch, 13. Mai 2020 Wolfgang und Ulrike schreiben: Bitte lest heute wieder Offb 14,6-13, am besten bereits ab Vers 1. Es gehört alles zusammen. OFFENBARUNG 14,6-13 – DIE ERNTE WIRD ANGEKÜNDIGT In Offb 14 sieht Johannes die 144.000 – wie bereits in Offb. 7,9ff. Jetzt wird die Gemeinde Jesu als „Erstlingsfrucht“ bezeichnet (Vers 4). Johannes wechselt in die Bildsprache der Ernte. Denn in Kapitel 14 geht es um das Ernten. „Erstlinge“ sind bei den Erntefesten in Israel diejenigen Früchte, die – weil sie schon reif sind – als erste an Gott übergegeben werden. Die Übergabe der „Erstlinge“ birgt in sich das Versprechen, dass eine ganze Ernte folgt. Es ist noch „mehr“, was Gott gehört und ihm gegeben wird. Es sind mehr Früchte, mehr Weizen, mehr Tiere. Dieses Versprechen eines „Mehr“ klingt in Offb 14,1-5 mit. Es werden noch mehr Menschen zu den 144.000 gesammelt werden. Die Menschen werden nicht vor der Erntezeit zu Jesus gesammelt, sondern in der Erntezeit. ES MÜSSEN MEHR WERDEN Die Zeit, in der Gott zur Ernte kommt, setzt mit der Schau dessen ein, dass ein Engel mitten durch den Himmel fliegt. Der Engel verkündigt denen, die auf Erden wohnen, das Evangelium: „Und ich sah einen andern Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium zu verkündigen, denen, die auf Erden wohnen, allen Nationen und Stämmen und Sprachen und Völkern.“ Offb 14,6 Jesus hat das so gesagt: „Das Evangelium muss zuvor gepredigt werden unter allen Völkern.“ Mk 13,10. Das Evangelium von der Herrschaft Gottes wird bis in die Stunde der Ernte hinein verkündigt. „Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen.“ (Offb 14,7) ERNTEZEIT IST FREUDENZEIT Es ist wichtig, dass wir Kapitel 14 als eine Einheit verstehen. Wir sehen vor uns das Wachstum der Saat, von der Jesus im Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen sprach. Über lange Zeit waren die beiden Saaten, das Unkraut wie der Weizen, kaum oder nur sehr schwer zu unterscheiden. Darum gab es vom Menschen aus gesehen nur die eine Lösung: „Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte“ (Mt 13,30). Was da heran wuchs, das war auch Weizen. Darum war das Heranwachsen Anlass zur Freude. Die Erstlinge, also die ersten Früchte der Ernte (Offb 14,5), sind noch nicht die erwartete volle Zahl. Sie sind die ersten in einer reichen Ernte, die die schon versammelte Gemeinde zusammen mit dem Lamm erwartet. Darum kann die himmlische Welt erwartungsvoll jubeln (Offb 14,3). Und darum verkündet der erste Engel ein ewiges Evangelium über den ganzen, weiten Erd- und Völkerkreis (Offb 14,6). Evangelium, das haben wir gelernt, ist die Botschaft des Engels darum, weil Gott nun seine Herrschaft als König der Welt antritt (Jes 52,7). Wer diesen Ruf hören kann - im Bild gesprochen: der Weizen - gibt jubelnd Antwort und kehrt um. Endlich kann er nach Hause kommen (Mk 1,15). Und sie kommen aus „allen Nationen und Stämmen und Sprachen und Völkern“ (Offb 14,6). Worauf sie gewartet haben, das tun sie jetzt: „Sie fürchten Gott und geben ihm die Ehre“, d.h. „sie beten Gott an“ (Offb 14,7). Was Jesus bildhaft im Gleichnis gesagt hat, das sehen wir nun vor uns: Aus den kleinen Pflanzen, die in ihrem Anfangsstadium noch mit dem Unkraut verwechselt werden konnten, ist nun voller, unverwechselbarer Weizen geworden. Aus der kleinen Saat des Anfangs erwächst die reiche Ernte. ERNTEN HEISST TRENNEN Wer das Gleichnis Jesu als Bild vor sich sieht, der weiss, dass das nicht alles ist. Es ist wahr: Zur Zeit der Ernte wird die reife Frucht in die Scheune gesammelt. Das andere aber ist ebenso wahr und geschieht zur selben Zeit. „Zur Zeit der Ernte will ich den Schnittern sagen: Suchet das Unkraut zusammen und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne“ (Mt 13,30). Jeder in Israel wusste, dass das ein wichtiger und durchaus frohmachender Teil der Ernte war. Niemandem wäre es in den Sinn gekommen, das Unkraut behalten zu wollen. Im Gegenteil. Wer es nicht vernichtete, der fand den Samen des Unkrauts im kommenden Jahr wieder auf dem eigenen Feld. Jesu Gleichnis ist der Schlüssel, von dem her sich das Verständnis unseres Abschnittes erschliesst. Der Jubelruf zur Ernte ist gleichzeitig der Ruf zur Trennung von Unkraut und Weizen. Der Engel sagt: „Die Stunde des Gerichts ist gekommen“ (Offb 14,7). Das Gericht (griechisch: die „krisis“) ist die Scheidung. Der erste Schritt der Ernte bestand tatsächlich darin, das Unkraut zu sammeln, zu bündeln und zu verbrennen (so Mt 13,30). Jede Ernte begann mit dem Ruf „Die Stunde der ‚krisis‘ fängt jetzt an.“ Darin klingt der Jubel der nun beginnenden Ernte. Nun wissen wir, dass es in unserem Abschnitt nicht um eine Weizenernte geht. Es geht um Babylon. „Gefallen, gefallen ist das grosse Babylon“ (Offb 14,8). Was mit Babylon gemeint ist, damit hatten wir uns bereits beschäftigt. Es sind Wirtschaftszusammenhänge, die unbedingten Gehorsam und Anbetung einfordern. Es ist eine Verknechtung, die das jüdische Volk erfahren hat. IMMER WIEDER UND EINMAL ENDGÜLTIG Jesus erzählt im Gleichnis vom Weizen und vom Unkraut von einem Wachstumsprozess, der zur ‚krisis‘ führt. Bei jeder Ernte geht es so zu. In jedem Jahr wieder. Es handelt sich nicht um einen einmaligen Vorgang. Ebenso geht es auch bei wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen zu. Es wächst etwas heran, wird klar erkennbar und treibt auf eine «krisis» zu – auf einen Entscheid. Was im Bild vom Fall der «grossen Stadt Babylon» erzählt wird, hat sich unzählige Male zuvor im Kleinen abgespielt. Diesmal aber, in 14,8 und in den folgenden Kapiteln, geht es nicht um die vielen kleinen Vorgänge. Es geht um das „grosse Babylon“, um einen endgültigen Entscheid. Welche Bedeutung Babylon hat zeigt sich daran, dass dem Gericht über und damit der Bedeutung von Babylon drei ganze Kapitel gewidmet werden (Offb 17-19; es beginnt bereits in Kapitel 16). Unser Abschnitt klingt wie eine erste und knappe Zusammenfassung, die später breit entfaltet wird. Morgen setzen wir die Auslegung von Offb 14,6-13 fort. Dienstag, 12. Mai 2020 OFFENBARUNG 14,8 – DIE GROSSE STADT BABYLON „Und ein zweiter Engel folgte, der sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon, die Grosse; denn sie hat mit dem Zorneswein ihrer Unzucht getränkt alle Völker.“ (Offb 14,8) Hier hören wir zum ersten Mal, dass Babylon gefallen ist. Johannes kündigt Gottes Gericht über sie an. In den Kapiteln 17 bis 19 wird er es dann in ganzer Breite zu sehen bekommen. BABYLON IN DER APOKALYPTISCHEN BILDWELT Bevor wir mit der Auslegung von Offb 14,6-13 fortfahren, halten wir inne. Was hat es mit Babel (hebräisch) bzw. Babylon (griechisch) auf sich? Die Stadt ist Teil der apokalyptischen Bildwelt. Was hatten Johannes und die Christinnen und Christen der sieben Gemeinden vor Augen, wenn sie Babylon hörten? Um zu verstehen, wofür Babylon steht, muss man die Geschichte Israels kennen. Nach der Eroberung Jerusalems 597 v.Chr. und der Zerstörung Jerusalems 586 mussten die Einwohner Jerusalems und Judas ihre Stadt und ihr Land verlassen. Sie wurden nach Babylonien, ins Land der Siegermacht, deportiert, um sich dort anzusiedeln. Sie haben aus dem „Kelch“ getrunken, der ihnen in Babylon gereicht wurde. Sie waren im Elend, waren ohne Halt und ohne Orientierung; und zunehmend ohne Hoffnung auf Rückkehr. Babylon scheint siegreich zu bleiben, scheint für immer gewonnen zu haben. Die Propheten Jesaja und Jeremia reden mit Israel, mit dem Volk in der Fremde. Jesaja spricht seinem Volk zu: Nein, das ist nicht so, Babylon hat nicht gesiegt. Der Prophet wendet sich in den Kapiteln 40-55 an die Israeliten, die im Exil wohnen und fast die Hoffnung aufgegeben haben. Jesaja sagt Israel zu: Gott wird dich erlösen/ dich losmachen von der Siegermacht, er wird den Bund mit dir wieder aufrichten und er wird schliesslich die ganze Schöpfung erneuern. Wie geht das zu? Auch das bekommt Jesaja gezeigt. Alles das wird Gott durch seinen geliebten Knecht tun – den Jesaja in vier Liedern der Weissagung besingt (42,1-9; 49,1-6; 50,4-9; 52,13-53,12). BABYLON WIRD EIN ENDE FINDEN Um diese vier Lieder herum spricht Jesaja Weissagungen über den Untergang Babylons. Babylon hat ihre Gefangenen gezwungen, den Kelch des Zorns bis auf den Boden auszutrinken. Gott nimmt den Kelch nun weg aus Israels Hand und gibt ihn anstelle dessen an Babylon zurück, damit sie ihn selbst trinken muss. Wir lesen davon in Jesaja 51,17-23: „Werde wach, werde wach, steh auf, Jerusalem, die du getrunken hast von der Hand Jahwes den Kelch seines Zorns! Den Taumelkelch hast du ausgetrunken, den Becher geleert. Es war niemand, der sie leitete, von allen Kindern, die sie geboren hat, niemand, der sie bei der Hand nahm, von allen Kindern, die sie aufgezogen hat. (...) Darum höre dies, du Elende, die du trunken bist, doch nicht von Wein! So spricht dein Herr, Jahwe, und dein Gott, der die Sache seines Volks führt: Siehe, ich nehme den Taumelkelch aus deiner Hand, den Becher meines Zorns. Du sollst ihn nicht mehr trinken, sondern ich will ihn deinen Peinigern in die Hand geben, die zu dir sprachen: Wirf dich nieder, dass wir darüber hin gehen! Und du machtest deinen Rücken dem Erdboden gleich und wie eine Gasse, dass man darüber hin laufe.“ GUTE NACHRICHT FÜR DIE GEFANGENEN Vielleicht können wir das Elend der Weggeführten eine Weile betrachten. Wie sieht es aus, wenn jemand in der Fremde ist und niemand nimmt ihn an der Hand? Welches Bild der Verlorenheit ist das. Wie sieht es aus, wenn Israels Peiniger ihr befehlen, sich auf den Boden zu legen, um über ihren Rücken zu gehen? Das ist Bildsprache des Orients, aber wir wissen, dass der Umgang der Assyrer und Babylonier mit Gefangenen grausam war. Jesaja verkündigt den Juden in Babylon „gute Nachricht“. Es sind drei Zusagen, die Bestandteil der guten Nachricht sind und die Jesaja im Auftrag Gottes ausspricht. Diese Zusagen hören wir erst bei Jesaja, dann in der Offenbarung des Johannes. (1) GOTT REGIERT Diese Nachricht, den Exilierten in Babylon angekündigt, kann nur eins bedeuten: Jahwe hat den Sieg über Babylon und ihr seid losgemacht, ihr seid frei: „Dein Gott ist König.“ (Jes 52,7) (2) GOTT KOMMT ZURÜCK Der Tempel in Jerusalem war zerstört und verlassen. Jesaja sagt an, dass Gott zurückkehren wird, öffentlich und sichtbar für alle: „Alle Augen werden es sehen, wenn Jahwe nach Zion zurückkehrt.“ (Jes 52,8) (3) GOTT RETTET SEIN VOLK Alle Völker werden sehen, dass Gott sein Volk aus ihrer Not und ihrem Elend rettet: „Aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.“ (Jes 52,9) Wenn ihr die „gute Nachricht“ im Zusammenhang lesen möchtet, könnt ihr das hier tun: „Wie lieblich sind auf den Bergen die Füsse dessen, der gute Nachricht bringt, der Frieden verkündet, Gutes predigt, Heil verkündet, der sagt zu Zion: Dein Gott ist König! Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und jubeln miteinander. Denn alle Augen werden es sehen, wenn Jahwe nach Zion zurückkehrt. Seid fröhlich und rühmt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems, denn Jahwe hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. Jahwe hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.“ (Jes 52,7-9) GUTE NACHRICHT FÜR ALLE Babylon fiel tatsächlich, die exilierten Juden kehrten nach Hause zurück. Sie bauten Jerusalem und den Tempel wieder auf. Aber niemand sagte damals, dass Jahwe endgültig zum Zion zurück gekommen sei. Die frühen Christen glaubten – und sie glaubten, dass auch Jesus das glaubte, – dass Jahwe zurück gekommen ist: in und als Jesus von Nazareth. Sie glaubten, dass seine Herrlichkeit ganz und vollständig offenbart wurde, als Jesus am Kreuz starb als das unschuldige Lamm. In Jesus wurden die Verheissungen Jesajas alle erfüllt. Er hat sein Volk befreit und gerettet. In ihm hat Gottes neue Schöpfung begonnen. Das ist der Hintergrund von Offenbarung 14. Darum sagt Johannes: ◦ Gott, der Schöpfer, bringt alle Dinge zurecht (Offb 14,7) ◦ Babylon ist gefallen, nachdem sie alle Völker betrunken gemacht hat (Offb 14,8) ◦ Gottes Gericht wird gerecht und vollständig sein (Offb 14,9-11) Montag, 11. Mai 2020 Wolfgang und Ulrike schreiben: Bitte lest Offenbarung 14,6-13. Wir werden drei Tage bei diesem Abschnitt bleiben. Im Impuls für heute betrachten wir die Verse 6-7. Für diejenigen, die es können und mögen: Es wäre nicht falsch, die beiden Verse auswendig zu lernen. Oder ihr schreibt sie auf ein Kärtchen und stellt sie euch hin. OFFENBARUNG 14,6-13 (Teil 1: 14,6-7) DIE SCHAU DER GEMEINDE Kapitel 14 beginnt mit der Klarstellung, wer zur Gemeinde Gottes gehört (Offb 14,1-5). Es sind die 144‘000, die zum Lamm auf dem Berg Zion gehören. Anders: Das Lamm Gottes gibt es nicht ohne die, die zu ihm gehören. Zu ihm gehören sie, weil sie von ihm erkauft sind. Sie sind rein, sie folgen ihm als dem Lamm, sie sind die Erstlingsfrucht und sind untadelig. Umgeben sind sie von einer gewaltigen (Wasser, Donner) und gleichzeitig zarten (Harfen) Musik und von bisher ungehörtem Lobgesang. Wir halten uns vor Augen, dass damit die kleinen und umkämpften Gemeinden gemeint sind, an die Johannes das Buch der Offenbarung senden wird. Damit sind die Gemeinden bis heute gemeint: angefochten, mit Schwäche und Unklarheit in der eigenen Mitte, herausgefordert … Angesprochen werden sie aber nicht auf ihr Selbstbild. Johannes schildert sie so, wie er sie in ihrer Gemeinschaft mit dem Lamm „schaut“ (Vers 1). Zur Schau der Gemeinde (Offb 14,1-5) gehört nun die Schau von drei Engeln (Offb 14,6-12) und das Hören einer himmlischen Stimme, die den Segen über die spricht, die „von jetzt an“ als Glaubende sterben (Offb 14,13). DAS EWIGE EVANGELIUM Ein erster Engel taucht im Zenit auf. Seine Stimme ist überall zu hören und richtet sich ausdrücklich an „alle Nationen und Stämme und Sprachen und Völker“ (Offb 14,6). Niemand ist ausgeschlossen. Es gibt niemanden, der nicht gemeint ist. Seine Botschaft wird ausdrücklich als ewige gute Botschaft (als Evangelium) bezeichnet. Von Ewigkeit her gilt dieser Ruf. Alles, was nun folgt, steht unter diesem Vorzeichen. Worin besteht dieses Evangelium? Es gehört zur Tragik der christlichen Sprache, dass sich die Übersetzung „Busse“ eingebürgert und damit einen dunklen Klang erhalten hat. Gemeint ist der jubelnde Ruf, dass der Weg „nach Hause“ für alle weit offen steht. „Nach Hause“ bedeutet, dass wir von Gott als unserem Vater liebend erwartet werden. Jesus, das Lamm, hat diesen Weg für uns frei gemacht. FÜRCHTET GOTT Noch einmal: Was bedeutet das? Ob ein Mensch diesen Weg zum Vater gefunden hat zeigt sich an der Frage, was er in seinem Leben fürchtet. Furcht bedeutet: Was nehme ich derart ernst, dass ich mein Leben daraufhin ausrichte? Was will ich unbedingt erreichen bzw. behalten? Was will ich auf keinen Fall verlieren bzw. aufgeben? „Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre“ ruft der Engel (Offb 14,7). Wir halten uns vor Augen: Wenn wir Gott nicht fürchten, dann fürchten wir anderes. Einfacher: Wenn Gott uns nicht wichtig ist, dann ist uns anderes wichtig. Heute sprechen wir von „Werten“, die unser Leben bestimmen. Ein Leben ohne Werte gibt es nicht. Die Frage ist lediglich, an welchen Werten wir unser Leben ausrichten. ANBETUNG Der Engel ruft unmissverständlich: „Betet den an, der den Himmel und die Erde und das Meer und die Wasserquellen gemacht hat“ (Offb 14,7). „Anbetung“ kennen wir als „worship“ aus manchen Gottesdiensten. Gemeint ist, dass man sich in allen Lebensvollzügen an Gott und seinem Willen ausrichtet. „Gott lieben von GANZEM Herzen, mit dem GANZEN Leben und mit ALLEN seinen Möglichkeiten“ (5. Mose 6,4), so lautet das Grundgebot Israels. Diese Konzentration des Lebens auf Gott allein ist keine Einengung. Im Gegenteil. Sie macht mich frei von der inneren Zerrissenheit im ständigen Abwägen der vielfältigen Stimmen, die an mich dringen und von mir Gefolgschaft einfordern. Der anbetende Mensch ist der freie Mensch. Anbetung ist die Lebenshaltung des Menschen, der alles auf eine Karte setzt. Der Ruf des Engels lautet, Gott allein anzubeten. Er trifft auf die Illusion des Menschen, man könne neben Gott noch andere Götter haben. Schon das erste Gebot macht unmissverständlich klar: „Ich bin der Herr, dein Gott. Du hast keine anderen Götter neben mir“ (2. Mose 20,2-3). An dieser Radikalität des Rufes Gottes kommt niemand vorbei: „Entweder du bist ganz Sein - oder du lässt es ganz sein.“ Es gibt keinen Zwischenweg. Doch nochmals: Gerade darin liegt die Freiheit der Glaubenden. Gerade darauf gründet der Jubel der Gemeinde. In der Anbetung Gottes feiert die Gemeinde ihre Freiheit von den Mächten der Welt. ANBETUNG STEHT GEGEN ANBETUNG Der Zusammenhang von Kapitel 13 und Kapitel 14 macht die Spannung deutlich. Der Ruf des Evangeliums zur Anbetung Gottes ergeht an eine Welt, die bereits voller Anbetung ist. Es ist eben nicht so, dass den Menschen Anbetung fremd wäre. Nein, sie kennen sie gut. In der Sprache der Offenbarung: Die Anbetung des Lammes verträgt sich nicht mit der Anbetung des (ersten) Tieres, also des Antichristus (Offb 13,8; der Vorgang wird in 13,14-17 geschildert). Denn beide Seiten fordern Unbedingtheit ein. ANBETUNG IST MUSIK UND GESANG Für den weiteren Verlauf ist die Einsicht wichtig: Zur Anbetung gehören Musik und Gesang: „Grosser Gott, wir loben dich. Herr, wir preisen deine Stärke …“ Aus diesem Grund ist auch die bedrängte Gemeinde immer eine singende Gemeinde. Darin hat sie und nimmt sie Anteil am freien Jubel der himmlischen Stimmen. Niemand singt nur für sich allein. Auch der Einsame in der Quarantäne, im Gefängnis und in der Verbannung singt mit im Chor aller, die anbeten. ANBETUNG IST DYNAMISCHE VERWANDLUNG Hinzu kommt ein Aspekt, der uns später noch wichtig werden wird. „Im Anschauen seines Bildes werden wir verwandelt in sein Bild“ singen wir mit einem modernen Chorus (2. Kor 3,18). Anbetung ist ein Prozess der Verwandlung. Wir werden immer mehr zu dem, den wir mit den Augen eines liebenden Herzens ansehen. Das ist zunächst ein bekannter menschlicher Vorgang. Im Laufe einer Beziehung werden sich zwei liebende Menschen in ihrem Urteil, in ihrem Geschmack, in ihrem Aussehen und in ihrem Handeln immer ähnlicher. NIEMAND IST EIN UNBESCHRIEBENES BLATT Das gilt erst recht dort, wo Menschen Christus nachfolgen und ihn anbeten. Es gilt aber ebenso dort, wo Menschen sich auf das Tier (den Antichristen) eingelassen haben. Nachfolge und Anbetung führen auch da zu einem Prozess der Verwandlung und der Angleichung. Das Evangelium, das zur Umkehr ruft, trifft nicht auf Menschen die ein unbeschriebenes Blatt sind. Es trifft auf Menschen, die eine Geschichte haben, die also längst in einem Prozess der Verwandlung stehen. Dieser Prozess ist im Gang. Er ist noch nicht abgeschlossen. Darum ruft der Engel immer noch das „ewige Evangelium“ aus. Es gibt immer noch Raum zur Heimkehr. WASSERQUELLEN - ODER VERKAUFSTECHNIK Vers 7 kann uns die Augen öffnen für die Verwicklungen in der gegenwärtigen politischen Welt. Der Engel, der zur Anbetung Gottes ruft, nennt Gott den, „der den Himmel und die Erde und das Meer und die Wasserquellen gemacht hat“ (Offb 14,7). Es ist der Schöpfer. Auffällig ist, dass hier ausdrücklich die Wasserquellen genannt sind. Schon in der Antike kannte man die Problematik der „bitteren Wasser“ (2. Mose 15,23). Davon kann der Mensch nicht leben. Wir wissen heute genügend um die Problematik, dass gutes, trinkbares Wasser zu den grössten Problemen der Menschheit gehört. Die Mechanismen kennen wir. Je mehr die Natur wirtschaftlich ausgebeutet wird, desto mehr geraten die sensiblen Zusammenhänge zwischen Luft, Wetter, Fruchtbarkeit und eben Wasser unter Druck. Aus den Wasserquellen tränkt das Lamm seine Herde (Offb 7,17; vgl. 21,6; Ps 23; Jes 25,8; 40,11; 55,1). Aber auch die apokalyptischen Plagen gehen über die Wasserquellen (Offb 8,10 - ein Drittel der Wasserquellen; 16,10). Uns fällt auf, dass der Ruf zur Anbetung Gottes mit dem Hinweis auf Gott als den Schöpfer auch der Wasserquellen verbunden ist. Umkehr zu Gott ist Achtung vor den sensiblen Zusammenhängen der Natur. Im Gegensatz dazu steht die Anbetung des Tieres, des Antichristen. Bei ihm steht die Reform der Wirtschafts- bzw. Finanzpolitik im Mittelpunkt (Offb 13,14-17). Sie bestimmt alles, auch den politischen und wirtschaftlichen Umgang mit dem Wasser. Das sind keine nebensächlichen Akzente. Mit der Anbetung des Tieres ist das Ziel politischen Handelns offen gelegt. Gottes Engel ruft das ewige Evangelium aus. Das ist das, was von Ewigkeit zu Ewigkeit das Gute ist und sein wird. Mit der Anbetung Gottes und des Lammes steht die Schöpfung und ihre Bewahrung im Zentrum der Aufmerksamkeit. GEKOMMEN IST DIE STUNDE DES GERICHTS … Einen Satz haben wir in dieser Betrachtung bisher ausgelassen: „… denn gekommen ist die Stunde seines Gerichts“ (Offb 14,7). Genau davon aber haben wir die ganze Zeit gesprochen. Gerichtet werden heisst, dass aufgedeckt wird, wer wir sind. Was sich bisher wie unter einer Decke verbergen konnte, das tritt nun ans Licht. Es kommt ans Licht, wen ich anbete. Es ist der Ruf zur Anbetung, der die Menschen immer schon voneinander unterschieden hat. Bisher konnte man die Unterschiede verbergen. Nun aber tritt alles klar ans Licht. ZUM GESPRÄCH Wir gehen im nächsten Impuls und auch weiterhin ausführlich auf die Bedeutung des Gerichts ein. Drei Hinweise zum Gespräch. • Zunächst: Die Ankündigung des Gerichts gehört für den Engel zum „Ewigen Evangelium“. Warum ist das so? • Im Gericht wird das ans Licht kommen, was wir gewusst und gewollt haben. Niemand wird sagen können: Das habe ich ja gar nicht gewusst. Und niemand wird sagen können: Das habe ich gar nicht gewollt. Unser Wissen und unser Wollen stehen unverdeckt vor uns. Eines aber: Das Gericht vollzieht sich vor dem Angesicht Gottes. Was bedeutet das? • Wenn im Gericht die Wahrheit ans Licht kommt, dann ist das vor allem Gottes Wahrheit. Alles, was Gott gewusst und gewollt hat, wird von ihm und vor ihm aufgedeckt. Und da - in seinem Wissen und Wollen - gibt es gewiss nichts Dunkles. Was bedeutet das? Sonntag, 10. Mai 2020 Wolfgang und Ulrike schreiben Wir wünschen euch einen guten Sonntag morgen. Wir beginnen heute mit dem Lesen von Offenbarung 14. Wenn möglich, dann versucht vor eurem inneren Auge zu "sehen", was Johannes in den Versen 1-5 beschreibt. Versucht die Stimmen und Lieder zu hören. Wir haben in Kapitel 13 gehört, dass denen, die zu Jesus gehören, kein Platz auf Erden zugestanden wird. Sie dürfen nicht mehr kaufen und verkaufen. Was ist mit ihnen? OFFENBARUNG 14,1-5 DAS LAMM UND DIE SEINEN „Und ich sah, und siehe, das Lamm stand auf dem Berg Zion und mit ihm hundertvierundvierzigtausend, die hatten seinen Namen und den Namen seines Vaters geschrieben auf ihrer Stirn.“ Offb 14,1 Die Antwort bekommt Johannes in 14,1-5 zu sehen. Sie sind alle da. Nachdem der Versuch des zweiten Tieres ans Licht gekommen ist, die Gemeinde zu bezwingen, versichert Johannes die Gemeinde ihres Schutzes und ihres Sieges. Sie haben den Namen des Lammes und den Namen des Vaters auf ihren Stirnen geschrieben (Offb 14,1). Sie müssen überhaupt keine Angst haben. Sie sind mit dem Lamm auf dem Zion vereint. Der Berg Zion gehört zur apokalyptischen Bildwelt. Historisch bezeichnet der Zion die Davidsstadt, das meint den ältesten besiedelten Teil von Jerusalem. Der Zion ist Synonym für den Wohnsitz Jahwes: „Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes.“ (Ps 50,2) Es ist der Ort, an dem die bleibende Herrschaft Gottes anbricht: »Ich aber habe meinen König eingesetzt auf meinem heiligen Berg Zion.« (Psalm 2,6) DER KONTRAST ZWISCHEN TIER UND LAMM Johannes beschreibt die Erscheinung des zweiten Tieres, das aus der Erde kommt (Offb 13,11-18) und kontrastiert sie mit dem Lamm und der Menge der 144.000 auf dem Zion: Wie ein Lamm (Offb 13,11) - - - Lamm (Offb 14,1.4) Steigt aus der Erde (Offb 13,11) - - - Berg Zion (Offb 14,1) Dienen dem Tier (Offb 13,12) - - - Singen ein Lied (Offb 14,1) Die Zahl der Tieres 666 (Offb 13,18) - - - Zahl der Gemeinde 144.000 (Offb 14,1) Jeder ist versklavt (Offb 13,16) - - - Die Heiligen sind erkauft (Offb 14,3) Zeichen des Tieres (Offb 13,16f) - - - Name des Vaters und des Lammes (Offb 14,1) Verführt (Offb 13,14) - - - Ohne Lüge (Offb 14,5) SIE SINGEN EIN NEUES LIED Eine gewaltige Stimme und ein Lied sind zu hören. Stimme und Lied sind gleichsam schon „da“ – wie ein alles durchdringendes Rauschen und Donnern und wie Musik von Harfenspielern. In dieses Lied stimmt die Gemeinde Jesu ein. Johannes zeichnet ein Bild von überströmender Freude. Was sie singen, erfahren wir – anders als in Offb 5,9f – nicht. Wir hören aber, dass das Lied „vor dem Thron, vor den vier Gestalten und vor den Ältesten“ gesungen wird. Die Gemeinde ist eins mit dem, der auf dem Thron ist, mit den Mächten der Schöpfung (die von den vier Gestalten repräsentiert werden), den Vertretern von Gottes Geschichtshandeln (den 24 Ältesten). Das ist Ausdruck von grosser Einmütigkeit. UNSER GOTTESDIENST IST EIN EINSTIMMEN Wir haben schon einmal darauf hingewiesen. Das Gottesdienstverständnis der alten Kirche und der orthodoxen Kirche ist genau dieses: Die irdische Gemeinde stimmt in den Jubel der himmlischen Gemeinde ein. Denn dazu gehören auch wir. Die Lieder, mit denen wir als Einzelne und als Gemeinde Gott loben, sind ein Einstimmen in den himmlischen Jubel. Es ist egal, ob wir eine Strophe aus dem reformierten Gesangbuch singen oder ein modernes Anbetungslied. Unser Singen ist Teil des gewaltigen Rauschens und Donnerns und der zarten Musik, die spielt und die den Sieg des Lammes feiert. WIE WIRD DIE GEMEINDE BESCHRIEBEN? ◦ Es sind die, die mit dem Blut des Lammes erkauft sind: erkauft „von der Erde“ (V.3), erkauft „aus den Menschen“ (V.4). ◦ Sie haben sich nicht mit Frauen befleckt, sind jungfräulich. ... Wir meinen, dass sich das nicht auf Enthaltsamkeit bzw. Ehelosigkeit bezieht. Weder im Judentum noch in der frühen Kirche wurde die Ehe als „Befleckung“ verstanden. Der Kampf in den Sendschreiben richtet sich gegen die „Porneia“, nicht gegen die Ehe. Auch Paulus vergleicht die Gemeinde im Bild mit einer „reinen Jungfrau“: „Denn ich eifere um euch mit göttlichem Eifer; denn ich habe euch verlobt mit einem einzigen Mann, damit ich Christus eine reine Jungfrau zuführte.“ 2. Kor 11,2 Wer in der Gemeinde lebt, teilt nicht den sexuell freizügigen Lebensstil seiner Zeit (gr. porneia). Bzw. Paulus wirbt darum, das nicht zu tun. Eine andere mögliche Deutung – die wir weniger wahrscheinlich finden – ist eine alttestamentliche: In Zeiten des Krieges hat Israel auf das eheliche Miteinander verzichtet, weil Krieg als heilig verstanden wurde und man kultisch rein in den Kampf gezogen ist. ◦ Sie folgen dem Lamm nach, wohin es geht (V.4): Das Bild der 144.000, die beim Lamm sind, ist alles andere als statisch. Die Gemeinde folgt Jesus. Sie bleibt gerade dadurch beim Lamm, dass sie das tut, was Jesus auch getan hat. .... Darum lesen wir miteinander die Bibel: um zu hören, was Jesus tut und was es heisst, in seiner Spur zu bleiben. ◦ In ihrem Mund wurde kein Falsch gefunden. Wer zur Gemeinde gehört, hat sich von der Lüge getrennt. In Jesaja 53,9 heisst es vom Lamm Gottes, das in seinem Mund kein Betrug gefunden wurde. Das gilt gleichermassen für die, die zum Lamm gehören. FÜRS GESPRÄCH Was haben wir nach der Lektüre von Offb 12 und 13 erwartet? Erwartet man nicht, dass die Gemeinde als „klein geworden“, verzweifelt, irritiert .... beschrieben wird? Dass sie aufgerichtet werden muss? Johannes sieht sie an der Seite des Lammes und in Gemeinschaft mit den Vertretern der Schöpfung und der Geschichte: ein Bild von umfassender Freude und Gemeinschaft. Freitag, 8. Mai 2020 Ulrike schreibt: Einen guten Morgen wünschen Wolfgang und ich. Der nächste Impuls folgt übermorgen, am Sonntag, dem 10. Mai 2020. Wir fahren dann mit Kapitel 14 weiter. Wir denken, dass wir alle gerne so manches noch einmal nachlesen, bedenken, notieren usw. Verschiedentlich haben wir schon darauf aufmerksam gemacht, wie stark die Offenbarung des Johannes mit einer Bildsprache arbeitet. Was dieses Buch uns sagen will erschliesst sich uns, wenn wir uns diesen Bildern öffnen, Zeit nehmen, hinsehen, hinhören … und das immer wieder. Kapitel 12 und 13 bilden eine Einheit. Uns scheint es hilfreich zu sein, die gewaltigen Bilder und Klänge dessen, was uns Kapitel 12 geschildert wird, in uns aufzunehmen. Und damit es uns nicht ganz entschwindet, werfen wir auch wieder einmal einen Blick auf die Ikone von Christus in Offb 1,12-20. Die Gestalt bzw. Rolle des Antichrist, also des „An-Stelle-Christus“ hat in der Philosophie und Literatur immer wieder fasziniert. So hat der russische Religionsphilosoph Wladimir Solowjew eine eindrückliche „Kurze Erzählung vom Antichrist“ verfasst. Wer Zeit und Freude daran hat, kann sich die Erzählung in zwei Teilen als Hörspiel anhören: WLADIMIR SOLOWJEW, Kurze Erzählung vom Antichrist Teil 1 — https://www.youtube.com/watch?v=jxsoL2lU6gc 50:45 Teil 2 — https://www.youtube.com/watch?v=zcmA_x3hIhA 47:50 Donnerstag, 7. Mai 2020 OFFENBARUNG 13,15-18 – DAS BILD DES TIERES „Und es macht, dass sie allesamt, die Kleinen und Grossen, die Reichen und Armen, die Freien und Sklaven, sich ein Zeichen machen an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn und dass niemand kaufen oder verkaufen kann, wenn er nicht das Zeichen hat, nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens.“ Offb 13,16-18 DIE HERRSCHAFT DES TIERES MACHT ALLE GLEICH In Kapitel 13 sieht Johannes wiederholt, dass sie „allesamt“ anbeten. Die „ganze Erde“ betet das Tier an (Vers 4.8.12). Das politische System, das mit dem Anspruch auf Anbetung und Unterordnung in Erscheinung tritt, verbindet die Menschen miteinander. Das ist durchaus faszinierend. Endlich einmal sind sich alle eins darüber, was sie anzieht, was sie fasziniert und wem sie sich unterordnen wollen. Unterschiede, die durch Volkszugehörigkeit, Sprache, wirtschaftlichen und sozialen Status oder Kultur zwischen den Menschen bestehen, werden relativiert. Menschen sammeln sich einträchtig im neuen Herrschaftssystem. Sie sind sich auch darin eins, dass die Anbetung Gottes und Jesu keinen Platz mehr bei ihnen hat. ANBETEN UND KAUFEN Das Werk des zweiten Tiers – wir haben ihn den Propagandaminister genannt – ist es, dass die Menschen ein Bild vom ersten Tier anfertigen (Offb 13,14). Dieses Bild muss angebetet werden. Wer anbetet, macht sich ein Zeichen an die rechte Hand oder die Stirn. Wer nicht anbetet, wird getötet (Offb 13,15). Nur wer das Zeichen an Stirn oder Hand hat, kann kaufen und verkaufen und also am Wirtschaftsleben teilhaben. Vielleicht kennt ihr Marktplätze aus der römischen Antike. Man findet auf jedem Marktplatz einen Altar. Meist sind es mehrere. Sie waren für verschiedene Gottheiten, aber auch für das sogenannte Kaiseropfer bestimmt. Der Kaiserkult war im Orient sehr populär und setzte sich auch im Westen gegen Ende des 1. Jahrhunderts durch. Wer auf den Markt ging, um zu kaufen oder zu verkaufen, der opferte zuerst den Göttern und dem Kaiser. Das war äusserlich eine kleine Handlung: zum Beispiel eine Handvoll Weihrauch in die Glut auf dem Altar legen. Diese Geste wurde als Ausdruck tiefer Loyalität gegenüber den Göttern, dem Kaiser, den Mitmenschen verstanden. Wer am Kaiseropfer nicht teilnahm, sondern gleich auf den Markt ging, galt als nicht loyal gegenüber der Regierung und gegenüber seinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Christinnen und Christen konnten an den Opfern für die Götter und für den Kaiser nicht teilnehmen. Denn dieser Ort war für sie bereits besetzt. Sie beteten Gott und Jesus Christus an. Zu manchen Zeiten wird ihr fehlendes Opfer von der Einwohnerschaft ignoriert worden sein. Zu manchen Zeiten wird es Misstrauen ausgelöst haben. In Zeiten der Verfolgung hat das Verweigern des Kaiseropfers dazu geführt, dass Christinnen und Christen hingerichtet wurden. In einem der ersten Impulse haben wir gelesen, dass Anfang des zweiten Jahrhunderts von Christen das Kaiseropfer eingefordert werden konnte: «Die leugneten, Christen zu sein oder es je gewesen zu sein, habe ich entlassen zu können geglaubt, sobald sie, nach meinem Vorgang, die Götter anriefen und deinem Bild, das ich mit den Götterstatuen zu diesem Zweck hatte herbeischaffen lassen, mit Weihrauch und Wein opferten, ausserdem noch Christus lästerten - alles Dinge, zu denen sich, wie es heisst, überzeugte Christen niemals zwingen lassen.» (112, Plinius an Kaiser Trajan in: Ritter, Alte Kirche, 1977) HERRSCHAFTSSYSTEME, DIE ZÜGE DES ANTICHRISTEN TRAGEN Johannes legt Gewicht darauf, wie allgemein dieser Kult ist – dank der Propaganda des zweiten Tieres. Menschen aller gesellschaftlichen Schichten werden in ihrer Verehrung eins. Der Hass richtet sich gegen diejenigen, die sich nicht unterwerfen, weil sie Gott fürchten, lieben und vertrauen. Sie werden ausgeschlossen und getötet. In manchen Regionen der Erde und zu verschiedenen Zeiten war und ist das die Lebenswirklichkeit von Menschen: Sie wurden und werden vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, weil sie sich nicht in eine staatlich verordnete Unterwerfung und Anbetung zwingen lassen. Heisst: das Phänomen ist nicht neu. Herrschaften mit einem solchen Gesicht treten zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten in Erscheinung – im Gewand des deutschen Nationalsozialismus, des chinesischen Kommunismus, des Hinduismus oder des Islam. Regierungen schaffen Zugangsvoraussetzungen dafür, dass ihre Bürgerinnen und Bürger am Wirtschaftsleben teilnehmen können. Wir denken an das Social Credit System in China. Menschen, die sich nicht normen-konform verhalten, werden seit 2009 schrittweise vom gesellschaftlichen Leben, von der Möglichkeit zur Mobilität, zur Bildung usw. ausgeschlossen. DIE ZAHL SEINES NAMENS Eine naheliegende Deutung der 666 ist, dass sie für ein Wort, wahrscheinlich einen Namen steht. Im Hebräischen hat man bis heute keine eigenen Zahlzeichen. Man verwendet Buchstaben als Zahlzeichen. Man kann für jedes Wort den Zahlenwert ausrechnen. In einer traditionellen hebräischen Bibel findet man keine Zahlen: keine Seitenzahlen, keine Kapitelzahlen, keine Verszahlen, sondern nur Buchstaben. Um welchen Namen es sich handelt, ist in der Tradition der Kirche nicht überliefert. Möglicherweise ist es der Name des Kaisers Nero, was vom Zahlenwert her stimmt, wenn man das hebräische Alphabet auf eine gewisse Weise zugrunde legt. Eine andere mögliche Deutung ist, dass die 666 wiederum auf eine Nachahmung Gottes anspielt. Die Zahl Gottes ist die sieben, ein Ausdruck für Vollkommenheit und Fülle. Dreimal die sieben, also 777, würde diese Vollkommenheit steigern. Sechs ist die Zahl, durch die man mit 1 die Sieben verfehlt. Bei der 666 findet die Verfehlung dreifach statt. Umschrieben: Der Mensch, der Gott sein will bzw. sich so gebärdet, als ob er Gott sei, der aber Gott immer wieder verfehlt. Es ist hilfreich wenn man daran denkt, dass damit nicht nur eine Einzelperson gemeint sein kann. Es erscheint auch als Beschreibung einer Art und Weise, wie eine Person oder ein ganzes System mit Macht umgeht. Mehr dazu vielleicht später. Vgl. auch den Artikel „Antichrist“ von Wolfgang, den wir oben in den Arbeitshilfen verlinkt haben. Mittwoch, 6. Mai 2020 Wolfgang und Ulrike schreiben: Wir fahren morgen mit dem Lesen von Offb 13,15-18 fort. Mit dem Impuls für heute gehen wir auf Fragen von Teilnehmenden der WhatsApp Gruppe zur Offenbarung ein. HILFESTELLUNG IN ZEITEN DER VERFÜHRUNG Wir lesen gerade Kapitel 13 der Offenbarung. Teilnehmende der WhatsApp Gruppe fragen, woran sie „Verführung“ erkennen können. Es hiess, dass Satan auf die Erde geworfen wurde. Beschrieben wird er als der, „der den ganzen Erdkreis verführt“ (Offb 12,9). Marlen schreibt: „Wie sieht Verführung in unserem Alltag aus? Wie kann ich wachsam sein, damit ich nicht der Verführung ‚erliege‘? - Ich merke, dass ich das Bedürfnis, den Wunsch danach habe, Merkmale von drohender Verführung zu kennen.“ Die Frage ist präzis formuliert. Dazu lässt sich einiges sagen. Wir stellen Hinweise und Hilfen zusammen, die uns im Moment deutlich sind. I GRUNDSÄTZLICHES EINE BITTE UND KEINE TECHNIK Wir beten „Führe uns nicht in Versuchung“. Es gibt keinen menschlichen und auch keinen geistlichen Weg (keine Technik), auf dem wir vor der Versuchung bewahrt werden. Es gibt aber unsere Bitte an Jesus. Und das ist nicht wenig. Es ist viel. Die Hoffnung, aus eigenen (Glaubens-)Kräften der Verführung standhalten zu können, ist Hybris. Wenn er uns dann nicht nahe ist, werden wir nicht bestehen. • Wir bitten Jesus um unsere Bewahrung. Reicht uns das? SEHE ICH MICH ALS BEWAHRT? Wir haben gelesen: Die Frau (die Gemeinde) hat einen Ort, der ihr von Gott bereitet ist, an dem sie „ernährt“ wird (Offb 12,14) und an dem sie auch von der Schöpfung unterstützt wird (Offb 12,16). • Unsere Bewahrung ist vorbereitet. Sehe ich das als Bild meiner Situation? Glaube ich das? DIE ROLLE DER FURCHT Jesus hat seine Jünger gesandt „wie Schafe mitten unter Wölfe“ (Mt 10,16). Er bereitet sie auf Bedrängnis um des Glaubens willen vor: „Hütet euch vor …“ (Mt 10,17ff). Als innere Wegweisung gibt er ihnen mit: „Fürchtet sie nun nicht“ (Mt 10,26). Der Furcht vor Menschen und Situationen entgeht man, indem man Gott fürchtet (Mt 10,28). • Furcht ist ein Einfallstor für Verführbarkeit. Welchen Raum hat die Furcht in meinem Leben? DIE ROLLE DER SORGE Die Zwillingsschwester der Furcht ist die Sorge. Jesus hat sie dem Götzendienst (Mammons-Dienst) gleichgestellt. Dass ich nicht sorgen soll, ist nicht einfach ein guter Rat von Jesus. Es ist ein Gebot. Glaube und Sorge schliessen sich gegenseitig aus (Mt 6,24f). • Auch Sorge ist ein Einfallstor für Verführbarkeit. Welche Rolle spielt die Sorge in meinem Leben? II HINWEISE VON C.S. LEWIS Der englische Literaturwissenschaftler und Philosoph C. S. Lewis hat ein unterhaltsames und gleichzeitig ernsthaftes Buch zum Thema geschrieben: „Dienstanweisungen an einen Unterteufel.“ Ein Oberteufel leitet einen Unterteufel dazu an, einen suchenden Menschen vom Glauben abzuhalten. Wir spinnen seine Gedanken frei nach. MACH IHM DEN GLAUBEN LANGWEILIG Der erste Rat des Oberteufels: Halte ihn durch jede Art von Beschäftigung davon ab, sich mit dem Glauben auseinander zu setzen. Und falls er das tut: Mach ihm dem Glauben durch intelligent klingende Zweifel so unwahrscheinlich wie möglich. • Was hält mich davon ab, mich mit dem Glauben ernsthaft zu beschäftigen bzw. mich auf ihn einzulassen? • Welche zweifelnden Gedanken pflege ich sehr ‚freundlich‘ in mir? TREIB IHN AN Weiter: Trotz allen Bemühens kommt der Mensch zum Glauben. Also, so lautet bei C.S. Lewis der Rat des Oberteufels an den Unterteufel: Wenn du ihn vom Glauben nicht abhalten kannst, dann treibe ihn erst recht hinein. Lass ihn nicht ruhig werden im Glauben. Treibe ihn in die Sorge um seinen Glauben. Mach ihm deutlich, dass der Glaube nicht nur Geschenk Gottes ist, sondern eine grosse Aufgabe. Es kommt unbedingt auf seinen Glauben, auf sein Beten, auf sein Bekennen, auf seine Treue im „Offenbarungs-Chat“ :-) usw. an. SPRICH SEINEN STOLZ AN Wenn er sich darauf einlässt, fährt der Oberteufel fort, treib ihn weiter an. Sein Hang zum Stolz wird dir zu Hilfe kommen. Je ‚erfolgreicher‘ er dabei wird, desto mehr wird ihm die Einsicht, dass Christus für ihn alles getan hat, abhanden kommen. Im Gegenteil: Wichtig wird für ihn das, was er „im Glauben“ tut. Er wird davon sprechen, er tue das alles nur aus Liebe zu Gott. Dabei merkt er nicht, dass er das alles für sich selbst tut: für seine fromme Leistungsbilanz. • Habe ich einen Hang zu Regeln und Formen des Glaubens, bei denen ich möglichst viel selbst machen und einhalten muss? LASS IHN BESONDERS SEIN Oberteufel: Wenn der Klient anbeisst, dann treib ihn kräftig weiter. Er soll nicht bloss immer mehr tun. Zeig ihm Formen und Wege des Glaubens, die nur eingeweihten Menschen zugänglich sind. Er will ja etwas Besonderes werden. Er wird dann geistlich Gebetsfahnen schwingen, Gebetsposaunen blasen, besondere Befreiungsgebete für wichtig halten und Kurse für xy besuchen. Ohne es zu merken hält er das, was er selbst tut, für eine besonders reife Stufe des Glaubens. • Werde ich von Ausdrucksformen des Glaubens, die mich zu etwas Besonderem machen, angezogen? WARTE AUF DIE ENTTÄUSCHUNG Oberteufel: Auf diesem Weg wird der Klient irgendwann müde. Zeig ihm dann, wie wenig er seinem eigenen Ideal entspricht. Verbinde diese Einsicht mit der vermeintlichen Erkenntnis, an Gott schuldig geworden zu sein. Gute Waffen dabei sind zunehmende Traurigkeit und Gefühle der Wertlosigkeit. Am Ende überhäufst du ihn langsam und immer mehr mit Verzweiflung. • Welche Bedeutung haben Schuldgefühle und Traurigkeiten für meinen Glauben? III BEI DEM BLEIBEN, WAS WAHR IST An den Ausführungen von C. S. Lewis kann man entdecken, welche Bedeutung die schamlose Lüge im Mund des Verführers hat. Jesus hat das so ausgedrückt: „Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen; denn er ist ein Lügner und [ist] der Vater derselben“ (Joh 8,44). • Ist mir klar, dass der Verführer ein Lügner ist? Was von dem, was er mir in meiner Anfechtung zuflüstert, halte ich trotzdem für Wahrheit? Die Verführung des Lügners hat nach unserer Meinung zwei Stossrichtungen, die eng zusammen gehören. Wir haben das in der bisherigen Lektüre der Offenbarung bereits gesehen. Wie könnte es anders sein: Es sind zwei Lügen. Einmal: Der Sieg Jesu steht fest. Aber er ist nicht vollständig. Darum muss er von uns Christen noch ergänzt bzw. vervollständigt werden. Denn: Wer wollte schon behaupten, dass wir nicht Beten und Nächstenliebe üben müssen? — Worin besteht die Lüge? • Glaube ich, dass Jesu Sieg fest steht, aber noch nicht vollständig ist? Die zweite Lüge: Der Satan ist überwunden. Aber nur im Himmel. Jetzt geht es um den Kampf gegen ihn hier auf Erden. Und den haben wir als Christen zu führen. Dieser Kampf ist nicht vorbei, sondern: „Er zieht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welche er verschlinge.“ (1. Petrus 5,10) — Worin besteht die Lüge? • Glaube ich, dass der Böse doch noch nicht ganz überwunden ist? Bin also ich es, der diesen Sieg - natürlich durch den Glauben - erst erringen muss? Zur Frage, was „Kampf“ in diesem Zusammenhang bedeutet, wird es demnächst noch einen eigenen Impuls geben. WIR FASSEN ZUSAMMEN: • Wir bitten IHN um unsere Bewahrung. Reicht uns das? • Unsere Bewahrung ist vorbereitet. Sehe ich das als Bild meiner Situation? Glaube ich das? • Furcht ist ein Einfallstor für Verführbarkeit. Welchen Raum hat die Furcht in meinem Leben? • Auch Sorge ist ein Einfallstor für Verführbarkeit. Welche Rolle spielt die Sorge in meinem Leben? • Was alles hält mich davon ab, mich mit dem Glauben ernsthaft zu beschäftigen bzw. mich auf ihn einzulassen? • Welche zweifelnden Gedanken pflege ich sehr ‚freundlich‘ in mir? • Habe ich einen Hang zu Regeln und Formen des Glaubens, bei denen ich möglichst viel selbst machen und einhalten muss? • Wie wichtig ist mir für meine Liebe zu Gott das, was ich im Glauben für ihn tue? • Werde ich von Ausdrucksformen des Glaubens, die mich zu etwas Besonderem machen, angezogen? • Welche Bedeutung haben Schuldgefühle und Traurigkeiten für meinen Glauben? • Ist mir klar, dass der Verführer ein Lügner ist? Was von dem, was er mir in meiner Anfechtung zuflüstert, halte ich trotzdem für Wahrheit? • Glaube ich, dass Jesu Sieg fest steht, aber noch nicht vollständig ist? • Glaube ich, dass der Böse doch noch nicht ganz überwunden ist? Bin also ich es, der diesen Sieg - natürlich durch den Glauben - erst erringen muss? • Glaube ich Gott, dass von ihm her nichts mehr auf dem Spiel steht? Dienstag, 5. Mai 2020 OFFENBARUNG 13,11-14 – VERFÜHRUNG Wir erinnern uns: Der Drache steht in der antichristlichen Trinität an der Stelle von Gott, dem Vater. Der Drache gibt seine Kraft, seinen Thron und seine grosse Macht dem Tier. Das Tier, das aus dem Meer steigt, ist der Antichrist. Er steht in der antichristlichen Trinität an der Stelle Jesu, das heisst, er gibt sich den Anschein wie Jesus zu sein. Alle, die auf Erden wohnen, beten das Tier an (13,4, 13,8, 13,12). Sie „staunen“ und sind sich einig darüber, dass bei ihm die letzte Autorität liegt. Nun kommt mit Offb 13,11 eine dritte Person hinzu: ein weiteres Tier. Jetzt sind es drei. DER PROPAGANDAMINISTER Von Vers 11 an bis Vers 18 tritt mit dem zweiten Tier eine Art Propagandaminister in Erscheinung. „Ich sah ein anderes Tier aus der Erde herauskommen.“ (Offb 13,11) Das erste Tier kam aus dem Meer. Auch das zweite Tier kommt aus einer Tiefe, diesmal aus der Erde. Sie geben ein Wissen vor, das sie nur behaupten, aber nicht begründen. Wer für Stimmen, die aus der Tiefe zu kommen scheinen, empfänglich ist, wird von ihnen fasziniert sein. Wie wird es beschrieben? Es hatte zwei Hörner gleich einem Lamm. Da ist eine gewollte Ähnlichkeit mit Christus, der das Lamm Gottes ist. Das Böse erscheint in einer Gestalt, die man für „gut“ halten könnte. Ein Lamm ist wehrlos, liebend, stirbt den Opfertod. Seine Stimme aber entlarvt ihn. Die Stimme des zweiten Tiers, des Propagandaministers, ist anders: „Es redete wie ein Drache“ (Offb 13,11). Seine Aufgabe ist es, die Menschen zur Anbetung des ersten Tieres zu verführen. „Alle Macht des ersten Tieres übt es vor seinen Augen aus und bewirkt, dass die Erde, ihre Bewohner das erste Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt wurde.“ Offb 13,12) Sein Erkennungszeichen ist der Zwiespalt zwischen Lamm und Drache, der uns in diesem Bild gezeigt wird. In erster Linie lockt es mit einem Auftreten wie ein Lamm. Grosse Menschenfreundlichkeit erscheint als sein Programm. Wer jedoch Widerstand anmeldet, ja wer bloss Rückfragen stellt, der begegnet nicht mehr dem Lamm. Er begegnet dem Drachen. Gespräche scheinen nicht erwünscht zu sein. Bei diesem Tier gibt es keinen offenen Austausch der Ansichten. Die Meinungen sind gemacht. Es gibt nur die Forderung nach Anbetung. Wer angebetet werden soll, ist von Anfang an deutlich. Bei Christus ist es klar: Gott hat ihn in der Auferstehung aus dem Tod geholt. Darum ist Gott anzubeten. Beim Tier, also dem Anti-Christen, ist es ebenso klar. Es gibt bei ihm keine Auferstehung, nur deren Nachahmung. Aus eigenen Kräften erholt sich das Tier von seiner Verwundung. Entscheidend ist nicht der bedürftige Mensch, der auf Gott angewiesen ist. Entscheidend ist der Mensch, der sich in der Krise selbst zu helfen weiss. ANBETEN KANN MAN NUR EINEN Anbeten heisst, Gott und Jesus – oder eben dem Drachen und dem Tier – unbedingt recht zu geben. Wer anbetet, ordnet sich unter, erwartet von Gott – oder dem Drachen – das letzte Wort. Martin Luther sagt, dass das, was ich anbete, mein Gott ist. Wenn die Bewohner der Erde dazu verleitet werden, das Tier anzubeten, dann wird hier das erste Gebot angegriffen. Es heisst: „Ich bin Jahwe, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ (2. Mose 20,3) Martin Luther übersetzt uns das erste Gebot im Kleinen Katechismus so: „Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen.» Verführt werden heisst, dass die Bewohner der Erde ihr Vertrauen dem Tier zuwenden, ihre Liebe dem Tier zuwenden, ihre Furcht auf das Tier hin ausrichten. Die Verführung geht weiter. Die Bewohner der Erde werden verleitet, auch gegen das zweite Gebot zu verstossen. Gott sagt seinem Volk am Sinai: „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!“ 2. Mose 20,4-5a Der antichristliche Propagandaminister, «sagt denen, die auf Erden wohnen, dass sie ein Bild machen sollen dem Tier, das die Wunde vom Schwert hatte und lebendig geworden war.» (Offb 13,14) Was es mit dem «Bild» auf sich hat, dem werden wir im nächsten Impuls nachgehen. FÜRS GESPRÄCH (1) Woher kennen wir das? Menschen, Gruppen, Parteien, Medien, möglicherweise auch Stimmen aus unseren Kirchen usw. begegnen uns als „Lamm“. Sie beeindrucken uns, imponieren uns durch ihre weitherzige Menschlichkeit. Dahinter ahnen, hören und erfahren wir den „Drachen“. (2) Wem gilt meine Liebe? Auf wen setze ich mein Vertrauen? Wen fürchte ich? Das scheint erst einmal eine theoretische Frage zu sein. Sie wird dann konkret, wenn ich einen Entscheid zu treffen habe. Spielen dann meine Liebe, mein Vertrauen und meine Gottesfurcht eine Rolle? Oder stelle ich sie zugunsten von anderen Argumenten hintenan? (3) Wann habe ich das letzte Mal einen Entscheid getroffen, bei dem meine Liebe und mein Vertrauen und meine Gottesfurcht den Ausschlag gegeben haben? (2) Verführt zu werden heisst, dass die Bewohner der Erde ihr Vertrauen, ihre Liebe, ihre Furcht dem Tier zuwenden. Jetzt könnte man sagen: Immerhin lieben sie, immerhin vertrauen sie. Ist das nicht auch etwas Gutes? Was denken wir? Was antworten wir? Montag, 4. Mai 2020 OFFENBARUNG 13,6-10 DER KAMPF GEGEN DIE GEMEINDE Die Geburt des Messias – mit der Gott die Erneuerung seiner Schöpfung begonnen hat – zieht eine Reaktion nach sich. Wir bekommen in Bildsprache darüber Bescheid. Das Böse, obwohl besiegt, kann nicht aufgeben. Wie sieht das aus, wenn einer, der besiegt ist, nicht aufgeben und nicht aufhören kann? DER KAMPF GEGEN DIE HEILIGEN „Es tat sein Maul auf zur Lästerung gegen Gott, zu lästern seinen Namen und sein Zelt und die im Himmel wohnen. Und ihm wurde Macht gegeben, zu kämpfen mit den Heiligen und sie zu überwinden.“ (Offb 13,6-7a) Das Tier sieht in Gott seinen Widersacher. Gottes Macht stört ihn und verdunkelt ihm seine Grösse. Weil das Tier nicht beten kann und weil es auch nicht schweigen kann, darum muss es lästern. Es beschimpft und bekämpft alles, was an Gott erinnert, der im Himmel regiert. Jesus hat das seinen Jüngern deutlich angekündigt. „Der Knecht ist nicht grösser als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen, haben sie mein Wort gehalten, so werden sie eures auch halten.“ (Joh 15,20) Auf die lästernden Worte des Herrschers hin erfolgt kein Eingreifen Gottes. Gott zeigt seine Herrlichkeit nicht. Vielmehr sieht es so aus, als ob Gott entthront und als ob sein Werk unter den Menschen vernichtet sei. ES IST NICHT AUS DEM RUDER GELAUFEN Man könnte meinen, dass mit der Niederlage der Gemeinde für Gott alles aus dem Ruder gelaufen ist. Das aber ist nicht so. Die sieben Gemeinden – und auch wir heute – sollen wissen, dass es von Anfang an so aufgeschrieben ist. Der Leidensweg der Gemeinde ist im Buch mit den sieben Siegeln beschlossen. Es ist wie vorgezeichnet: Der Prophet Daniel hatte gesehen, dass das Tier „den Höchsten lästern und die Heiligen des Höchsten vernichten (wird). ... Danach wird das Gericht gehalten werden, dann wird ihm seine Macht genommen und ganz und gar vernichtet werden.“ (Daniel 7,25-26) Wenn sich das Tier gegen die Heiligen wendet, dann nur, weil ihm Macht dafür gegeben wurde. „Es wurde ihm Macht gegeben zu kämpfen mit den Heiligen“ (V.7). Wir können das mittlerweile übersetzen. Wieder ist es Gott, von dem selbst derjenige, der ihn bekämpft, Macht, Auftrag, und Grenze zugewiesen bekommt. DURCH IHR LEIDEN BEZEUGT DIE GEMEINDE DEN SIEG GOTTES Wenn die Gemeinde unterliegt, dann ist das keine Schwäche Gottes. Es ist auch keine Schwäche der Gemeinde. Durch ihr Leiden bezeugt die Gemeinde den Sieg Gottes. Die Gemeinde hält an Gott fest, denn er ist es, der „tötet und wieder lebendig macht“ (1. Samuel 2,6). Das ist allein Gottes Möglichkeit. Genau darin unterscheidet sich Gott von den Göttern bzw. von denen, die behaupten, Gott zu sein (5. Mose 32,39): „Sehet nun, dass ich, ich es bin und kein Gott neben mir ist. Ich bin‘s, der tötet und der lebendig macht.“ Man kann und sollte wohl übersetzen: „Ich bin‘s, der tötet und der so (auf diese Weise) lebendig macht.“ Dasselbe hatte Jesus seinen Jüngern gesagt. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein. Wenn es aber stirbt bringt es viel Frucht.“ (Joh 12,24; vgl. 12,25; Mt 10,39; 16,25 und die Parallelen bei Mk und Lk: das sechs Mal und damit am häufigsten zitierte Wort Jesu im Neuen Testament) DIE GEMEINDE JESU BETET NICHT MIT AN Dass die Heiligen unterliegen (Offb 13,7), tastet ihre Zugehörigkeit zu Gott nicht an. Sie sind und bleiben ins „Buch des Lebens“ geschrieben – auch als solche, die unterliegen. In Offb 13,8-10 wird nichts von einem Kämpfen der Gemeinde erzählt. Worum sollen sie auch kämpfen? Ihr Part besteht darin, dass sie das Tier nicht anbeten und sich nicht von seinen Werken täuschen lassen. Sie beten Gott an. Das ist ein politischer Akt: Gott recht zu geben und nicht einer bestimmten Herrschaftsgestalt, die eben auch unbedingte Anbetung fordert. Keiner von denen, die Jesus angehören, wird dem Widersacher Gottes untertan. Der Widersacher kann diejenigen, die Gott gehören, nicht von Jesus trennen. Das haben wir bereits in Römer 8,39 gehört: „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ SICH NICHT VOM ERFOLG DES WIDERSACHERS TÄUSCHEN LASSEN Der Weg, den die Gemeinde gehen muss, ist gleichzeitig anspruchsvoll und einfach: Sie muss es aushalten, alleine dazustehen. Denn es ist der ganze Erdkreis, der das Tier und sein Wirken auf Erden anbetet (Offb 13,4). Das Tier löst Staunen aus und hat Erfolg. Für die Gemeinde heisst das, dass sie sich auch dann nicht beugen darf, wenn Einfluss und Erfolg bei denen, die sie anfeinden, zu finden ist. Die Versuchung liegt nahe, die schon Karl Barth für die christliche Gemeinde im Nationalsozialismus formuliert hat: Lässt sich nicht doch ein Ausweg finden, nicht doch ein Friede schliessen, nicht doch die Anbetung des Tieres mit der Anbetung Jesu vereinen? So wie Karl Barth es getan hat, so antwortet auch die Offenbarung mit einem „Nein“. Es gibt keinen Kompromiss. DIE GEMEINDE KANN UND MUSS SICH VORBEREITEN Die folgenden Anregungen habe ich von Adolf Schlatter (Briefe und Offenbarung des Johannes, 1928). Schlatter fragt, wie sich die Gemeinde jetzt schon vorbereiten kann. Die Gemeinde soll auf die Weissagung hören und soll um die kommende Auseinandersetzung wissen. „Sie rüstet sich dadurch, dass sie keine glänzenden Hoffnungen an ihre Arbeit heftet, nicht von Erfolgen träumt, durch die sie selbst die Welt zu gewinnen und zu Jesus zu führen vermöchte, und kein Zeitalter des Friedens und des Glücks für sich erwartet, das jetzt mit dem Evangelium anbrechen müsse, sondern sich die Tiefe des Gegensatzes deutlich macht, der sie von dem trennt, was die Menschheit schätzt, begehrt und schafft. (Schlatter 257f). Die Verteidigung der Gemeinde besteht darin, dass sie an dem, was Gott getan hat, festhält. Jesus hat die Aufgabe seiner Jünger damit beschrieben, dass sie wie Lämmer mitten unter den Wölfen leben. „Das Mittel mit dem sich die Christenheit zu verteidigen hat und mit dem sie auch den Sieg gewinnen wird, ist einzig die zum Leiden entschlossene Standhaftigkeit und der Glaube, der weiss, was Gott ist und wozu er uns den Christus gesandt hat.“ (Schlatter 258) FÜRS GESPRÄCH Christinnen und Christen werden getötet oder ins Gefängnis geworfen. Bauanträge für Kirchen werden nicht genehmigt, die Gemeinden dürfen sich nicht versammeln usw. Wenn das Leiden ein Weg ist, den die Evangelien und die Offenbarung vorzeichnen, warum interessiert er viele westliche Christen so wenig? Warum tun sich unsere Kirchen so schwer damit, das Schicksal der verfolgten Schwestern und Brüder überhaupt wahrzunehmen? Gehen wir davon aus, dass die verfolgten Gemeinden etwas „falsch machen“, während wir im Westen der Nordhalbkugel es „richtig“ machen? Sonntag, 3. Mai 2020 OFFENBARUNG 13,1-5 DIE ECHTE TRINITÄT UND DIE NACHAHMUNG DER TRINITÄT Wir erinnern uns an Kapitel 12: Der Drache wurde aus dem Himmel geworfen – er ist besiegt, er hat keine Mitsprache an Gottes Herrschaft. Er wurde auf die Erde geworfen und verfolgt die „Frau“. Wir haben sie als Maria bzw. Israel bzw. als die Gemeinde verstanden. „Der Drache wurde zornig über die Frau und ging hin zu kämpfen gegen die Übrigen von ihrem Geschlecht, die Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu.“ (Offb 12,18) Bitte denkt daran: Die Gemeinde wird angefeindet, sie wird bedroht. Der Kampf aber ist bereits entschieden. Falls wir gegen etwas zu kämpfen haben, dann gegen die Lüge und nicht gegen Mächte. Sobald wir meinen, wir hätten gegen Mächte zu kämpfen, geben wir dem Bösen Macht. Denn wenn mir das Böse vormacht, dass es mächtig ist und ich reagiere darauf, dann behandle ich die Lüge als Wirklichkeit. Das aber macht etwas mit mir: Es verstrickt mich in Lügen – und nimmt mir die Freiheit und den Trost der Gotteskindschaft. GOTT IST VATER, SOHN UND HEILIGER GEIST Man kann Kapitel 13 nur verstehen, wenn man weiss, wovon Johannes ausgeht: Gott ist einer und besteht in drei Personen, im Vater, im Sohn, im Heiligen Geist. Das ist das Bild, das Johannes und das ganze Neue Testament von Gott hat. Gott, der Vater ist derjenige, dem die gesamte Macht gehört. Der Sohn ist derjenige, der den Willen des Vaters sucht und ihn zu unserer Rettung ausführt. Der Geist ist derjenige, der die beiden mit seiner Kraft unterstützt. Im Johannesevangelium sagt Jesus, der Geist Gottes wird euch unterweisen, er wird euch lehren, er wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe (Joh 14,26). Der Geist Gottes hat mit Kommunikation zu tun. DAS BÖSE AHMT DIE TRINITÄT NACH Der Vater hat also die Macht, der Sohn die rettende Tätigkeit und der Geist die Kommunikation. In Kapitel 13 wird beschrieben, dass das Böse eben diese Struktur übernimmt und nachahmt. Auch das Böse ist nicht einfach gestrickt. Auch das Böse hat ein Zentrum der Macht, das ist der Drache, der Satan, der Teufel usw. Das Böse hat ein Zentrum der Tätigkeit, das ist das erste Tier (Offb 13,1) In anderen Schriften des Neuen Testaments heisst dieses Tier auch Antichrist. Das Böse hat zudem ein „Ministerium für Propaganda“, das ist das zweite Tier, das erst in Offb 13,11 auftaucht. Von dieser Einsicht her – dass das Böse die Trinität Gottes nachahmt – kann man Kapitel 13 verstehen. DAS ERSTE TIER IST EIN HERRSCHAFTSSYSTEM „Ich trat auf den Sand des Meeres und ich sah aus dem Meer ein Tier heraufkommen Das Tier, das ich sah, war ähnlich einem Panther, seine Füsse wie ein Bär, sein Rachen wie der Rachen eines Löwen.“(Offb 12,18-13,2) Ihr merkt, das sind keine Gedanken, die beschrieben sind, das sind wieder Bilder. Man muss fragen: Was sehe ich? Was ist ein Panther? Was ist ein Bär? Was der Rache eines Löwen? Was meint das? Schnelligkeit, Kraft, Raubtierhaftigkeit usw. Ihr müsste selbst hinschauen, was euch in dieser Bildsprache entgegenkommt. Das Tier, das aus dem Meer herauskommt, ist Teil der antichristlichen Trinität. Es beansprucht den Platz des „Sohnes“. Es wirkt an Stelle des Sohnes. Das Tier hat zehn Hörner, sieben Köpfe, zehn Kronen und gotteslästerliche Namen. Diese Bilder begegnen uns bereits beim Propheten Daniel. Mit Köpfen, Hörnern usw. sind Königreiche und Herrscher gemeint (z.B. Daniel 7,24-26). Für jüdische Hörerinnen und Hörer zur Zeit des Johannes war klar: Im Bild eines schrecklichen Tieres mit Hörnern, Köpfen, Kronen sind nicht zuerst Einzelpersonen gemeint. Es sind politische Mächte, die mit einem quasireligiösen Anspruch auftreten, die Verehrung einfordern. In der Verdichtung und Zuspitzung können es dann auch Einzelpersonen sein, die absoluten Gehorsam und Verehrung beanspruchen. Ein Beispiel: Sehr früh erkannte man im römischen Kaiser (Nero bzw. Nero redivivus), der jedoch immer auch für das Gesamte des römischen Weltreiches steht, antichristliche Züge. Die Einzelperson und das System, das sie in ihrer Machtfülle trägt, sind nicht voneinander zu trennen. DAS ERSTE TIER IST EINE NACHAHMUNG CHRISTI Das erste Tier kann also sowohl eine politische Macht sein als auch eine geschichtliche Person, in der diese Macht ihre Zuspitzung findet. In den anderen Schriften des Neuen Testaments wird das Tier auch Antichrist genannt. Ein Antichrist ist der- oder dasjenige, was sich an die Stelle des Christus setzt. Es tritt dem Christus nicht offen gegenüber. Vielmehr ahmt es den Christus nach. Im griechischen ist „anti“ mit „anstelle von“ zu übersetzen. Vielleicht erinnert ihr euch, dass „anti“ im Lateinischen „gegen“ heisst, aber wir sind im griechischen Sprachraum! Die Herrschaft des Tieres will „an die Stelle“ des Sohnes Gottes und seiner Rettungstat treten. Es will Gottes Herrschaft durch seine eigene Herrschaft ersetzen. Das erste Tier bekommt vom Drachen seinen Thron und grosse Macht. (Vers 2) Und nun ahmt das Tier sogar die Passion Jesu nach: „Ich sah einen seiner Köpfe wie zu Tode getroffen. Und seine Todeswunde wurde geheilt.“ Offb 13,3 Das Böse versucht in seinem Handeln das Geheimnis des Todes Jesu nachzuahmen. Ganz kann es das nicht. Was es kann, ist Verwunden und Heilen. Was er nicht kann – was nur Gott selbst kann – ist Töten und wieder lebendig machen. Diese Nachahmung Christi macht auf der Erde grossen Eindruck. Sie löst Verwunderung aus. Dass es so etwas gibt! „Die ganze Erde wunderte sich über das Tier, und sie beteten den Drachen an.“ (Offb 13,4) Jesus warnt bereits in den Evangelien davor, dass „falsche Christusse“ kommen werden. „Wenn jemand zu euch sagen wird: Siehe, hier ist der Christus!, oder: Da!, so sollt ihr es nicht glauben. Denn es werden falsche Christusse und falsche Propheten aufstehen und grosse Zeichen und Wunder tun, so dass sie, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführten. Siehe, ich habe es euch vorausgesagt“ (Matthäus 24,23-25) WIEDERUM: MACHT, AUFTRAG UND GRENZE SIND GESETZT Der Drache ist der Satan, der dem Tier, bzw. dem Antichrist, die Macht gegeben hatte. „Sie beteten das Tier an und sagten: Wer ist dem Tier gleich? Wer vermag mit ihm Krieg zu führen? Es wurde ihm ein Maul gegeben, zu reden grosse Dinge und Lästerungen. Und es wurde ihm Macht gegeben, es zu tun zweiundvierzig Monate lang“ (Offb 13,4b-5) Das ist eine Formulierung, die wir bereits kennen: "Es wurde ihm ... gegeben“. Was heisst das? Im hebräischen Sprachdenken heisst das, dass Gott ihm Macht gegeben hat. Das Böse hat die Macht nicht von sich aus, sondern die Macht wird ihm gegeben. Wenn dem Bösen Macht gegeben wird, sind es immer drei Dinge: Es wird ihm Macht gegeben. Es wird ihm ein Auftrag gegeben. Und es wird ihm eine Grenze gesetzt. Diese drei Dinge. Das Tier kann mit seiner Macht also nicht anfangen, was es will. Sondern diese Macht ist – und das verheimlicht das Böse nach aussen hin – ein Auftrag, den es erfüllen muss. Den muss es von Gott her erfüllen. Es hat den Auftrag, dass seine Bosheit sich auswächst und ans Licht kommt. Denn das Böse muss vollständig in Erscheinung treten. Auch das haben wir bereits gelesen. In Mt 13,24-30 heisst es, dass Weizen und Unkraut miteinander wachsen müssen – bis zur Ernte. Dem Wirken des Bösen ist eine zeitliche Grenze gesetzt. „Es wurde ihm Macht gegeben, es zu tun zweiundvierzig Monate lang.“ (Offb 13,5b) Wir haben von dieser Zeitspanne bereits mehrfach gehört: Es sind 1.260 Tage, in denen die Frau – das ist die Gemeinde – in der Wüste ist und von Gott ernährt wird. FÜRS GESPRÄCH ● Kann ich über die Trinität Gottes staunen? Darüber, dass Gott ein Zentrum der Macht ist, ein Zentrum rettenden Handelns, ein Zentrum der Kommunikation? ● Wo überall tritt politische Herrschaft mit dem Anspruch auf, absolut zu sein und verehrt werden zu müssen? ● Kann ich mir vorstellen, dass eine politische Macht den Messias nachahmt? Dass sie dem Christus zum Verwechseln ähnlich sieht? Freitag, 1. Mai 2020 Ulrike und Wolfgang schreiben: Der nächste Impuls erwartet euch am Sonntag, dem 3. Mai. Ihr merkt selbst, dass es bei manchen Impulsen nicht nur um Wissen, sondern um die Aneignung einer Wirklichkeit geht. Vielleicht wollt ihr vor dem nächsten Impuls (Offb 13) nochmals Offb 12,10-11 bzw. die Gerichtsszene bei Paulus in Römer 8 betrachten? Mit dieser Zusage einen Spaziergang machen oder sie auf andere Weise innerlich "anschauen"? Es ist gut, in die Freude darüber hinein zu kommen, dass wir "überwunden haben durch des Lammes Blut". Donnerstag, 30. April 2020 Im Impuls für heute laden wir ein zu lesen, was Paulus im Brief an die Römer, Kapitel 8,31-39 schreibt. Es ist eine seelsorgerliche Vertiefung dessen, was wir gestern bei Johannes gelesen haben. OFFENBARUNG 12,10 – KEINER DA, DER DICH VERKLAGT Wir haben im letzten Impuls gehört: „Hinabgeworfen wurde der Ankläger unserer Brüder, der sie vor unserem Gott Tag und Nacht verklagt.“ (Offb 12,10) Täuschen wir uns, dass es sich bei diesem Bild um eines der wirkmächtigsten Bilder in unserer Psyche handelt? Vor Gott steht ein Ankläger, der unsere Taten kennt, der unsere Motive durchschaut und ebenso alles, was wir unterlassen haben und unterlassen, beim Namen nennt: lückenlos und unbestechlich. Was uns hier im Bild des Anklägers vor Gott gezeigt wird, ist gleichzeitig unsere innere Stimme. Wir selbst sind es, die uns anklagen, die alles bemerken und uns vorhalten. Die Schilderung der Offenbarung ist eine Zusicherung: Dieser Verkläger hat seinen Platz verloren. Es gibt vor Gott keinen Ankläger mehr, weder für uns noch für „unsere Brüder und Schwestern.“ Wenn wir das lesen und hören, dann ist das zwar ein guter Gedanke. Aber: Auch gute Gedanken haben nicht die Kraft, tief sitzende innere Bilder zu entmachten. Aus Gedanken müssen Bilder werden. Im Grund handelt es sich in unserem Vers ja um ein Bild. Wir schlagen vor, dieses Bild lange und von verschiedenen Seiten her zu betrachten, sodass es in unserem Inneren zu wohnen beginnt. EIN GERICHTSVERFAHREN IN DER ANTIKE Eine Hilfe für unsere Betrachtung kann uns ein Abschnitt im Römerbrief werden. Paulus schreibt an die Gemeinde, also an Menschen, die an Christus glauben. Paulus schildert eine Szene in einem Gerichtsverfahren (Römer 8,31-39). Es ist einfach, sich das vorzustellen: Im Zentrum steht der Richter, der die Verhandlung führt und das abschliessende Urteil fällen wird. Zur Linken steht der Hauptzeuge der Anklage. Er ist der Ankläger. Zu seiner Rechten steht der Zeuge der Verteidigung. Er ist der Verteidiger. Dem Richter gegenüber steht der Beschuldigte. Da in einem solchen Gerichtsverfahren (nach jüdischem Recht) nur die Aussagen von Zeugen gelten, kann sich der Beschuldigte weder selbst anklagen noch selbst entlasten. Es zählt allein das Wort der Zeugen. DER PLATZ DES ANKLÄGERS BLEIBT LEER Es ist gut, wenn wir uns jetzt diese Szene genau vorstellen. Gerichtsverfahren waren öffentlich. Darum wusste jeder über den Ablauf Bescheid. Jede und jeder wusste: Das Verfahren beginnt mit den Aussagen des bzw. der Anklagezeugen. Wir stellen es uns also vor: Da steht Gott als der Richter vor uns. Wir stehen vor ihm. Gott eröffnet das Verfahren. Am Ende wird er das Urteil sprechen. Aufgerufen ist jetzt also der Zeuge der Anklage … … Doch nun: An der Stelle, an der bisher immer der Ankläger stand, steht niemand mehr. Kein Wort. Nur Schweigen. … Wo es keinen Ankläger gibt, gibt es auch kein Wort der Anklage mehr. Nochmals: Es ist gut, sich diese Szene genau vorzustellen, sie in sein Inneres aufzunehmen. Genau vier Plätze sind eingerichtet: der des Richters, des Angeklagten, des Anklägers und des Verteidigers. Der eine Platz aber ist und bleibt leer. Der Ankläger hat sich nicht verspätet. Er ist auch nicht aus irgendeinem Grund momentan verhindert. Laut und deutlich wird es gesagt: „Der Ankläger ist hinausgeworfen worden.“ Er wird nicht mehr wiederkommen. Seine Stimme wird nicht mehr zu hören sein. Wir ermutigen dazu, sich diese Szene vor das innere Auge zu stellen. Wie die vier Plätze im Rechtsverfahren besetzt sind, ist von Anfang an klar. Gott: der Richter. Ich: der bzw. die Angeklagte. Der Drache: der Ankläger. Jesus Christus: der Verteidiger. Alle vier Plätze sind vorhanden. Aber nur drei sind besetzt. WORTWECHSEL IM PROZESS Wir schauen jetzt aufmerksam zu. Nun beginnt tatsächlich das Gerichtsverfahren. Was jetzt vor sich geht, das beschreibt Paulus im Römerbrief (Kapitel 8) Er fragt: „Was wollen wir nun hierzu sagen?“ (Vers 31) • Der Blick geht hin zum Richter. Über den Richter heisst es: „Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahin gegeben — wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Vers 31f) • Nun geht der Blick zum Platz des Anklägers. Über den Ankläger heisst es: „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. (Vers 33) Wer will verdammen?“ (Vers 34) Wer also? Es ist niemand da. • Nun wendet sich der Blick zu Jesus, der unser Zeuge der Verteidigung ist. Über Jesus heisst es: „Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt.“ (Vers 34) Nun haben wir als Beklagte das Recht auf ein abschliessendes Wort. Was haben wir daraus zu lernen? Paulus legt uns folgende kleine Rede in den Mund: „Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blösse oder Gefahr oder Schwert? (Vers 35) … Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ (Vers 38f) Das Schlusswort des aussenstehenden Beobachters: Das reicht doch – für Zeit und Ewigkeit. Mittwoch, 29. April 2020 OFFENBARUNG 12, 7-12 – DER KAMPF IM HIMMEL Wir hatten am Anfang behauptet, dass die Offenbarung ein Trostbuch für die angefochtene Gemeinde ist. An einem Abschnitt wie diesem, der zum Herzstück des ganzen Buches gehört, wird nun deutlich, wie dieser Trost gemeint ist und auch welchen Grund er hat. Trost ist kein sanftes, begütigendes Zureden. Trost ist ein Reden, das einen Grund hat und auf ihn verweisen kann. Das angefochtene Herz kann wirklich und begründet froh werden. Wir haben gehört, dass der Drache nicht an den Messias heran kommt – dieser wird „entrückt“, wörtlich: „hinweggegriffen“ zu Gott und zu seinem Thron (Offb 12,5). Der Drache kann auch die Frau nicht erreichen. Sie flieht an einen Ort, den Gott ihr zuvor bereitet hat. ES ENTBRANNTE EIN KAMPF IM HIMMEL „Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und er vermochte nicht standzuhalten, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel.“ (Offb 12,7-8) Im Himmel setzt ein Kampf ein. Der Drache, das ist der Satan, also die Hauptspitze des Bösen. Wer kämpft mit dem Satan? Die Engel. Wer kämpft nicht mit dem Satan? Weder Gott noch Jesus. Das ist wichtig: Es gibt keine Gleichwertigkeit. Gott hat einen Gegenspieler, aber er hat keinen gleichwertigen Gegenspieler. Gott muss nicht in den Kampf ziehen. Nicht Gott und der Satan kämpfen miteinander, so dass man lange zuschauen und bangen müsste, ob der eine stärker ist oder der andere. Nein, es ist ein anderes Bild, das uns gezeigt wird. Es „reicht aus“, dass Michael und seine Engel kämpfen. Und auch für sie ist der Kampf schnell entschieden. Wir hören schon im folgenden Satz, wie der Kampf ausgegangen ist: „Und der Drache führte Krieg und seine Engel, und er vermochte nicht standzuhalten.“ (Offb 12,7f) DER SATAN WURDE AUS DEM HIMMEL GEWORFEN Jetzt kommt erneut etwas Wichtiges für die Apokalyptik: „Eine Stätte für sie war im Himmel nicht mehr zu finden.“ (Offb 12,8). Der Satan hatte bis zu diesem Moment noch einen Ort im Himmel. Das ist jetzt nicht mehr so. „Und geworfen wurde der grosse Drache“ – jetzt kommen die anderen Bezeichnungen – „die alte Schlange, genannt der Teufel und der Satan, der den ganzen Erdkreis verführt, geworfen wurde er auf die Erde und seine Engel wurden mit ihm geworfen.“ (Offb 12,9) Auffallend sind die verschiedenen Bezeichnungen für den Satan. Keiner soll denken, dass der Böse in irgendeiner Gestalt noch etwas zu sagen hätte, bzw. standhalten könnte. Wenn ich also in einen anderen Kulturraum gehe, in dem Satan einen anderen Namen hat, dann ist er auch „dort“ aus dem Himmel geworfen. Er wurde besiegt und aus dem Himmel geworfen – wie immer man ihn nennen oder auf welche Weise man ihn erfahren mag. Auch die Evangelien erzählen davon, dass mit dem Wirken Jesu der Satan seinen Platz verliert. In Lukas 10 heisst es bei der Rückkehr der Zwölf zu Jesus: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.“ (Lk 10,18) Und Johannes 12 ebenso: „Jetzt geht das Gericht über die Welt, jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden.“ (Joh 12,31) IM HIMMEL BRICHT JUBEL LOS Der Entscheid und der Sieg sind endgültig. Das Heil, die Kraft und die Herrschaft gehören Gott und seinem Christus (Gesalbten, Messias). Dieser Entscheid ist endgültig und wird nie mehr in Frage stehen. Davon hörten wir bereits in Offb 11,15-18. Nun wird noch einmal klar, was hinter diesem Jubel steht. „Und ich hörte eine grosse Stimme, die sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus; denn der Verkläger unserer Brüder und Schwestern ist gestürzt, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserm Gott. Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt bis hin zum Tod. Darum freut euch, ihr Himmel und die darin wohnen!“ (Offb 12,10-12) Woran wird das für die Gemeinde erfahrbar, dass der Satan aus dem Himmel geworfen wurde? Sie haben keinen mehr, der sie vor Gott anklagen würde. Denn es hat uns jemand angeklagt „Tag und Nacht vor unserem Gott“. Satan ist der, der ständig vor Gott daran erinnert, dass es nicht reicht, wer wir sind und was wir tun. Dieser Verkläger wurde gestürzt. „Sie haben überwunden durch des Lammes Blut“. DER SATAN IST AUF DIE ERDE GEWORFEN Der Entscheid steht endgültig fest. An dem gibt es nichts zu rütteln. Das heisst nicht, dass die Feindschaft vorbei ist. Sie setzt sich fort. Der Drache beginnt, die Frau (Israel, die Gemeinde) zu verfolgen. In unserem Denken meinen wir, wenn die Feindschaft noch nicht vorbei ist – und jetzt Verfolgung auf der Erde einsetzt – dann sei der Entscheid auch noch nicht getroffen worden. Doch, der Entscheid ist getroffen. „Darum freut euch, ihr Himmel, und die ihr darin wohnt. Wehe aber der Erde und dem Meer! Denn der Teufel kam zu euch hinab und hat einen grossen Zorn und weiss, dass er wenig Zeit hat. Und als der Drache sah, dass er auf die Erde geworfen war, verfolgte er die Frau“. (Offb 12,12-13) Der Teufel hat nicht viel Freiraum. Auf der Erde ist ihm eine Frist gegeben. Ihm sind Grenzen gesetzt. Wir hatten das bereits besprochen. Das Böse muss sich auswachsen – und in seiner eigentlichen Gestalt sichtbar werden. So wie auch die Gemeinde und alles, was gut ist, zu ihrer reifen Gestalt finden soll. Der Teufel kann die von Gott gesetzten Grenzen nicht überschreiten. Diese Grenzen sind gesetzt. Die muss die betende Gemeinde nicht setzen oder gar betend erkämpfen. Sie lebt in der Ruhe und der Zuversicht, dass es „keinen Verkläger der Schwestern und Brüder“ mehr gibt. FRAGEN FÜR DAS GESPRÄCH (1) Vielleicht hat mancher von euch Romane gelesen, in denen „Gottes Engel“ gegen „die Engelheere des Satans“ kämpfen (zum Beispiel: Frank Peretti, Die Finsternis dieser Welt, 1986). Die guten Engel haben immer dann die Oberhand, wenn die christliche Gemeinde – die im Mittelpunkt dieser fiktiven Erzählungen steht – ausdauernd und stark genug betet. Die guten Engel schwächeln, sobald die Gemeinde nicht mehr bei der Sache ist. Die Kämpfe zwischen den Engelheeren sind nicht entschieden, es ist ein ständiges Hin und Her. In Offenbarung 12 lesen wir, dass der Kampf ein für alle Mal stattgefunden hat. Er liegt hinter uns. Frage an uns: Trage ich die Vermutung in mir, es sei doch noch nicht entschieden? Müssen wir als Gemeinde Gott in diesem Kampf doch noch unterstützen? (2) Der Satan kann die „Brüder“, das sind im biblischen Verständnis auch die Schwestern, nicht mehr verklagen. Er hat vor Gott uns gegenüber nichts in der Hand, was gegen die Heiligen sprechen kann. Denn: Er hat seinen Platz als Ankläger endgültig verloren. Fühle ich mich trotzdem vor Gott verklagt? Woher kommt das? OFFENBARUNG 12, 7-12 – DER KAMPF IM HIMMEL Wir hatten am Anfang behauptet, dass die Offenbarung ein Trostbuch für die angefochtene Gemeinde ist. An einem Abschnitt wie diesem, der zum Herzstück des ganzen Buches gehört, wird nun deutlich, wie dieser Trost gemeint ist und auch welchen Grund er hat. Trost ist kein sanftes, begütigendes Zureden. Trost ist ein Reden, das einen Grund hat und auf ihn verweisen kann. Das angefochtene Herz kann wirklich und begründet froh werden. Wir haben gehört, dass der Drache nicht an den Messias heran kommt – dieser wird „entrückt“, wörtlich: „hinweggegriffen“ zu Gott und zu seinem Thron (Offb 12,5). Der Drache kann auch die Frau nicht erreichen. Sie flieht an einen Ort, den Gott ihr zuvor bereitet hat. ES ENTBRANNTE EIN KAMPF IM HIMMEL „Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und er vermochte nicht standzuhalten, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel.“ (Offb 12,7-8) Im Himmel setzt ein Kampf ein. Der Drache, das ist der Satan, also die Hauptspitze des Bösen. Wer kämpft mit dem Satan? Die Engel. Wer kämpft nicht mit dem Satan? Weder Gott noch Jesus. Das ist wichtig: Es gibt keine Gleichwertigkeit. Gott hat einen Gegenspieler, aber er hat keinen gleichwertigen Gegenspieler. Gott muss nicht in den Kampf ziehen. Nicht Gott und der Satan kämpfen miteinander, so dass man lange zuschauen und bangen müsste, ob der eine stärker ist oder der andere. Nein, es ist ein anderes Bild, das uns gezeigt wird. Es „reicht aus“, dass Michael und seine Engel kämpfen. Und auch für sie ist der Kampf schnell entschieden. Wir hören schon im folgenden Satz, wie der Kampf ausgegangen ist: „Und der Drache führte Krieg und seine Engel, und er vermochte nicht standzuhalten.“ (Offb 12,7f) DER SATAN WURDE AUS DEM HIMMEL GEWORFEN Jetzt kommt erneut etwas Wichtiges für die Apokalyptik: „Eine Stätte für sie war im Himmel nicht mehr zu finden.“ (Offb 12,8). Der Satan hatte bis zu diesem Moment noch einen Ort im Himmel. Das ist jetzt nicht mehr so. „Und geworfen wurde der grosse Drache“ – jetzt kommen die anderen Bezeichnungen – „die alte Schlange, genannt der Teufel und der Satan, der den ganzen Erdkreis verführt, geworfen wurde er auf die Erde und seine Engel wurden mit ihm geworfen.“ (Offb 12,9) Auffallend sind die verschiedenen Bezeichnungen für den Satan. Keiner soll denken, dass der Böse in irgendeiner Gestalt noch etwas zu sagen hätte, bzw. standhalten könnte. Wenn ich also in einen anderen Kulturraum gehe, in dem Satan einen anderen Namen hat, dann ist er auch „dort“ aus dem Himmel geworfen. Er wurde besiegt und aus dem Himmel geworfen – wie immer man ihn nennen oder auf welche Weise man ihn erfahren mag. Auch die Evangelien erzählen davon, dass mit dem Wirken Jesu der Satan seinen Platz verliert. In Lukas 10 heisst es bei der Rückkehr der Zwölf zu Jesus: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.“ (Lk 10,18) Und Johannes 12 ebenso: „Jetzt geht das Gericht über die Welt, jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden.“ (Joh 12,31) IM HIMMEL BRICHT JUBEL LOS Der Entscheid und der Sieg sind endgültig. Das Heil, die Kraft und die Herrschaft gehören Gott und seinem Christus (Gesalbten, Messias). Dieser Entscheid ist endgültig und wird nie mehr in Frage stehen. Davon hörten wir bereits in Offb 11,15-18. Nun wird noch einmal klar, was hinter diesem Jubel steht. „Und ich hörte eine grosse Stimme, die sprach im Himmel: Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich unseres Gottes geworden und die Macht seines Christus; denn der Verkläger unserer Brüder und Schwestern ist gestürzt, der sie verklagte Tag und Nacht vor unserm Gott. Und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses und haben ihr Leben nicht geliebt bis hin zum Tod. Darum freut euch, ihr Himmel und die darin wohnen!“ (Offb 12,10-12) Woran wird das für die Gemeinde erfahrbar, dass der Satan aus dem Himmel geworfen wurde? Sie haben keinen mehr, der sie vor Gott anklagen würde. Denn es hat uns jemand angeklagt „Tag und Nacht vor unserem Gott“. Satan ist der, der ständig vor Gott daran erinnert, dass es nicht reicht, wer wir sind und was wir tun. Dieser Verkläger wurde gestürzt. „Sie haben überwunden durch des Lammes Blut“. DER SATAN IST AUF DIE ERDE GEWORFEN Der Entscheid steht endgültig fest. An dem gibt es nichts zu rütteln. Das heisst nicht, dass die Feindschaft vorbei ist. Sie setzt sich fort. Der Drache beginnt, die Frau (Israel, die Gemeinde) zu verfolgen. In unserem Denken meinen wir, wenn die Feindschaft noch nicht vorbei ist – und jetzt Verfolgung auf der Erde einsetzt – dann sei der Entscheid auch noch nicht getroffen worden. Doch, der Entscheid ist getroffen. „Darum freut euch, ihr Himmel, und die ihr darin wohnt. Wehe aber der Erde und dem Meer! Denn der Teufel kam zu euch hinab und hat einen grossen Zorn und weiss, dass er wenig Zeit hat. Und als der Drache sah, dass er auf die Erde geworfen war, verfolgte er die Frau“. (Offb 12,12-13) Der Teufel hat nicht viel Freiraum. Auf der Erde ist ihm eine Frist gegeben. Ihm sind Grenzen gesetzt. Wir hatten das bereits besprochen. Das Böse muss sich auswachsen – und in seiner eigentlichen Gestalt sichtbar werden. So wie auch die Gemeinde und alles, was gut ist, zu ihrer reifen Gestalt finden soll. Der Teufel kann die von Gott gesetzten Grenzen nicht überschreiten. Diese Grenzen sind gesetzt. Die muss die betende Gemeinde nicht setzen oder gar betend erkämpfen. Sie lebt in der Ruhe und der Zuversicht, dass es „keinen Verkläger der Schwestern und Brüder“ mehr gibt. FRAGEN FÜR DAS GESPRÄCH (1) Vielleicht hat mancher von euch Romane gelesen, in denen „Gottes Engel“ gegen „die Engelheere des Satans“ kämpfen (zum Beispiel: Frank Peretti, Die Finsternis dieser Welt, 1986). Die guten Engel haben immer dann die Oberhand, wenn die christliche Gemeinde – die im Mittelpunkt dieser fiktiven Erzählungen steht – ausdauernd und stark genug betet. Die guten Engel schwächeln, sobald die Gemeinde nicht mehr bei der Sache ist. Die Kämpfe zwischen den Engelheeren sind nicht entschieden, es ist ein ständiges Hin und Her. In Offenbarung 12 lesen wir, dass der Kampf ein für alle Mal stattgefunden hat. Er liegt hinter uns. Frage an uns: Trage ich die Vermutung in mir, es sei doch noch nicht entschieden? Müssen wir als Gemeinde Gott in diesem Kampf doch noch unterstützen? (2) Der Satan kann die „Brüder“, das sind im biblischen Verständnis auch die Schwestern, nicht mehr verklagen. Er hat vor Gott uns gegenüber nichts in der Hand, was gegen die Heiligen sprechen kann. Denn: Er hat seinen Platz als Ankläger endgültig verloren. Fühle ich mich trotzdem vor Gott verklagt? Woher kommt das? Dienstag, 28. April 2020 OFFENBARUNG 12, 6 UND 12,13-17 – EIN ORT IN DER WÜSTE Wir haben gesagt, dass ‹die Frau› ein Bild für Maria, für die Gemeinde, für Israel ist. Die Frau muss fliehen. Es ist ihr von Gott ein Ort bereitet, an den sie gehen kann und an dem sie ernährt wird. „Und die Frau entfloh in die Wüste, wo sie einen Ort hatte, bereitet von Gott, dass sie dort ernährt werde tausendzweihundertsechzig Tage.“ (Offb 12,6) Jetzt muss man wieder zu rechnen beginnen. Es heisst 1.260 Tage. Wenn wir die Tage in Jahre umrechnen, dann kommt man auf dreieinhalb Jahre. Das ist die Hälfte von sieben. Wenn man „das Ganze“ aushalten müsste, müsste man „sieben“ aushalten. Sie muss aber nicht das Ganze aushalten. Sondern Gott verkürzt diese Zeit auf die Hälfte. Warum sagt Johannes, dass sie 1.260 Tage ernährt wird? Warum sagt er nicht, sie wird dreieinhalb Jahre ernährt? Das wäre ja genauso lange: dreieinhalb Jahre sind 1.260 Tage. GOTT ERNÄHRT AN JEDEM EINZELNEN TAG Gott ernährt nicht mit einem Gutschein und sagt, der gilt jetzt für dreieinhalb Jahre. Sondern er ernährt an jedem einzelnen Tag neu. Für die Apokalyptiker macht es einen Unterschied, ob es dreieinhalb Jahre sind oder 42 Monate – oder wie viele das sind – oder 1.260 Tage. Wie ist das, wenn einer krank ist und drei Wochen im Spital ist? Wie klingt es, wenn er erzählt, seine Frau sei dreieinhalb Wochen bei ihm gewesen? Oder wenn er sagt: Meine Frau ist an jedem einzelnen Tag zu mir gekommen? Das ist etwas anderes. Für das eigene Lesen raten wir euch: Nachdenken nützt hier nicht viel. Man muss hinschauen. Der Ablauf ist unerhört dramatisch. Die Zeit, in der die Frau in der Wüste ernährt wird, meint die Zeit von der Geburt des Messias bis zur Vollendung der Schöpfung. Es ist keine ganze Zeit, sondern „eine halbe ganze Zeit“. Vielleicht hilft diese Benennung zu erahnen, wie lange diese letzte Zeit nach der Geburt des Messias dauert. Und, wir haben das eben gehört: An jedem einzelnen Tag dieser Zeit – nämlich an 1.260 Tagen – ernährt Gott Israel bzw. die Gemeinde. DIE SCHÖPFUNG SCHÜTZT DIE FRAU Einige Verse weiter wird ein zweites Mal erzählt wie der Drache die Frau, das ist Israel und die Gemeinde, verfolgt. „Und es wurden der Frau gegeben die zwei Flügel des grossen Adlers, dass sie in die Wüste flöge an ihren Ort, wo sie ernährt werden sollte eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit fern von dem Angesicht der Schlange. Und die Schlange stiess aus ihrem Rachen Wasser aus wie einen Strom hinter der Frau her, damit er sie fortreisse. Aber die Erde half der Frau und tat ihren Mund auf und verschlang den Strom, den der Drache ausstieß aus seinem Rachen. 17 Und der Drache wurde zornig über die Frau und ging hin, zu kämpfen gegen die Übrigen von ihrem Geschlecht, die Gottes Gebote halten und haben das Zeugnis Jesu.“ Offb 12,14-17 Im Bild mit den Flügeln des Adlers sollen wir anschauen, wie Gott die Frau an einen sicheren Ort wegträgt. Das Bild erinnert an Gottes Zusage in Jesaja 40,31. „Aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adlern.“ Der sichere Ort, an den die Frau gebracht wird, ist die Wüste. Was heisst es für die Gemeinde, dass „unser Ort“ am Ende der Zeit die Wüste ist? Was verbindet sich für uns mit diesem Bild? Wir meinen manchmal, dass einzelne Christinnen und Christen in die Wüste gehören. Weil sie vielleicht eine besondere Berufung zum Gebet haben. Hier hören wir, dass die Gemeinde als ganze ihren Ort in der Wüste hat. Auch in der Wüste wird die Frau angefeindet. Die Schlange – das ist ein anderes Bild für den Drachen – schickt ihr einen Strom an Wasser hinterher, der sie fortreissen soll. Auch dieses Bild lässt sich anschauen. Die Gemeinde soll weggespült und weggerissen werden von einem Strom, einem kraftvollen „Flow“. Interessant ist, dass die Gemeinde selbst sich nicht wehrt und sich auch nicht wehren muss. Es ist die „Erde“, die Schöpfung, die der Frau zu Hilfe kommt. „Aber die Erde half der Frau und tat ihren Mund auf und verschlang den Strom, den der Drache ausstiess.» Offb 12,16. Die Erde ist keine anonyme Masse. Sie ist nicht einfach Material. Sie hat einen eigenen Charakter, entfaltet eine eigene Stimme. Sie kann auf das, was an ihr und mit ihr geschieht, reagieren. Sie kann leiden. Sie kann sich auch zur Wehr setzen. Sie weiss, wozu sie von Gott geschaffen ist. Auch das lohnt sich ausgiebig zu betrachten. Die geschaffene Welt ist nicht „unparteiisch“. Sie ordnet sich Gott zu und sie schützt das, was Gott tut. Man kann in die Richtung weiterdenken, dass es ein Schöpfungswissen und eine Schöpfungsaktivität gibt, die sich von uns Menschen nicht manipulieren lässt. Es gilt immer noch, was Gott am Anfang über die Erde gesagt hat: „Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ (1. Mose 1,31) FRAGEN FÜRS GESPRÄCH (1) Was heisst es für uns als Gemeinde, dass „unser Ort“ am Ende der Zeit die Wüste ist? Was verbindet sich für uns mit diesem Bild? Inwiefern leben wir in der Wüste? (2) Wie sieht ein solches Zutrauen zur Schöpfung eigentlich aus? Wie geht es, dass die Gemeinde die Schöpfung als „Partner des Lebens“ und als Zeugen für Gott wahrnimmt? Montag, 27. April 2020 Wolfgang und Ulrike schreiben: Wir werden in den nächsten drei Tagen Offb 12 miteinander lesen. Dieses Kapitel ist wie die Mitte des Buches. Wer neu ins gemeinsame Lesen mit einsteigt, kann es an dieser Stelle relativ leicht tun. OFFENBARUNG 12, 1-6 DIE FRAU UND DER DRACHE Wir haben gehört: Johannes sieht in immer neuen Bildern, dass Gottes Geschichte und damit auch seine Schöpfung auf ein Ziel zuläuft. Die Abläufe sind nicht zufällig, sondern sie kommen aus Gottes Hand. Diese Zeit nennen wir die Endzeit – und wir sind mitten drin. Schliesslich, ganz am Schluss wird Gott richten (Offb 11,15-18). Gerichtet zu werden heisst, dass ans Licht kommen wird, wer wir sind. Es kommt ans Licht, ob ich mich habe zurecht bringen lassen durch Jesus Christus. Bin ich Knecht, Prophet, Heilige, eine, die Gott fürchtet? Wir wissen es vorher schon, wie es um uns steht, dass wir von Jesus Christus gefunden und gerettet sind. Aber im Gericht kommt es ans Licht. DIE WEIHNACHTSGESCHICHTE DER OFFENBARUNG Wann hat das Ende der Zeit begonnen? Das Ende der Zeit beginnt mit einem grossen Ereignis nämlich mit der Geburt des lang erwarteten Messias. Von seiner Geburt erzählt Offb 12,1-6. „Und es erschien ein grosses Zeichen im Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füssen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen. 2 Und sie war schwanger und schrie in Kindsnöten und hatte grosse Qual bei der Geburt. ... Und der Drache trat vor die Frau, die gebären sollte, damit er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind frässe“ Hier handelt es sich in Ergänzung zu Matthäus 1 und Lukas 2 um die „Weihnachtsgeschichte der Offenbarung“. Im Kampf des Herodes gegen die Kinder in Bethlehem sperrt der Drache sein Maul auf. Das ist der erste Versuch der Vernichtung. Durch den Traum des Josef und die Flucht nach Ägypten erfolgt die erste Bewahrung, also die erste Flucht. Wahrscheinlich haben Johannes und seine Gemeinden diese Weihnachtsgeschichten gekannt. Seine Vision baut auf diesen Erzählungen auf. Und umgekehrt beleuchtet und vertieft sie diese auch. In Offb 12,1-6 geht es um eine Tiefendimension von Weihnachten, die man in den Weihnachtsgeschichten bei Matthäus und Lukas nicht unbedingt erkennen kann. An der Krippe in Bethlehem steht der Drache mit dem geöffneten Maul. Ochs und Esel meinen wir zu kennen, obwohl sie im Text nicht vorkommen. Wir haben aber anhand der Weihnachtsgeschichte nicht gelernt, den Drachen in der vordersten Reihe, also direkt an der Krippe zu sehen. DER KOSMOS ORDNET SICH DIESEM EREIGNIS ZU Kapitel zwölf beginnt mit einer Vision: Ein grosses Zeichen erscheint im Himmel. Eine Frau, angetan mit der Sonne und dem Mond unter ihren Füssen und auf ihrem Haupt ein Kranz von zwölf Sternen. Woher kennen wir das? Wir kennen die zwölf Sternbilder. Der ganze Kosmos ordnet sich dieser Frau zu und schmückt sie. Wir haben mit einem Geschehen zu tun, das den ganzen Kosmos angeht. Man kann staunend betrachten, wie Sonne, Mond und Sterne sich diesem Geschehen zuordnen. Sie, die in manchen Religionen die bestimmenden Mächte des Kosmos sind, zeigen sich hier als Schmuck der Frau. Man kann dem in seinem eigenen Bibellesen nachgehen. Wo überall finde ich das in der Bibel: dass die Schöpfung – die Bäume und Berge, die Sonne und die Gestirne – sich ihrem Schöpfer zuordnen und ihm zujubeln? Sie jubeln Gott nicht nur als ihrem Schöpfer zu. Sie jubeln Gott zu, weil er die Erde richten und damit zurecht bringen wird. „Der Himmel freue sich, und die Erde sei fröhlich, das Meer brause und was darinnen ist; das Feld sei fröhlich und alles, was darauf ist; jauchzen sollen alle Bäume im Walde vor Jahwe; denn er kommt, denn er kommt, zu richten das Erdreich. Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit seiner Wahrheit.“ (Psalm 96,11-13) DER MESSIAS WIRD GEBOREN Die Frau ist schwanger, schreit in Wehen und Schmerzen der Geburt. Das ist dramatisch. Wir wissen, wer da geboren wird: „Sie gebar einen Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte mit eisernem Stabe. Und ihr Kind wurde entrückt zu Gott und seinem Thron.“ (Offb 12,5) Das Leben des Messias wird hier in äusserster Kürze zusammengefasst: Er wird alle Völker weiden. Sein Stab wird nicht zerbrechen, das meint die bleibende Dauer seiner Herrschaft. Das Weiden mit dem „eisernen Stab“ ist ein Verweis auf Psalm 2 und damit ein Hinweis auf den Messias, dem Gott „die Völker zum Erbe gibt“ (Psalm 2,8 entspricht Offb 11,15). Jesus „wird entrückt zu Gott und zu seinem Thron“. Wörtlich heisst es, dass der Messias „mit Gewalt weggenommen wird“. Der Drache hatte und hat keinen Zugriff auf ihn. DER DRACHE Die Geburt des Messias macht Schluss mit einer anderen Herrschaft. Auch das haben wir schon mehrmals gehört. Der Drache ist Inbegriff einer anderen Herrschaft und er will das Kind verschlingen. So wie die Geburt des Messias als ein „Zeichen im Himmel“ erscheint, so tritt auch der Drache als „Zeichen im Himmel“ auf. Die Auseinandersetzung, die hier beginnt, ist grundsätzlich. Sie ist nicht ein Vorgang unter anderen. In Offb 12,3-4 heisst es: „Und es erschien ein anderes Zeichen im Himmel, und siehe, ein grosser, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner und auf seinen Häuptern sieben Kronen, und sein Schwanz fegte den dritten Teil der Sterne des Himmels hinweg und warf sie auf die Erde. Und der Drache trat vor die Frau, die gebären sollte, damit er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind frässe.“ Das sind keine Gedanken. Das sind Bilder und die muss man sehen. Wie sieht das aus? Da ist eine Frau, die gebiert, und unmittelbar vor ihr steht der Drache mit offenen Maul und wartet darauf, dass das Kind herauskommt. ... Wir erinnern uns: der Kosmos steht auf der Seite der Frau. Sonne, Mond und Sterne ordnen sich ehrend der Frau und der Geburt des Kindes zu. Mitten drin der Drache mit weit geöffnetem Maul. WER IST DIE FRAU? MARIA, ISRAEL, DIE KIRCHE Die Frau, die das Kind gebiert, ist diejenige, die den Messias gebiert. Von daher ist es verständlich, dass man in der Auslegung der katholischen und der orthodoxen Kirche sagt, diese Frau sei Maria. Das ist die erste Deutungsmöglichkeit. In vielen katholisch geprägten Orten steht eine Mariensäule auf dem Marktplatz. Da thront die Maria, meist auf einem Halbmond. Sie ist in einen Strahlenkranz gebettet und hat einen Ring von zwölf Sternen um sich. Diese Darstellung ist von Offenbarung 12 abgeleitet. Die zweite Auslegung fragt danach, wo denn der Messias herkommt. „Aus wem“ – aus welcher Geschichte, aus welchem Volk, aus welcher Verheissung kommt er? Er kommt aus Israel. Das ganze Volk Israel ist die „Mutter“ des Messias. Das ist die zweite Auslegungsmöglichkeit. Der Drache macht sich auf, um gegen die Frau, die in diesem Verständnis Israel ist, zu kämpfen. Die dritte Auslegungsmöglichkeit sagt, dass die Frau, die gebiert, die Gemeinde ist. Und zwar so wie sie in den beiden Zwischenstücken in Offb 7 beschrieben wurde. Es sind die „144.000, die versiegelt sind“. Es ist „die unzählbare Schar aus den Völkern“. Oder wie sie in Offb 11 beschrieben wird: „die Knechte, Propheten, Heiligen und die, die deinen Namen fürchten“ (Offb 11,18). Von der Gemeinde wird ab Kapitel 13 ausdrücklich erzählt, dass sie verfolgt wird (Offb 13,7). Die „Heiligen“ werden ins Gefängnis geworfen und mit dem Schwert getötet werden (Offb 13,9-10). Darum legt sich die Deutung auf die Gemeinde nahe. Wir meinen, dass es sich bei den drei Deutungen nicht um strikte Gegensätze handelt. Ohne Israel gäbe es die christliche Gemeinde nicht. Ohne Maria wäre Jesus nicht als Mensch geboren worden. Die drei Deutungen ergänzen sich. Darum geben wir allen drei Wegen des Verstehens recht. FRAGEN FÜRS GESPRÄCH (1) Die Schöpfung – die Bäume und Berge, die Sonne und die Gestirne – ordnen sich ihrem Schöpfer zu und jubeln ihm zu. Sie freuen sich an der Geburt des Messias und daran, dass Gott die Erde richtet bzw. zurecht bringt. Was bedeutet das für mich als Menschen? Wie kann ich mir diese Wahrheit aneignen? (2) Der Messias ist von Anfang an bedroht. Aber er ist nicht gefährdet. Beides wird er auf seinem Weg erfahren. Gott hat den Schutz, den Ort und die ‚Ernährung‘ für die Frau wie auch für das Kind längst vorbereitet. Kann ich mit dieser Unterscheidung zwischen Bedrohung und Gefährdung – die dann auch für die Gemeinde gelten wird – etwas anfangen? Sonntag, 26. April 2020 DIE SIEBTE POSAUNE – OFFENBARUNG 11,15-19 Bisher hat Johannes zwei Siebener-Reihen geschaut: die sieben Siegel und die sieben Posaunen. Dazwischen haben wir noch von sieben Donnern gehört, deren Inhalt uns jedoch nicht mitgeteilt wird (Offb 10,3f). Jeweils zwischen dem sechsten und dem siebten Ereignis schaute er jeweils zwei sogenannte Zwischenstücke (Offb 7,1-17 bzw. 10,1-11,14). Es ist wichtig, sich diesen Aufbau vor Augen zu halten. Die Öffnung des siebten Siegels (Offb 8,1) schloss die erste Reihe ab. Gleichzeitig erwuchs aus ihr die nächste Siebener-Reihe (Offb 8,2ff), die Reihe der sieben Posaunen. So ist es auch hier. Die siebte Posaune schliesst die Reihe der Posaunen ab. Gleichzeitig wird ihr die nächste Siebener-Reihe, die Reihe der sieben Zornschalen, folgen (Offb 15 bis 16). DAS GEHEIMNIS IST VOLLENDET Über die siebte Posaune war uns bereits gesagt: „In den Tagen der Stimme des siebten Engels, wenn er posaunen wird, da ist das Geheimnis Gottes vollendet, wie er seinen Knechten, den Propheten, verkündet hat“ (Offb 10,7). Mit Geheimnis wird im Neuen Testament der bisher verhüllte Verlauf der Geschichte bezeichnet, der der Gemeinde im Evangelium offen dargelegt wird. Der Weg, den sich das Evangelium bis zum Ende der Erde und bis zum Ende der Zeit sucht, bestimmt die Geschichte der Welt. Dieser Weg kommt nun an sein Ziel. Das merken wir auch daran, dass Gott bisher derjenige heisst, „der ist, der war und der kommt“ (Offb 1,4). Nun ist er jetzt derjenige, „der ist und der war“ (Offb 11, 17). Die Geschichte ist zum Ziel gekommen. GOTT HAT SEINE HERRSCHAFT ANGETRETEN Wie sollte es anders sein, als dass mit der siebten Posaune im Himmel der laute und deutliche grosse Jubel erschallt. In ihm wird gesagt, worin der Grund des Jubels besteht: „Die Herrschaft über die (ganze) Welt ist unserem Herrn und seinem Gesalbten zuteil geworden (d.h. sie haben diese Herrschaft nun auch angetreten) und er wird (von jetzt an und allein) herrschen in alle Ewigkeit“ (Offb 11,15). Es ist gut, wenn man sich Zeit nimmt, die Bedeutung dieses himmlischen Bekenntnisses zu erfassen. Was alles bedeutet das? Wie sieht diese Herrschaft im Einzelnen und konkret aus? Wie gehen wir an die Dinge und die Herrschaftsverhältnisse unserer Zeit heran, wenn wir in diesen Jubel einstimmen? Auf unserer Welt mögen Machtverhältnisse sich noch anders darstellen. Die Gemeinde aber kann sagen: Wir wissen Bescheid. Wir wissen, wie es um die Herrschaft wirklich bestellt ist. ANBETUNG IST ANERKENNEN, DASS NUR EINER HERR IST Das alles hört und schaut Johannes im Himmel, so wie wir als irdische Gemeinde jetzt erfahren, was die himmlische Gemeinde über die wahren Macht- und Herrschaftsverhältnisse weiss. Es sind die himmlischen Wesen, die mit dem Jubel beginnen. Mit den 24 Ältesten stimmen die himmlischen Repräsentanten der irdischen Gemeinde in diesen Jubel ein. Ihr Jubel geht noch weiter als der der himmlischen Wesen. Die Ältesten werfen sich vor Gott nieder und beten an. Anbetung Gottes ist keine bloss äussere Form. Sie ist die Anerkennung, dass Gott allein Herr ist. Was das erste Gebot ausdrückt wird hier lebendiges und politisches Bekenntnis: „Gott ist der Herr. Wir anerkennen keine anderen Götter neben ihm“ (2. Mose 20,2; 5. Mose 5,6f). Der Inhalt ihrer Anbetung ist der ausgesprochene Dank. Dass Gott der Herr aller Herren ist, das wusste die Gemeinde immer schon. Sie bittet täglich darum, dass Gott seine Herrschaft auch antritt. Im Gebet Jesu bitten wir „Dein Reich komme“ (Mt 6,10; Lk 11,2). Nun erkennt die himmlische Gemeinde, dass diese Bitte erhört worden ist. In ihrer Anbetung und in ihrem Dank spricht sie das aus. DIE MÄCHTE, DIE SICH GOTT ENTGEGENSTELLEN, WERDEN ENTMACHTET Allerdings: Es gibt keinen Herrschaftsantritt, es gibt also kein „Kommen des Reiches“, ohne dass die Mächte, die dieser Herrschaft Gottes widerstehen, entmachtet und gerichtet werden. Es ist eben dieser Herrschaftsantritt Gottes und seines Christus, der den Zorn der (widergöttlichen) Völker hervorruft. Uns wurde als Merkmal von Wachstum und Reifung klar, dass alles - im Bild des Gleichnisses: das Unkraut wie der Weizen - zu seiner endgültigen Gestalt heran wachsen muss. Das erkennen wir nun auch hier. Alles, was Gott widersteht, tritt unverhüllt in Erscheinung. Damit aber tritt auch Gottes Zorn gegen das, was ihm widersteht, ans Licht. Warum? Gott vernichtet nicht einfach das, was ihm nicht genehm ist. Mit solchen Gedanken würden wir Gott auf die Niederungen menschlichen Empfindens reduzieren. Die himmlische Gemeinde sieht das deutlicher: „Du bringst die ins Verderben, die die Erde verderben“ (Offb 11,18). DIE WAHRHEIT JEDES MENSCHEN KOMMT ANS LICHT In einem Endzeit-Film würde diese Szene wahrscheinlich breit entfaltet. Vielleicht würde das sogar unserer Fantasie eher entsprechen. Hier sehen wir es anders. Gottes Zorn nimmt Gestalt an in seinem Gericht. Gericht jedoch ist die Rehabilitation all jener, die … Ja, was sind das eigentlich für Leute? Sie werden in drei Schritten aufgezählt. Da sind einmal die Propheten, die zum besonderen Dienst der Klärung des Willens Gottes berufen sind. Dann sind es die Heiligen. Kennzeichen dieser Menschen ist nicht ihre hervorstechende, vorbildhafte Ethik, obwohl das keineswegs falsch wäre. Heilig sind diejenigen, die den Eigentumsvermerk Gottes tragen. Gott steht zu den Propheten, weil sie in seinem Dienst stehen. Gott steht zu den Heiligen, weil sie ihm gehören. Doch nun kommt hier noch eine dritte Gruppe. Es sind die, die „Gottes Namen fürchten“ (Offb 11,18). Ist das wirklich eine eigene Gruppe? Oder zeigt es, dass es in Gottes Augen zwischen Unglaube und bekennendem Glauben eine Bandbreite gibt? Menschen also, die sich weder klar zur einen noch klar zur anderen Gruppe zählen würden? Und die doch, wenn es darauf ankommt, „Gottes Namen fürchten“? Auf jeden Fall: Gottes Gericht wird als der Moment geschildert, an dem die Wahrheit jedes Menschen, der „Kleinen wie der Grossen“ (Offb 11,18) ans Licht kommt und von Gott gewürdigt wird. Wer und was wir sind, das ist nicht gleichgültig. Wir beachten jedoch: Hier ist vom Verderben jener gesprochen, die die Erde verderben. Im Gegensatz dazu und vor allem anderen wird vom „Lohn“ gesprochen, der auf die wartet, die Gottes sind. Gewiss: Sein ist man, wer immer man ist, durch seine Gnade. Dafür, dass wir dieser Gnade Raum geben, verschenkt Gott seinen Lohn an uns. DAS HEILIGSTE STEHT OFFEN Kehren wir zu unserem Abschnitt zurück. Wenn man aufmerksam auf die Einzelheiten schaut, verliert man leicht die Gesamtschau: Wir sehen den Jubel im Himmel, ja wir nehmen an ihm teil. Die himmlischen Wesen beginnen, die 24 Ältesten als die himmlischen Vertreter der irdischen Gemeinde stimmen ein und erweitern diesen Jubel. Doch nun geschieht etwas, das man nicht erwarten kann. Der himmlische Tempel, also der himmlische Ort Gottes, erscheint vor der gottesdienstlichen Gemeinde. Was es im irdischen Tempel nie gab, das geschieht nun hier. Das Besondere ist nicht, dass der Tempel erscheint. Das Besondere ist, dass er sich von selbst öffnet. Was bisher den Glaubenden nicht direkt zugänglich war, was der Gemeinde nur durch Priester vermittelt war, das steht nun offen. Gott ist für die ganze Gemeinde, für die „Kleinen und die Grossen“, zugänglich. Es gibt nichts, weder vom Menschen noch von Gott her, was zwischen den Menschen und Gott steht. Johannes teilt der Gemeinde damit keinen Gedanken mit. Er gibt das, was er schaut, so weiter, wie er es selbst empfängt: Als Bild, das man ansehen kann, in das hinein man sich vertiefen kann und soll: ER – WIR – und nichts mehr dazwischen. Das Heiligste steht offen. Wir stehen also vor dem geöffneten Tempel. Da hören wir: „Und es entstanden Blitze und Stimmen und Donnerschläge und ein Erdbeben und grosser Hagel“ (Offb 11,19). Als Leserin und Leser des 21. Jahrhunderts wird einen dieser letzte Satz möglicherweise befremden. Johannes und den Menschen seiner Zeit war dieses Bild jedoch vertraut. Als in Kapitel 4,5 der Thron Gottes im Himmel erschien, da gingen von ihm „Blitze und Stimmen und Donner“ aus (Offb 4,5). Warum? Die gewaltigen Naturerscheinungen begegnen Israel beim Auszug aus Ägypten. Wenn Gott Israel am Berg Sinai nahe kommt, um mit ihm den ewigen Bund zu schliessen, umgibt er sich mit Donner, Blitz, Wolken, mächtigem Posaunenschall (2. Mose 19,16). Rauch, Feuer, Beben, Posaunenschall begleiten seine Ankunft (2. Mose 19,17-19). Gott antwortet dem Mose mit Donner (ebda; vgl.2. Mose 20,18 und Psalm 77,18f; vgl. Sturm, Erdbeben und Feuer, die Gott in der Begegnung mit Elia am Gottesberg vorangehen lässt, obwohl er erst später im „stillen, sanften Säuseln“ nahe kommt (1. Kön 19,11f). Auf jeden Fall ist die Verbindung mit dem Bundesschluss am Berg Sinai unübersehbar. Es war ja auch der Ort, an dem Mose das himmlische Urbild des Tempels gezeigt bekam (2. Mose 258ff und die folgenden Kapitel). Wer Blitze, Donner usw. vernahm, der wurde an Gottes Treue, an seinen Bundesschluss erinnert. Und umgekehrt: Wo an den Bundesschluss mit Gott erinnert wurde, da waren Blitze, Donner, Erdbeben usw. gegenwärtig. Darum endet der Blick in den geöffneten Himmel auf diese Weise. Wir schauen nicht nur den Tempel. Wir begegnen dem Gott, der mit seinem Volk einen ewigen Bund geschlossen hat. Er wird ihm treu sein. ZUM GESPRÄCH (1) Was bedeutet es konkret, wenn ein Mensch „Gottes Namen fürchtet“? In welchen Situationen ist es gefragt? Wie hängt diese Frage mit der anderen zusammen: Wie sieht ein Reden und ein Handeln aus, das die Erde verdirbt? (2) Wie geht es euch damit, dass die Bundestreue Gottes bis zum Schluss gewaltig erinnert wird? Für Israel ist es der Bund vom Sinai, für Menschen aus allen Völkern ist es der Bund, den Gott durch das Blut des Lammes geschlossen hat. Donnerstag, 23. April 2020 OFFENBARUNG 11,3-14 – DIE ZWEI ZEUGEN GOTTES In den ersten beiden Versen des Kapitels sind wir einmal mehr der apokalyptischen Bildsprache begegnet. Der Tempel in Jerusalem (nicht als ganzer, sondern nur jener Teil, der von Johannes ausgemessen werden soll) steht für die Gemeinde der Glaubenden. Nun folgt das nächste Bild. Wieder ist es wichtig zu beachten, dass wir es in der folgenden Schilderung mit apokalyptischer Bildsprache zu tun haben. Sowohl die beiden Zeugen wie auch die Weise ihres Auftretens gehören zur Bildsprache, in der Johannes sowohl das Ergehen wie die Aufgabe der Gemeinde ansagt. Wäre es anders, dann hätten wir zwei konkrete Gesandte Gottes zu erwarten, die in dieser Zeit als machtvolle und strafende Propheten auftreten werden. Da es sich aber um Bilder handelt, können und müssen wir fragen wofür sie stehen. DER ABLAUF DER KOMMENDEN ZEIT Um diese Bilder einordnen zu können, sehen wir zunächst genauer hin, was uns (bis Ende von Kapitel 13) von der angekündigten kommenden Zeit gesagt wird. In Vers 7 wird das erste Mal in unserem Buch vom „Tier, das aus der Unterwelt heraufkommt,“ gesprochen. Ihm werden wir im folgenden Kapitel ausführlich begegnen. Das Böse (bzw. ‚der‘ Böse) tritt erstmals unmaskiert aus der Unterwelt hervor. Womit dieser Auftritt zu tun hat, darauf wird Offb 12,7 (auch das ist Bildsprache) näher eingehen. Wie dieser Auftritt vor sich geht bzw. welche Folgen er für die Erde hat, wird in Offb 12,13 bis 13,18 ausführlich dargelegt. Das bzw. der Böse verfolgt die Gemeinde der Glaubenden. Dieser ist ein Schutzraum vorbereitet und zugewiesen (Offb 12,14), an dem sie bewahrt und genährt werden wird. Zusammen mit dem Schutzraum wird ihr gesagt, dass ihr dieser Schutz „eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit“ gewährt wird (Offb 12,14). Das aber ist gleichzeitig die Zeit, in der sie bedrängt wird (Offb 13,5). Mit dieser Zeitangabe wird ihr gleichzeitig bereits das (vorläufige) Ende ihres Schutzes gezeigt. Dem Bösen in der Gestalt (Konkretion) des zweiten Tieres (des Antichrist) wird „gegeben, Krieg gegen die Heiligen zu führen und sie zu besiegen“ (Offb 13,7). Halten wir uns das Gesamtbild vor Augen: Das/der Böse tritt (zunehmend?) unmaskiert hervor. Seine Macht richtet es/er gegen die Gemeinde der Glaubenden. Diese bleibt „eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit“ geschützt und gleichzeitig bedrängt. Diese Zeit wird zu Ende gehen, wenn dem Bösen die Macht eingeräumt wird, die Gemeinde der Heiligen zu besiegen. Jedoch: In allen Phasen ist und bleibt sie die versiegelte, die unzählbare, die von Johannes vermessene und so zu Gott gehörende und von ihm bewahrte Schar. Das äussere Ergehen sagt nichts über ihre Nähe oder Ferne zu Gott aus. Das Ende, an dem Gottes Herrschaft leuchtend zutage tritt, steht immer schon fest. Die Zeitangabe (Offb 11,2 und 11,3; vgl. 13,5) kennt die Gemeinde vom Propheten Daniel (Dan 7,24f und 12,7; vgl. 12,11f). Dreieinhalb Zeiten (Jahre) entsprechen im Mondkalender 42 Monaten bzw. 1260 Tagen (je nach Rechnung sind es 1290 oder 1335 Tage). Sieben Jahre wäre ein ‚ganzer‘ Zeitraum. Dreieinhalb Jahre ist die von Gott verkürzte Zeit. Nach unserem Lesen ist das diejenige Zeit, nach der Gottes Herrschaft leuchtend zutage tritt. ÜBER DIE GEMEINDE Halten wir uns all das vor Augen, dann kann mit den beiden Zeugen nur die ganze Gemeinde der Glaubenden in ihrer Sendung an die Welt gemeint sein. In der kommenden Zeit hat sie einen prophetischen Dienst. Indem sie das Evangelium teilt, sagt sie der ganzen Welt den Anbruch der Herrschaft Gottes an. Mit diesem Evangelium ruft sie die ganze Welt zur Umkehr, zur Heimkehr zu Gott. Die Einzelheiten der Bilder, die Johannes schaut, zeigen das deutlich. • Sie treten als Zeugen zu zweit auf, wie auch Jesus seine Jünger zu zweit zum Dienst gesandt hat. Der Dienst zu zweit bedeutet nach dem alttestamentlichen Zeugenrecht, dass ihre Botschaft feststehend, unverbrüchlich und damit wahr ist. Niemand ist in der Lage, die Wahrheit dieser Botschaft noch in Frage zu stellen. • Sie führen diesen Dienst in „Sackkleidern“ aus. Sackkleider sind Trauerkleider, in denen die Umkehrenden über ihr Leben fern von Gott trauern und in denen auch die Boten (Elia und Johannes der Täufer) die Menschen zur Umkehr rufen. • Die Ölbäume und Leuchter sind Bilder, in denen Gott dem Propheten Sacharja die messianischen Führer des Volkes gezeigt hat. Die Gemeinde hat durch den Geist Gottes Teil an der messianischen Berufung. • Weitere Bilder verweisen nicht auf eine Mächtigkeit, die der Gemeinde in dieser Zeit gegeben ist. Strafe und Gericht liegen für die Gemeinde allein in der Hand Gottes. Sie selbst verfügt über keine Macht, durch die sie Gottes Willen und Gottes Recht durchsetzen könnte. Sie weiss jedoch von der Mächtigkeit des Wortes, das ihr von Gott anvertraut ist. • Es ist die Botschaft des Evangeliums, die machtvoll ist. David, Elia, Jeremia usw. haben Gottes Wort als verzehrendes Feuer erfahren. Die Gemeinde weiss, dass dieses Wort bis zum Ende seine Macht ausüben wird. • Zum Wort des Evangeliums gehört, dass Jesu Nachfolger bereit sind, als Zeugnis für ihn und für ihren Glauben an ihn bis in den Tod zu gehen. Sie gehen diesen Weg mit ihm und sind darin nicht grösser als ihr Meister. • Sie wissen, dass ihr Märtyrertod für die Feinde des Evangeliums als Triumph angesehen und gefeiert wird. • Sie wissen aber ebenso, dass Gott die Seinen durch das Sterben hindurch zur Auferstehung führt. DAS ZEUGNIS DER GEMEINDE BIS IN DEN TOD Gestern haben wir darauf geachtet, dass am Ende dieser Geschichte die Menschen umkehren werden. Was bisher nicht geschah, das trifft jetzt ein. „Sie wurden voll Furcht und gaben dem Gott des Himmels die Ehre“ (Offb 11,13). Wir haben danach gefragt, warum es diesmal zur Umkehr, zur Rückkehr der Menschen zu Gott kommt. Die Antwort kann eigentlich nur lauten: Was die Verkündigung allein nicht ausrichtet, das bewirkt Gott durch die Treue seiner Boten. Denn ihre Treue ist eine Treue bis in den Tod. Hier zeigt sich das, was bereits die frühe Kirche ausgesprochen hat: „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche.“ Auch die Märtyrerkirchen der Gegenwart bezeugen uns das. In der Bedrängnis und im Märtyrertum wird die Kirche stark. Mittwoch, 22. April 2020 OFFENBARUNG 11,1-14 – Der TEMPEL WIRD VERMESSEN UND DIE ZWEI ZEUGEN Wenn ihr die Möglichkeit habt, verschiedene Auslegungen dieses Abschnitts zu lesen, werdet ihr euch wahrscheinlich wundern. Die Deutungen gehen teilweise weit auseinander. Der Grund liegt darin, dass der Abschnitt verschiedene Deutungen zulässt. Wir werden sie skizzieren und sagen, welche Deutung uns mehr einleuchtet als andere es tun. Jede und jeder von euch soll sich selbst eine Meinung bilden. Vielleicht werden wir die Frage nach der ‚richtigen‘ Deutung offen lassen müssen. Es werden ab Vers 3 zwei Zeugen bzw. zwei Propheten auftreten. Sie sind die Hauptakteure in diesem Zwischenstück. Was es mit ihnen auf sich hat und was sie tun, werden wir im nächsten Impuls anschauen. Deutlich ist, dass ihr Auftreten eine Folge hat. Es führt dazu, dass Menschen Gott die Ehre geben werden. SIE GABEN GOTT DIE EHRE Wir sehen das, wenn wir einen Blick auf das Ende des Abschnitts werfen. Es ist unerwartet. Denn Offb 9,20-21 hat ganz anders geendet, nämlich damit, dass sich die Menschen von Gott abwenden. Die Ereignisse, die durch die Siegel und die Posaunen ausgelöst werden, führen nicht dazu, dass die Menschen umkehren und von ihren Werken lassen. Das hat uns Johannes nachdrücklich beschrieben (Offb 9,20f). Doch diesmal ist es anders. Die Ereignisse gehen weiter. Von den Menschen, die die Zerstörung der „grossen Stadt“ und das Erdbeben überleben, wird erzählt: „Sie wurden voll Furcht und gaben dem Gott des Himmels die Ehre“ (Offb 11,13). Man steht verblüfft vor dieser Aussage. Wie kommt es dazu? Die Rede davon, dass Menschen umkehren könnten (Offb 9,20), ist also keine blosse Theorie. Umkehr gibt es wirklich. Doch: Woran liegt es, dass sie hier geschieht? Wir werden im Verlauf der Ereignisse eine Ahnung davon bekommen. Doch beginnen wir von vorne. Zuerst wird eine bestimmte Situation beschrieben. Die Gemeinden – und damit auch wir – werden in Kenntnis gesetzt, dass in der Zeit, in der die beiden Zeugen bzw. die beiden Propheten auftreten, mit dem Tempel etwas geschehen wird. AUSMESSEN ALS PROPHETISCHE TÄTIGKEIT Die prophetische Tätigkeit des Johannes beginnt mit einer zeichenhaften Handlung. Das ist für einen Propheten nicht unüblich. Johannes bekommt ein Schilfrohr als Messtab, um Bereiche des Tempels auszumessen. Der Ort, an dem der Tempel stand bzw. steht, ist „die Stadt“, also Jerusalem. Später im Buch wird sie eine entscheidende Rolle spielen. Hier wird Jerusalem das erste Mal erwähnt. Johannes muss sich also in einem Zustand geistlicher Wahrnehmung befinden. Wir wissen ja, dass er physisch auf Patmos ist. Johannes und den Gemeinden in Kleinasien war der Vorgang des Vermessens von Ezechiel und von Sacharja her bekannt. Messen hat mit Genauigkeit zu tun. Es gehört zur Tätigkeit des Baumeisters. Gemessen wird das, was eingerissen (2.Kön 21,12-14; Jes 34,11; Klgl 2,8) oder das, was bewahrt werden soll (Ezech 40,3; Sach 2,1-5). An dem, was Johannes messen soll, wird deutlich: Es geht hier um die genaue Bestimmung dessen, was durch das Gericht hindurch bleiben wird. Damit sind wir beim ersten Ziel des Betrachtens: Vom Tempel, dem irdischen Ort der Begegnung mit Gott, wird etwas bleiben. Vom Tempel wird aber auch etwas preisgegeben und zertreten werden. Das sollen wir wahrnehmen. DER TEMPEL Mit dem Bild des Tempels ergibt sich eine Schwierigkeit für unser Verstehen. Wir haben es hier einmal mehr mit apokalyptischer Bildsprache zu tun. Der Tempel ist ein Bild für etwas, das Gott bewahren will. Doch: Was hat er damit gemeint? Im Neuen Testament kommt der Tempel in vier Bedeutungen vor. Drei davon werden für unseren Abschnitt erwogen. (1) Der Tempel ist der tatsächliche Tempel in Jerusalem. Für unseren Abschnitt würde dieses Verständnis die Hoffnung bedeuten, dass der Tempel bzw. das glaubende Judentum von Zerstörung verschont bleibt. Jesus selbst hat vom Ende des herodianischen Tempels in Jerusalem gesprochen (Mk 13,1-2; Joh 2,19-22) Er hat an keiner Stelle an einen Fortbestand oder an einen Wiederaufbau des Tempels bzw. des Tempeldienstes gedacht. (2) Vorgeschlagen wird auch, im Bild des Tempels den judenchristlichen Teil der frühen christlichen Gemeinde zu verstehen. (3) Schon früh hat die christliche Gemeinde sich selbst im Bild des Tempels Gottes erkannt. „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1. Kor 3,16f, auch 2. Kor 6,16; Eph 2,21) Wir meinen, dass sich die dritte Deutung des Tempels als ein Bild für die Gemeinde am besten mit der gesamten Aussage der Offenbarung verbindet. WAS SOLL GEMESSEN WERDEN? Gemessen werden soll der Tempel, der Altar und die (Gemeinschaft der) Anbetenden. Nicht gemessen werden soll der Vorhof. Die Schwierigkeiten für das Verständnis gehen weiter, auch wenn es sich bei der Schilderung nicht um das konkrete Bauwerk sondern um das Bild für die glaubende Gemeinde handelt. Johannes hatte noch aus eigener Anschauung die Gebäude des Tempels und seine Einrichtung vor sich. Er setzt diese Kenntnis auch bei den Hörerinnen und Hörern der Offenbarung voraus. DER AUFBAU DES TEMPELS Wem die Kenntnis vom Aufbau des Tempels zu speziell ist, der kann diesen Absatz überspringen und bei der nächsten Zwischenüberschrift weiterlesen. Zum Tempelkomplex gehörte das Hauptgebäude mit dem Allerheiligsten und dem Bereich des Heiligen (mit dem siebenarmigen Leuchter, dem Räucheraltar und dem Tisch für die Schaubrote). Ausserhalb dieses Gebäudes lagen zwei Vorhöfe. Das war einmal der innere Vorhof mit dem bronzenen Meer, dem Brandopferaltar und Geräten für den Opferdienst. Dieser eine „innere Vorhof“ war in sich unterteilt in einen Vorhof der Priester und einen Vorhof der Israeliten. Hinzu kam der „äussere Vorhof“, der zur Zeit Jesu Vorhof der Frauen genannt wurde – obwohl er auch von jüdischen Männern betreten werden durfte. Ausserhalb dieses Gebäudekomplexes ging es nochmals mit einem Bereich für Juden weiter. Durch eine Balustrade deutlich abgetrennt kam der Bereich, den man den „Vorhof der Völker“ nannte. Verwirrend ist, was genau mit dem „äusseren Vorhof“ gemeint ist, der von Johannes weggelassen bzw. weggeworfen werden sollte (Offb 11,2). Es kann verschiedenes meinen. Nicht klar ist die Bezeichnung „äusserer Vorhof“ in Vers 1, der von Johannes weggelassen bzw. weggeworfen werden sollte. „Äusserer Vorhof“ hiess jener zweite Vorhof (Vorhof der Frauen; vgl. Ez 40-48), der zum engeren Tempelkomplex gehörte. Ist das jener Vorhof, den Johannes nicht messen soll? Oder ist hier gar nicht „äusserer Vorhof“ zu übersetzen? Möglich wäre auch, dass Johannes unter „Tempel“ in Vers 1 das innerste Tempelgebäude meinte und von da her vom „Vorhof draussen“ (also ausserhalb dieses Tempelgebäudes) sprach. Damit wären, obwohl er den Singular verwendet, alle Vorhöfe „draussen“ gemeint, also sowohl der innere wie der äussere Vorhof und natürlich auch der Vorhof der Heiden. Wichtig ist diese Unterscheidung, weil Johannes ja ausdrücklich auch den Altar zu messen hat. Er soll ja zusammen mit dem Tempel und den Anbetenden bleiben. Aber eben: Es gab zwei Altäre: Den Räucheraltar im „Heiligtum“, also im Tempelgebäude selbst, sowie den Brandopferaltar im „inneren Vorhof“. Hat Johannes diesen „inneren Vorhof“ zum „äusseren Vorhof“ bzw. dem Vorhof „draussen“ gezählt? NUR DIE INNEREN RÄUME UND DIE, DIE ANBETEN Unser Vorschlag, der dieser Szene Sinn abgewinnt: Johannes soll NUR das innere Tempelgebäude mit den beiden Räumen, dem Allerheiligsten und dem Heiligen, messen. Darin befand sich der Räucheraltar, von dem aus die Gebete der Heiligen zu Gott stiegen. Von Priestern und Leviten, die ihren Dienst an den Pilgern sowie am Opferaltar verrichteten, ist nicht die Rede. Sie befinden sich alle „draussen“. Nur die „Anbetenden“, die man sich wohl innerhalb des Tempelgebäudes bzw. nahe am Räucheraltar vorzustellen hat, gehören mit zu dem Bereich dessen, was ausgemessen wird, weil es bewahrt bleibt. Alles andere, was jetzt also als der Bereich „draussen“ bestimmt wird, soll Johannes hinauswerfen, damit es von den Heiden zertreten wird. Man muss sich das vorstellen! Nur die Betenden und das, was dem Gebet dient, bleibt übrig. Was dem Opfer und der Reinigung dient, wird weggeworfen. Ja mehr, es wird hinausgeworfen, damit es zertreten wird. ... Das ist die Situation, in der die beiden Zeugen (= die beiden Propheten) auftreten. EINE FRAGE FÜRS GESPRÄCH Wenn dieses Bild auf die Gemeinde zu deuten ist, was bedeutet das dann für unsere kirchliche, ja auch für unsere gottesdienstliche Praxis? Dienstag, 21. April 2020 SIND ENDZEIT-PROPHETIEN ECHT ODER NICHT? WELCHE KRITERIEN GIBT ES? Wir haben Offenbarung 10,1-11 gelesen. Bisher sollte Johannes aufschreiben, was er zu sehen und zu hören bekommt. Diese Botschaft hat er für die ‘sieben Gemeinden‘ erhalten. In Kapitel 10 wird Johannes zum Propheten berufen. Was er ausspricht – dies und das muss geschehen –, das wird von jetzt an geschehen. Auch heute, im Zusammenhang mit dem C-Virus, treten Christinnen und Christen mit dem Anspruch auf prophetisch zu reden. Unser Impuls soll helfen, dass ihr euch selbst ein Urteil bilden könnt. Man erkennt einen zum Propheten berufenen Menschen nicht an einer besonderen Emotionalität oder Präsenz im Auftreten und im Reden. Man erkennt ihn auch nicht an den Gefühlen, die er oder sie in den Hörenden zu wecken vermag. Wir erleben es oft, dass Menschen ihr Gefühl zum Kriterium dafür machen, ob «Gott redet» oder nicht. VON DER BERUFUNG ERZÄHLEN Zum Ausweis eines Propheten gehört, dass er von seiner Berufung berichten kann. Lest nach wie Mose, Jesaja, Amos ... von ihrer Berufung reden. «Amos antwortete und sprach zu Amazja: Ich bin kein Prophet noch ein Prophetenjünger, sondern ich bin ein Rinderhirt, der Maulbeerfeigen ritzt. Aber der HERR nahm mich von der Herde und sprach zu mir: Geh hin und weissage meinem Volk Israel!» (Amos 7,14-15) WORTE TREFFEN EIN Man erkennt einen echten Propheten daran, dass seine Prophetie eintrifft. Wenn ein Fernsehevangelist sich einen Propheten Gottes nennt («Standing in the office of the prophet of God») und dem C-Virus befiehlt («I execute judgement on you, Covid 19») die USA zu verlassen («to get of this nation»), dann erweist sich die Echtheit des Wortes und des Propheten daran, dass das C-Virus tatsächlich verschwindet. Die Pandemie in den USA schreitet aber zum Zeitpunkt der Prophetie ungebrochen fort. Eine Prophetie, die nicht eintrifft, zeigt, dass wir es mit einem falschen Propheten zu tun haben. IM KONTEXT DER BIBEL HÖREN Wer ein prophetisches Wort beurteilen will, soll sich fragen, was er von den bisherigen Botschaften dieses Menschen weiss. Sind sie eingetroffen? Stimmt die Prophetie mit dem Reden Gottes, wie wir es aus der Bibel kennen, zusammen? Entspricht sie dem, was wir sonst vom Weg Gottes mit dieser Welt sowie mit seiner Gemeinde kennen? Die biblischen Propheten haben das Volk bzw. die Gemeinde ‚informiert‘ und zum Handeln aufgerufen. Sie haben nicht Gott zum Handeln aufgerufen. Der Vater Jesu weiss was seine Menschen benötigen „noch bevor ihr ihn bittet …“ (Matthäus 6,8 ). Uns begegnen Menschen, die vorgeben eine besondere Einsicht in Gottes Willen bekommen zu haben. Gott, so sagen sie, wird erst dann handeln, wenn die Gemeinde sich dieser Einsicht entsprechend verhält. Sie soll zum Beispiel gemeinsam und zu einem bestimmten Zeitpunkt für etwas ganz Bestimmtes beten. Dieses Gebet, sagen sie, sei die Bedingung dafür, dass Gott eingreift. Wir fragen: Wo kommt so etwas im biblischen Zeugnis vor? Wir finden es nicht. In unseren Augen hat das nichts mit Prophetie zu tun. DIE ÜBERZEUGUNGEN WAHRNEHMEN, DIE «HINTER» EINEM PROPHETISCHEN WORT STEHEN Für ein Buch, das Mitte Mai 2020 bei SCM (Hg. Ulrich Eggers) erscheint, wurde ich um einen Artikel gebeten. Woran erkennt man echte Prophetie? Hier ein Auszug aus dem Artikel: In Krisenzeiten kommt ans Licht wie Menschen von Gott denken. Wo ist Gott, wie ist Gott und wie gedenkt er einzugreifen? Die christlichen Antworten darauf sind vielfältig und zum Teil auch irreführend. Ich werde immer wieder von Gemeindemitgliedern angesprochen, die prophetische Botschaften zur sogenannten Endzeit auf WhatsApp lesen und christliche Videos auf YouTube anklicken. Sie sind fasziniert und gleichzeitig unsicher, was sie glauben und tun sollen. Wenn das wirklich Propheten sind, dann müssten wir ihnen doch glauben?! Wie kann man aktuelle prophetische Worte prüfen? Ein sorgfältiger Blick auf solche Worte hilft. Wir bekommen Auskunft über die dem Glauben zugrunde liegenden Überzeugungen. Man kann sie daraufhin befragen, ob sie biblisch sind. Als Beispiel nenne ich eine Prophezeiung, die ich am 20. März erhalten habe. Dabei geht es um ein Geschehen, das „die Menschheit“ betrifft. Der Prophet bekommt etwas zu sehen. Er wird Zeuge, wie jemand „einen finsteren Plan“ schmiedet, um der Menschheit zu schaden. Er bekommt zu sehen, dass eine „bakterielle Infektion“ verbreitet werden soll. Denn „Satan hat es geschafft, den Verstand der Menschen mit dämonischen Plänen anzustecken.“ Der Kirche wird die Aufgabe zugewiesen, gegen den bevorstehenden Angriff zu beten und ihn aufzudecken: „Meine Kirche muss sich in dieser Stunde erheben und gegen diese Terroranschläge, die der Feind bringen will, beten. Wenn sie beten, wird der Angriff aufgedeckt.“ Das Wort endet mit der Verheissung eines schützenden Mantels. „Dieser Mantel kommt wieder auf die Erde, um das zu bekämpfen, was der Feind auf den Weg gebracht hat [...]. Wenn mein Volk, das mit meinem Namen gerufen wird, sich demütigen, beten und mein Gesicht suchen wird, dann werden sie ihn (den schützenden Mantel) erhalten.“ Die Überzeugung, die solchen Worten zugrunde liegt, ist folgende: ▪ Gott und Satan stehen sich kämpfend gegenüber. ▪ Der Sohn Gottes kann die Werke Satans zerstören, muss aber darauf hingewiesen und darum gebeten werden. ▪ Die Kirche muss fürbittend in einen Kampf eintreten. ▪ Wenn sie das tut – und nur dann –, wird Gott eingreifen und helfen. Ich lese in der Bibel anderes: ▪ Der Geschichtsablauf liegt in Gottes Hand. ▪ Der Sohn Gottes hat die Werke Satans bereits zerstört. ▪ Die Gemeinde hat keinen Auftrag, im Gebet gegen den Bösen zu kämpfen. ▪ Die Gemeinde hat die Aufgabe, mit ihrem Leben die Herrschaft Gottes zu bezeugen. Wir als Gemeinde müssen keine geistlichen Kämpfe führen, als ob noch etwas zu entscheiden wäre. Vielmehr danken wir Gott dafür, dass seine Herrschaft in Jesus Christus angebrochen ist. EINSTIMMEN IN GOTTES HANDELN Wo begegnet uns der Aufruf, Gott möge einen Schutzmantel über uns ausbreiten? Soll es einen solchen Schutzmantel über ‚uns‘ geben? Auch oder auch gerade für andere? … Der Grundklang solcher Botschaft ist uns fremd. Wir vernehmen eine andere Stimme. Gottes grosses Anliegen ist seine Sorge um seine Schöpfung, um seine Welt. In dieser Sorge wünscht er sich, dass seine Menschen betend an seine Seite treten. Nicht in ihrer Bitte für das eigene Wohl. Die Bitte Jesu, in die wir mit einstimmen sollen, heisst: „Dein Reich komme.“ Ich sehe die C-Krise – und nicht nur sie – als eine Zeitspanne, in der wir Menschen von den Folgen unseres Tuns eingeholt werden. Unser Umgang mit Menschen, Tieren und der ganzen Schöpfung hat viele Grenzen überschritten. Er macht unmissverständlich deutlich, welchen Göttern wir dienen. Wie sollte Gott da nicht eingreifen? Wie sollte Gott schweigen? Er ist schon immer derjenige, der seine Welt zurecht bringt und der sie schliesslich erneuern wird. Als Gemeinde sind wir bereits Teil der erneuerten Schöpfung. Das versuchen wir jeden Tag neu zu glauben und zu leben: in unserer Liebe zu Gott, in unserem Miteinander als Menschen, im Umgang mit den Tieren, den Pflanzen, dem Wasser – den Partnern unseres Lebens. Montag, 20. April 2020 OFFENBARUNG 10,1-11 – JOHANNES ALS PROPHET Kehren wir noch einmal zum Bericht vom Auszug aus Ägypten zurück. Die Aufgabe des Mose ist es, Bote Gottes an den Pharao zu sein und die Antwort des Pharao zurück zu tragen. Das aber ist nicht alles. Mose ist nicht bloss Übermittler. Sein Auftrag geht grundlegend darüber hinaus und macht ihn zum Propheten. Als solchen hat er sich selbst und hat auch Israel ihn begriffen. „Einen Propheten wie mich …“ (5. Mose 18,15). Worin liegt der Unterschied? AUS DEM BOTENWORT WIRD EIN SCHÖPFUNGSWORT Ein Bote übergibt eine Botschaft. Ein Prophet tritt auf anstelle dessen, der ihn gesandt hat. Sein Wort gilt als das Wort seines Herrn. In dem Moment, da der Prophet spricht, wird das, was er sagt, zur Wirklichkeit. Aus dem Botenwort wird ein Schöpfungswort. Was von Gottes Reden gilt, das gilt nun auch von seinem Reden: „Wenn er spricht dann geschieht es. Wenn er gebietet, dann steht es da.“ (Psalm 33,9). Derselbe Vorgang begegnet uns in der Offenbarung. Johannes beschrieb in Kapitel eins seine Begegnung mit dem Menschensohn, in der ihm seine Berufung zuteil wurde (Offb 1,10-20). Er wird hören und sehen. All das soll er aufschreiben und den Gemeinden kund tun. Das ist ein Botendienst, der ihn noch nicht zum Propheten gemacht hat. Mit dem Übergang von der sechsten zur siebten Posaune ändert sich das. ES WIRD KEINE ZEIT MEHR SEIN Aus dem Himmel kommt einer der ganz grossen Engel. Im Unterschied zur Berufung in Kapitel eins wird Johannes nicht in die himmlische Welt versetzt. Es ist der Engel, der zu ihm in die irdische Welt kommt (Offb 10,1). Beschrieben wird er als mächtige und klare Lichtgestalt, die mit beiden Beinen auf der Schöpfung (Meer und Land) steht und seine mächtige Stimme hören lässt. Sieben Donner antworten ihm. Johannes beginnt sofort das, was er zu hören bekommt, aufzuschreiben. So lautete ja sein Auftrag (Offb 1,11.19). Doch diesmal soll er nicht schreiben. Die Gemeinde soll erfahren, dass Gott ihr nicht alles mitteilt. Manches, das Gott sich vornimmt und das er durchsetzen wird, bleibt der Gemeinde verborgen. Im Schwur ruft der Engel Gott als den Ewigen (Zeit) und den Schöpfer von allem (Raum) an. Es gibt keinen Aspekt, der darin nicht enthalten wäre. Was ist daran so bedeutsam? Bisher war die Zeit immer wieder ‚dehnbar‘. Gottes Geduld gab den Menschen immer neue Fristen sowie Raum zur Umkehr. Mit dem kommenden siebten Engel, der die Posaune blasen wird, wird das vorbei sein. „Es wird keine Zeit mehr sein“ (Offb 10,6) bedeutet wohl, dass die Geschichte in eine letzte und unumkehrbare Phase eintritt. JOHANNES WIRD ZUM PROPHETEN BERUFEN In diesem Moment erhält Johannes eine neue Berufung. Bis jetzt war er Bote Gottes. Nun wird er zum Propheten. Das Bild vom Büchlein, das er verschlingen muss, kennt die Gemeinde von der Berufung des Ezechiel (Ez 3,1-3). Im Büchlein (Bildsprache!) steht das, was von Gott her kommen wird. Das aber soll für Johannes von jetzt an kein nur äusserlich geschautes und gehörtes Wort mehr bleiben. Es wird zum Teil des Propheten selbst. Dass er solche Berufung empfängt, das ist süss. Der Inhalt der Botschaft aber, der nun Teil seiner Person sein wird, macht es ihm im Inneren bitter. So wie Mose als Prophet das gültige Wort Gottes so aussprach, dass es sogleich zur Wirklichkeit wurde, so wird nun auch Johannes zum Prophet berufen. Hatte er bisher alles, was er sah und hörte aufgeschrieben und seinen Gemeinden übergeben, so wird ab jetzt sein Wort zum Prophetenwort. Wenn er nun spricht, dann wird sein Wort, das er weiterhin von Gott empfängt, zur Wirklichkeit. Was von Gottes Wort schon immer galt, das gilt von nun an auch von seinem Wort, dem Wort des Propheten: „Wenn er spricht, dann geschieht es …“. Bisher galt sein Botendienst den sieben Gemeinden. Von nun an gilt sein Wort „den vielen Völkern und Nationen und Sprachen und Königen“ (Offb 10,11). Was uns von Mose verbürgt und uns jetzt über Johannes erzählt wird, ist deutlich: Zum Propheten wird man nicht durch einen psychischen Vorgang. Man wird es durch eine Berufung. Als prophetisches Wort erweist sich die Rede eines Menschen nicht durch seelische Gestimmtheit oder durch psychische Energie. Dass es sich um echte Prophetie handelt zeigt sich allein daran, dass sie von Gott bestätigt wird. Sonntag, 19. April 2020 Ulrike schreibt: Mit den Impulsen halten Wolfgang und ich es so, dass wir gemeinsam den jeweiligen Abschnitt bedenken. Einer von uns beiden schreibt dann den Impuls. Der jeweils andere korrigiert, ergänzt und streicht. Wir gebrauchen zahlreiche und verschiedene Lexika, Wörterbücher und Kommentare. Besonders hilfreich haben sich drei Bücher erwiesen: vor allem die Kommentare des früheren Berner Neutestamentlers W. Hadorn - grossartig! - und die von Adolf Schlatter und N.T. (Tom) Wright. Die Impulse von heute und morgen gehören eng zusammen. Wir versuchen zu zeigen ● warum der Auszug Israels aus Ägypten ein 'Urbild' ist, von dem her die Auseinandersetzungen am Ende der Zeit verstanden werden können ● warum Mose ein Prophet ist. Und dass Johannes in Offb 10 ebenfalls zum Propheten gemacht wird. Das war er bis hierher nicht. OFFENBARUNG 9,20-21 - DER AUSZUG AUS ÄGYPTEN ALS 'URBILD' DER LETZTEN AUSEINANDERSETZUNG Nach dem Erklingen von sechs Posaunen warten wir sehnsüchtig auf die siebte, die letzte Posaune. Durch sie, so wird uns gesagt, wird Gottes Geschichtsplan an sein Ziel kommen (Offb 10,7). Doch wie bereits nach dem sechsten Siegel gibt es nach der sechsten Posaune eine Pause mit zwei sogenannten ‚Zwischenstücken‘. Wir müssen also warten. DIE PLAGEN IN ÄGYPTEN Wie man an den vorangehenden Schilderungen merkt, haben die Ereignisse, die durch das Öffnen der Siegel und das Blasen der Posaunen ausgelöst werden, eine auffallende Ähnlichkeit mit den Plagen, die vor dem Auszug Israels (dem ‚Exodus‘) über Ägypten gekommen sind: Wasser wird zu Blut, Finsternis, Geschwüre, Heuschrecken usw. Dadurch werden wir auf die Geschichte von der Auseinandersetzung mit dem Pharao verwiesen. In ihr liegt der Schlüssel zum Verstehen auch der neuen Zeit. DER EXODUS ALS URBILD Für Israel war der Exodus DIE eine, grosse Befreiungs- bzw. Erlösungstat Gottes. Auf sie hat man sich immer wieder berufen. Im Passahfest hat man sich jährlich diese Tat Gottes vergegenwärtigt. Das war nicht bloss Erinnerung. In den grossen Krisen der Geschichte (Teilung Israels in ein Nordreich und ein Südreich; Fall Samarias; Fall Jerusalems und Zerstörung des ersten Tempels; Deportation ins Exil nach Babylon usw.) erwachte in Israel die Hoffnung, Gott werde noch ein zweites Mal eingreifen und Israel in die Freiheit führen. Hoffnung aber benötigt Bilder. „Einen Propheten wie mich wird der Herr euch erwecken“, so hatte doch Mose voraus gesehen (5. Mose 18,15). Das nehmen die Propheten auf. „Der Herr wird ein zweites Mal seine Hand erheben …“ (Jes 11,11). Das „zweite Mal“, so verstand man es, wird dem „ersten Mal“ gleichen. Man formulierte es gar als Regel: 'Das zweite Mal wie das erste Mal' oder 'das Ende wie der Anfang'. Der Bericht von Mose, von der Auseinandersetzung mit dem Pharao, von den Plagen, der Tötung der Erstgeburt und dem ersten Passahfest, endlich der Errettung Israels und der Vernichtung der Ägypter am Schilfmeer … Das war nicht bloss die Erinnerung an die eigene Geschichte. Es waren die Bilder der Hoffnung für die eigene Zukunft. DAS GEHEIMNIS DES PHARAO — EIN REIFUNGSPROZESS Es sind diese Bilder, anhand derer Gott dem Johannes die Vorgänge der Endzeit verständlich macht. Wir halten uns vor Augen, dass das Bilder der unglaublichen Hoffnung Israels sind. So wird Gott handeln, wenn er die kommende, die grosse Erlösung bringt. Was sind das für Bilder? Der grossen Befreiung (am Schilfmeer) geht eine Zeit der Spannung voraus, die sich immer weiter steigert (die Plagen). Der Widerstand des Pharao nimmt zu. Als er unter Druck kommt, wird er bereit, das Volk gehen zu lassen. Doch dann überlegt er es sich noch einmal. Er verhärtet sein Herz. Gott aber bleibt nicht unbeteiligt. Auch er verhärtet das Innere des Pharao. Es ist, als ob sie sich gegenseitig empor schaukeln bis zum Ende. Der Widerstand des Pharao soll immer deutlicher werden, um dann offen und endgültig zum Vorschein zu kommen. Dasselbe begegnet uns in der Offenbarung. Die Plagen, die von den Siegeln und den Posaunen ausgelöst werden, sind letzte Rufe zur Umkehr. Sie führen aber nicht dazu, dass sich die Menschen von dem abwenden, in das hinein sie verstrickt sind (Offb 9,20-21). DAS URBILD DES BÖSEN Im Bericht vom Exodus erscheint der Pharao als Urbild des Bösen: Ein geschlossenes politisches und wirtschaftliches System von Mitarbeitern, Vasallen und weltweiten Geschäftsbeziehungen unter der Führung einer klaren Spitze. Was man daran erkennen kann, hilft der Gemeinde, das Böse als organisiertes und geführtes System zu begreifen. DIE AUSEINANDERSETZUNG Es ist nicht nur hilfreich sondern sogar notwendig, die Geschichte vom Auszug aus Ägypten sorgfältig zu betrachten. Am Ende geht der Pharao mit seinem System unter. Wie kommt es dazu? Die Gemeinde muss das wissen um zu erkennen, wie ‚das‘ Böse (als System) und wie ‚der‘ Böse (in der Personifikation als Satan) überwunden werden. Es ist also ein längerer Prozess, bei dem es hin- und her geht. Aktiv beteiligt sind vor allem: Gott, der Pharao, Mose und Aaron sowie Engel. Die beiden wahren Kontrahenten, nämlich Gott und der Pharao, treffen nie direkt aufeinander. Am Ende geht der Pharao unter. Blickt man auf die Geschichte zurück wird klar: Der Ausgang dieses Kampfes war von Anfang an klar, ebenso wie von Anfang an klar war, dass der Pharao nicht nachgeben würde. Und doch musste dieser Kampf aus zwei Gründen sein. Einmal musste deutlich werden, was alles der Pharao einsetzen würde, um doch recht zu behalten. Seine wahre Gestalt musste sichtbar werden. Er ging bis zum Äussersten. Und dann waren da die Menschen: „Die Ägypter sollen erkennen, dass ich der Herr bin“ (2. Mose 14,18). Das ist dieselbe Struktur der Auseinandersetzung wie die, die Johannes für die letzte Zeit schaut. DIE ROLLE DES MOSE Man mag diese Auseinandersetzung einen Kampf nennen. Und gewiss handelt es sich auch um einen Kampf. Nur: Ist das, was Mose und Aaron tun, ein Kampf? Mose erscheint als Gesandter, der die Botschaft Gottes zum Pharao bringt und die Antwort des Pharao an Gott übermittelt. Weder Mose noch Aaron haben Waffen. Der Stab, der am Anfang und dann am Ende eine Rolle spielt, ist ein Zeichen und keine Waffe. Niemand wird damit geschlagen. Vom Volk werden ganz verschiedene Reaktionen berichtet. Vor allem ihre Angst und ihr Murren. Aber weder das Volk noch Mose oder Aaron werden dazu gerufen, mit ihren eigenen Möglichkeiten und Kräften gegen den Pharao zu kämpfen. An den Vorgängen, die man Kampf nennen kann, ist allein Gott beteiligt. Auch das deckt sich mit der Aktivität, die in der letzten Zeit der Gemeinde und dem Johannes zugewiesen werden. Es gibt keinen Auftrag an die Gemeinde, direkt gegen den Bösen zu kämpfen. Diesen Kampf führt Gott selbst zusammen mit seinen Engeln. Der Blick ins Evangelium und ins ganze Neue Testament zeigt uns, dass dieser Kampf von Jesus dem Christus längst gekämpft und auch völlig entschieden ist. Die Beobachtung ist wichtiger als wir zunächst denken. DER RUF ZUM WETTKAMPF Natürlich spricht das Neue Testament von einem Kampf, der Sache der Glaubenden ist. Es ist der Kampf gegen das, was an Dunkelheit und Unklarheit noch im eigenen Leben liegt (Kol 3,5ff). Der Begriff, den Paulus für diesen Kampf verwendet, ist der des sportlichen Wettkampfes. Wer ihn gut besteht, der wird den „Siegeskranz“ (den ‚stefanos‘, der als Preis auf den Sieger im Wettkampf wartet, ) erhalten. Siehe 2. Tim 4,7f; 1. Tim 6,12. Auch in Eph 6,12 ist von einem Ringkampf und nicht einem Krieg die Rede. Die Wolke der Zeugen (Hebräer 12,1) sitzt auf der Tribüne und wartet auf uns, dass auch wir den Wettkampf bestehen. Von einem kriegerischen Kampf gegen den Bösen bzw. gegen das Böse ist nicht die Rede. Diesen Kampf hat Jesus geführt. Er hat ihn längst auch für uns bestanden. DIE PROBLEMATISCHE REDE VOM „GEISTLICHEN“ KAMPF Die Rede von einem geistlichen Gebetskampf, der uns aufgetragen sein soll, ist eine grobe Verkennung dessen, was Gott für uns getan hat. Sie ist damit eine ebenso grobe Irreführung der Glaubenden und ihrer Aufgabe. Denn einmal geht sie davon aus, dass der Sieg Jesu noch kein vollständiger Sieg ist und darum von uns zu Ende geführt werden muss. Damit schreibt sie gleichzeitig den Glaubenden eine Rolle zu, die Jesus allein übernehmen kann und bereits vollständig für die Seinen übernommen hat. Als Glaubende leben wir zwar darauf zu, dass der Sieg Jesu sichtbar, also offenbart wird. Aber gerade darum leben wir jetzt schon von seinem Sieg her. In ihrem Gebet kämpft die Gemeinde nicht gegen den Bösen. Sie dankt dem lebendigen Gott, dass er in Jesus Christus den endgültigen Sieg über den Bösen bereits erfochten und seine Herrschaft endgültig angetreten hat. Darum stimmt die Gemeinde mit freiem Herzen in den Jubel ein, der in der himmlischen Welt erklingt: „Jetzt ist das Heil und die Kraft und die Herrschaft unserem Gott geworden und die Vollmacht seinem Christus“ (Offb 12,10). Eine andere Botschaft kennt das Neue Testament nicht. Alles andere führt dazu, dass uns der Sieg Jesu kleiner erscheint als er ist, und dass uns unsere Aufgabe grösser erscheint als sie ist. Freitag, 17. April 2020 Ulrike und Wolfgang schreiben: Den nächsten Impuls zur Offenbarung finden Sie hier am Sonntag. Wer möchte, kann das bisher Gelesene vertiefen. Von Wolfgang gibt es zum Beispiel sieben Vorträge darüber, was in der Bibel über Gottes Gerechtigkeit und sein Richten gesagt wird. Das kann eine Hilfe sein für die Fragen, die beim Lesen von Offb 9 aufkommen - und die weiterhin aufkommen werden. Die Vorträge finden Sie, indem Sie zu "Informationen und Hilfsmitteln" hochscrollen. Da haben wir Texte und Audiodateien zur Offenbarung verlinkt. Wenn Sie den Link klicken, öffnet sich eine neue Seite. Auf dieser neuen Seite finden Sie unsere Vorträge über das Buch der Offenbarung, über die Endzeit, über Leiden und Martyrium. Da können Sie auch direkt die Vorträge über Gottes Gerechtigkeit und sein Richten hören. Donnerstag, 16. April 2020 Wir lesen OFFENBARUNG 9,13-21. EINE STIMME AUS DEN ECKEN DES ALTARS Die Ereignisse, die durch die sechste Posaune ausgelöst werden, ähneln jenen, die durch die fünfte Posaune ausgelöst wurden. Auch diesmal geht alles von der himmlischen Welt aus. Diesmal wird der himmlische Ort jedoch genauer beschrieben. Eine Stimme kommt von jenem Altar her, der unmittelbar vor Gott steht. Wer den Aufbau des Jerusalemer Tempels kennt – der irdische Tempel ist als Abbild des himmlischen Tempels gebaut – weiss, dass es sich nicht um den Brandopferaltar handelt, auf dem Tier-Opfer dargebracht wurden. Hier handelt es sich um den Rauchopfer-Altar. Der ist uns bereits früher begegnet, nämlich in Offb 8,3. Auf ihm wurde jener Weihrauch entzündet, mit dem die Gebete der Gemeinde zu Gott hin aufsteigen. Was heisst das für Offb 9,13? Die Gemeinde soll daran erinnert werden, dass diese Ereignisse zwar von Gott ausgehen. Die Gemeinde aber hat mit ihren Gebeten Anteil daran, dass die Gerichte losbrechen: dass Gott seine Welt zurecht bringt. Wir haben gesagt, dass bei der fünften Posaune der „Schlund“ in die Unterwelt längst da war. Aber er wurde erst jetzt geöffnet. So ist es auch hier. Die vier Engel sind längst am Euphrat ‘in Position‘, werden aber erst jetzt losgebunden (Offb 9,14). Der Vorgang ist genau bestimmt. Von uns Menschen kennen wir es, dass sich eine Situation immer mehr anspannt, um sich am Ende explosionsartig zu entladen. Davon ist hier nicht die Rede. Die Engel und ihre Losbindung sind vorbereitet, und zwar „auf die Stunde und den Tag und den Monat und das Jahr“ (Offb 9,15). Gott, der hier handelt, reagiert nicht plötzlich und auch nicht, weil er unter Druck steht. BILDER EINES MASSIVEN ÜBERFALLS Wir halten uns wieder vor Augen: Die losbrechenden Ereignisse werden in einer Bildsprache erzählt. Was meinen diese Bilder? Der Euphrat war in der Erzählung Israels seit früher Zeit jener Ort bzw. jene Grenze, mit dem die von Gott versprochene Welt endete. Jenseits des Euphrat liegt die fremde, unbekannte, bedrohliche Welt. Nur: Das ist nicht bloss eine fremde Welt. Es ist in der Vorstellung Israels eine zerstörerische Macht. Ihr Grundcharakter wird uns im Bild der apokalyptischen Tiere und ihrer Reiter beschrieben. Waren es bei der fünften Posaune Heuschrecken, so sind es hier Pferde. Die Heuschrecken in Offb 9,7 glichen Pferden, die zum Krieg gerüstet sind. Sind das vielleicht dieselben, die uns hier in Offb 9,17 begegnen? War es bei der fünften Posaune ein ungezählter (oder unzählbarer?) Schwarm, so ist diesmal eine genaue Zahl genannt. Rechnet man nach um zu verstehen, wie gross dieses Heer ist, begreift man jedoch schnell: Wie bei den Heuschrecken ist das Reiterheer auch hier unzählbar. Johannes selbst kommt gar nicht zum Zählen. Er hört nur ihre Zahl (Offb 9,16). Eine weitere Parallele zu den Ereignissen, die durch die fünfte Posaune ausgelöst wurden, besteht darin, dass die Reiterheere nicht zerstörend über die Erde und die Natur herfallen bzw. herfallen dürfen. Ihr Ziel sind die Menschen. Damit ist die Parallele aber auch zu Ende. Die Heuschrecken der fünften Posaune bekamen Macht über die Menschen - mit Ausnahme jener Menschen, die von Gott versiegelt waren (Offb 9,4). Allerdings: Keiner der Menschen durfte getötet werden! Sie wurden geplagt - fünf Monate lang. Das ist bei der sechsten Posaune anders. Diesmal dürfen die Reiterheere die Menschen direkt angreifen und können sie töten. Merkwürdig ist, dass die Reiter bloss erwähnt werden, während die Pferde genau beschrieben werden: mit feuerroten, blauen und schwefelgelben Panzern. Aus ihren Mäulern kommen Feuer, Rauch und Schwefel. Ihre Schwänze bestehen aus Schlangen usw. Die Pferde sind es, die den Menschen den Tod bringen. Doch wie in der fünften Posaune ist dem Handeln der Tiere eine Grenze gesetzt. Lag sie bei der fünften Posaune in der Zeit („fünf Monate“ Offb 9,5), so ist es jetzt die Zahl: „der dritte Teil der Menschen“ (Offb 9,18). WAS IST DAS: ZUFALL, STRAFE ODER GERICHT? Wenn man diesen Abschnitt liest, dann mag man bedrückt sein von der Massivität der Schläge, die über die Menschen ergehen. Haben wir es hier mit einem strafenden Gott zu tun, der auf diese Weise zurück schlägt? Oft genug hat man diese Schilderungen so gedeutet. Liest man diese Abschnitte noch einmal, dann kann einem auffallen, dass die verheerenden Taten in den Bildern von Heuschrecken (fünfte Posaune) und Pferden (sechste Posaune) an keiner Stelle auf eine Ursache zurückgeführt werden. Dass es sich um Gottes Strafe handelt, das mag unsere Vermutung sein. Im Text steht diese Deutung - wenigstens hier - nicht. GOTTES HILFLOSE LIEBE Gibt es eine Möglichkeit, diesen Text zu deuten, ohne ihm Unrecht zu tun? Hören wir die Propheten Israels. Gott hat sein Volk durch die Propheten zur Umkehr gerufen, immer und immer wieder. Erzählt wird, dass sich das Volk dieser Umkehr immer wieder verweigert: „O wehe der sündigen Nation, dem schuldbeladenen Volke, der Brut von Bösewichtern, den missratenen Kindern! Verlassen haben sie den Herrn, verworfen den Heiligen Israels, haben ihm den Rücken gewandt“ (Jes 1,4). Wenn Gott hier spricht, dann ist er derjenige, der in sehnsüchtiger Liebe darauf wartet, dass sein Volk zu ihm zurückkehrt. Die Propheten halten dem Volk vor, welches Unrecht es tut und werben gleichzeitig darum, dass Israel sich zurück bringen und zurecht bringen lässt. In seinem Schmerz versucht Gott alles, was ihm möglich ist, um seine Geliebte doch noch zu gewinnen. Doch: „Je mehr ich sie rief, desto mehr gingen sie von mir weg“ (Hosea 11,2). Hinter allem, was Gott tut, wird eines deutlich: „Ich habe sie an mich gezogen mit Banden der Huld, mit Seilen der Liebe“ (Hosea 11,4). Vergeblich! Was nun? Da versucht Gott es in einem letzten Schritt mit dem Gegenteil: „Da wurde ich ihnen wie einer, der sie auf den Backen schlug …“ (Hosea 11,4). Es ist die Tat einer verzweifelten, einsamen und hilflosen Liebe. So reden die Propheten von Gott und seinem Versuch, sein geliebtes Volk zu sich zurück zu holen. Denn: „Wie könnte ich dich preisgeben, Ephraim, dich ausliefern, Israel? … Mein Herz kehrt sich um in mir. All mein Mitleid ist entbrannt …“ (Hosea 11,8). GERICHT ALS RUF ZUR UMKEHR Mit diesem Gott haben wir es zu tun, auch und gerade in der Offenbarung des Johannes. Woher können wir das wissen? Es ist einfach: Die apokalyptischen Ereignisse, die uns in den Siegeln und in den Posaunen beschrieben werden, sind Gottes Gerichtshandeln. Wir Menschen werden von den Folgen unserer Taten eingeholt. Gott schützt uns nicht mehr vor uns selbst. In diesem Gericht – so schrecklich es ist – verbirgt sich Gottes Ruf zur Umkehr. Wir Menschen sollen zurückfinden zu Gott. Wir sollen „zurecht gebracht“ werden: zu einem gerechten Miteinander und so zu unserem wahren Menschsein. Das neunte Kapitel schliesst mit einer Beschreibung (Offb 9,20-21): „Die übrigen Menschen, die durch die Plagen nicht getötet wurden, kehrten sich nicht ab von den Werken ihrer Hände …“ (Offb 9,20-21). Es ist gut, wenn man diese beiden Verse langsam und laut liest. Die Menschen beten weiterhin das an, was nicht Gott ist. Das heisst, sie geben dem, was sie anbeten, letzte Autorität und Macht. Im Gericht verbirgt sich immer noch Gottes Ruf zur Umkehr. Wir sollen „zurecht gebracht“ werden. So waren und sind diese Ereignisse von Gott her gemeint. Wird dieser Ruf zur Umkehr vielleicht doch noch gelingen? Unbegreiflich und erschreckend ist doch nicht Gott. Unbegreiflich und erschreckend ist der Mensch in seinem ungebrochenen Widerstand gegen Gottes erbarmend-sehnsüchtige Liebe. Mittwoch, 15. April 2020 OFFENBARUNG 9,1-12 – DIE FÜNFTE POSAUNE Der Adler, der im Anschluss an die vierte Posaune in den Zenit aufsteigt (Offb 8,13), kündet mit lauter Stimme ein dreifaches Wehe an. Was mit den ersten vier Posaunen begann, wird ab der fünften Posaune eine grundsätzliche Steigerung erfahren. Wir achten darauf, worin das grundsätzlich Neue ab der fünften Posaune besteht. Wie die ersten vier Posaunen, so ist auch die fünfte Posaune als Gericht zu verstehen. Es sind wiederum die Folgen menschlichen Tuns, die über die Schöpfung losbrechen. DIE LÄNGE DER DARSTELLUNG Zunächst mag uns die Länge auffallen, mit der die Ereignisse beschrieben werden, die die fünfte Posaune auslöst. Auch bisher wurden die Plagen der Endzeit beschrieben. Sie werden mit der sechsten Posaune (Offb 9,13-21) und später mit den sieben Zornschalen (Offb 16) weiter gehen. Die Beschreibung der Plage, die mit der fünften Posaune über die Welt kommt, ist die längste. Sie ist aber nicht nur lang. Sie ist auch grundsätzlich anders. DER VERGLEICH MIT DER EIGENEN PSYCHE Beginnen wir mit einem Vergleich. Manche von uns kennen extreme Situationen in der eigenen Lebensgeschichte. Oder ihnen begegnen in ihren Albträumen Bilder, in denen die Grenzen des Normalen überstiegen werden. Wir ahnen, dass es Abgründe im Leben und auch Untiefen der eigenen Psyche gibt. Wir wären ihnen machtlos ausgeliefert, wenn sie unser Bewusstsein überschwemmten. DIE VERSCHLOSSENE TIEFE Daran hängt viel für unser Menschsein. Wir sind und bleiben seelisch gesund, solange diese Untiefen der eigenen Psyche verschlossen bleiben. Hugo von Hofmannsthal sagt in einem hellsichtigen Wort: „Die Menschen suchen die Tiefe. Aber in der Tiefe, da heulen die Hunde.“ Und: „Politik ist Dämonie. Derjenige wird die Macht gewinnen, der die Tiefen der Menschen zu erreichen weiss.“ Was mag geschehen, wenn die bisher verschlossenen Tore unserer Psyche aufbrechen und wir von dem, was in unserer eigenen Tiefe wohnt, überschwemmt werden? Das klingt anders als manches, was häufig gesagt wird: Dass der Weg in die Tiefe der Weg zu unserem unverstellten und heilvollen Selbst ist. Oder dass wir in der Tiefe zu einer kosmischen und religiösen Einheit finden. DIESE ERKENNTNIS IST ALLEN MENSCHEN ZUGÄNGLICH Um die Tiefen unserer Psyche wahrzunehmen, braucht man weder Glauben noch eine bestimmte Weltsicht. In der Psychologie und Psychiatrie sind diese Zusammenhänge bekannt und auch häufig beschrieben worden. Ein Beispiel: C. G. Jung hat sich eingehend mit dem Nationalsozialismus befasst. Er verstand das Phänomen der massenhaften ideologischen Begeisterung von der Ansprache des kollektiven Unbewussten her, das sich in einer mächtigen Eruption äussert. C. G. Jung hat auch auf den in mancher Hinsicht genialen Friedrich Nietzsche verwiesen: Nietzsche hatte Zugang zu den Bildern der eigenen Tiefe. Darin lag bei aller Genialität seine Gefährdung. Als ihm die inneren Bilder immer mächtiger wurden, konnte er sie nicht mehr bändigen. Sie überschwemmten seine Psyche und zerstörten sein Selbst. Es ist wichtig, um diese Zusammenhänge zu wissen. Dann ahnt man, wie entscheidend es ist, dass die Türen, die uns Menschen bzw. unsere Psyche vor unseren eigenen Tiefen und Dunkelheiten schützen, unserem Bewusstsein verschlossen bleiben. DIE FÜNFTE POSAUNE Was wir aus dem Bereich der Psyche von uns Menschen durchaus kennen oder zumindest ahnen, das beschreiben die Vorgänge der fünften Posaune noch einmal anders. Nicht nur wir Menschen haben einen „Schlund“, der in die eigene Untiefe führt und der unserem Bewusstsein weitgehend verschlossen ist. Es gibt einen solchen „verschlossenen Schlund“ auch in der Schöpfung, deren Teil wir Menschen sind. Um ihn geht es in der fünften Posaune. DER STERN - UND DIE ÖFFNUNG DES „SCHLUNDS“ Zunächst fällt ein Stern vom Himmel, dem der Schlüssel zur Unterwelt gegeben wird (Offb 9,1). Damit erschliesst er den „Schlund“, der die Unterwelt zur Oberfläche der Schöpfung hin öffnet. Diesen Schlund gab es auch vorher. Er ist nicht neu. Aber er war verschlossen. Auch Menschen konnten ihn nicht öffnen. Es ist Gottes Initiative, diese Tiefe der Welt hervortreten zu lassen. Was jetzt aus dieser Tiefe hervorbricht, ist so etwas wie ein geordnetes System, ist eine Königsherrschaft (Offb 9,11). Der Name dieses Engel-Königs macht deutlich, zu welchem Ziel dieses „Königtum“ errichtet ist und wozu die Kräfte, die jetzt hervor kommen, antreten. „Abbadon“ ist die hebräische Bezeichnung für jenes „Verderben“ (bzw. den Bereich jenes Verderbens), durch das Menschen endgültig von Gott abgetrennt werden. Das ist also mehr und anderes als eine einfache „Schädigung“. Der griechische Name „Apollyon“ bezeichnet den, der dieses Verderben bewirkt bzw. anführt. In einem regelrechten Horrorbild wird der Vorgang geschildert. Aus dem geöffneten Schlund kommt Rauch, aus dem ein Heuschreckenschwarm emporsteigt. Aber das sind keine Heuschrecken. Wir haben es auch hier mit Bildersprache zu tun. Was jetzt geschieht, das wird uns in bildhaften Vergleichen beschrieben und nicht in Bildern, die uns in der Wirklichkeit begegnen könnten. Wofür stehen diese Bilder? Der möglichen – und immer wieder offenen – Deutung kommt man nahe, wenn man nach den Vorgängen fragt. Was tun diese ‚Heuschrecken‘? Wie gehen sie vor? An wen wenden sie sich? Nur auf diese Weise werden wir dem Verständnis nahe kommen. Einiges wird beim genauen Betrachten klar. Einmal: Die bisherigen Schädigungen, die mit der Öffnung der Siegel bzw. mit den ersten vier Posaunen über die Schöpfung gekommen waren, blieben bei aller Dramatik in den Grenzen der Naturerfahrung. Man kann sich vorstellen, dass das, was in ihnen angekündigt wurde, mit und in der Natur geschehen kann: Das Wasser verdirbt, das Gras wird versengt, Pflanzen und Bäumen werden geschädigt, die Atmosphäre verdunkelt sich, usw. Mit der fünften Posaune aber ändert sich das. Die bisher bestehende Grenze wird überschritten. Obwohl Heuschrecken sich von Pflanzen ernähren, wenden sie sich nun einer anderen ‚Speise‘ zu. Ausdrücklich wird das ‚Grüne‘, also Gras, Erde, Bäume usw. nicht angetastet, sondern einzelne Menschen. Es ist keine Frage, dass hier Mächtiges, ja Übermächtiges geschieht. Hier tritt der auf, der aus dem bisher verborgenen und verschlossenen „Schlund“ kommt. Sein Name drückt Aufgabe und Ziel aus: Die Menschen und mit ihnen die Schöpfung sollen hinein gezogen werden in den Bereich, in dem sie endgültig von Gott abgeschnitten sind – in eine tief gewurzelte Qual und Zerstörungswut. Deutlich wird auch, dass diesen Heuschrecken klare Grenzen gesetzt sind. Die Pein wird fünf Monate dauern (die volle Zahl wäre sieben). Die Peinigung darf nicht zum Tod führen, obwohl sich die Menschen den Tod wünschen. Dort, wo sie zum Mittel der Selbsttötung greifen wollen, wird der Tod vor ihnen fliehen. Und: Begrenzt ist auch, wen die Peinigung erreicht. Sie erreicht nicht alle Menschen. Ausgenommen von der Peinigung sind diejenigen, die das Siegel Gottes an der Stirn haben (siehe Offb 7,3-8), die also zu Gott und zum Lamm gehören. Wir machen hier einen Halt. Manches in diesem Horrorbild ist nicht entschlüsselt. Man könnte weiter fragen, weiter überlegen … Es stellt sich aber die Frage, welchen Sinn eine weitergehende Deutung dieser Bilder haben soll. Denn das, was mit dem Bild bzw. mit dem Vorgang, den die fünfte Posaune auslöst, gemeint ist, liegt genügend klar vor uns. Das Gericht – das wir Menschen mit den Folgen unseres Tuns konfrontiert werden – ist mit der fünften Posaune nicht vorbei. War das erste „Wehe“ bereits schrecklich, so folgen noch zwei weitere Wehe. DIE VERSIEGELTE GEMEINDE BLEIBT VERSCHONT Auch wenn Einzelheiten dieses Bildes ungedeutet bleiben: Das Bild selbst ist verständlich. Es findet kein Kampf statt. Die Mächte, die aus dem Schlund aufsteigen, müssen in den Grenzen bleiben, die Gott ihnen gesetzt hat. Verschont bleiben die Menschen, die das Siegel Gottes auf der Stirn haben. Sie sind von Gott gekannt, von Gott bezeichnet und von ihm beschützt. Was tun sie in dieser Zeit des Gerichts? Im Bild gesprochen: Sie tun nichts. Sie werden zu keinem Handeln – das in irgendeiner Weise „besonders“ wäre – aufgefordert. Glauben heisst, dass man in dem, was Gott einem zugesprochen hat, ruht, ja dass man es gerade in solchen Zeiten lernt. Es ist von Gott her alles geschehen, alles ruhig geworden. Das beantwortet die Gemeinde damit, dass sie auch ruhig wird. Dann gibt es die andere Gruppe von Menschen. Was erfahren wir von ihr? Auch diese Menschen tun nichts. Aber dieses Nichtstun hat eine andere Eigenart. Davon werden wir in Offb 9,20.21 lesen. So weit sind wir mit unserem Abschnitt noch nicht. Ostersonntag, 12. April 2020 Ulrike und Wolfgang schreiben: Der HERR ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden! Ein frohes Osterfest wünschen wir euch und Ihnen. Wer einen Impuls zur Auferstehung von den Toten lesen will, kann das hier tun. Das gemeinsame Lesen der Offenbarung setzen wir am Mittwoch fort. (1) JESUS CHRISTUS IST DER ERSTGEBORENE VON DEN TOTEN» OFFB 1,5 Bis jetzt ist einer von den Toten auferstanden. Das ist Jesus Christus. Mit ihm hat die neue Schöpfung begonnen. Das Neue Testament nennt ihn den Ersten, den Erstgeborenen oder den Erstling: ● «Nun aber ist Christus auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind.» 1. Korinther 15,20 Der „Erstling“ ist nicht bloss ein einsamer Vorläufer. Er schliesst diejenigen, die ihm folgen, bereits ein. ● «Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. Ein jeder aber in der für ihn bestimmten Ordnung: als Erstling Christus; danach die Christus angehören, wenn er kommen wird» 1. Korinther 15, 22-23 Mit der Auferstehung, die einer einzigen Person mitten in der Geschichte der Menschheit widerfuhr, begann die Königsherrschaft Gottes. Sie kommt in der grossen Auferstehung am letzten Tag zum Ziel, in der auch wir von den Toten auferweckt werden. (2) WIR WERDEN LEIBHAFT AUFERWECKT UND DIE SCHÖPFUNG WIRD ERNEUERT Diejenigen, die zu Jesus gehören, werden eines Tages ebenso auferweckt werden, wie er auferweckt wurde. ● «Gott aber hat den Herrn auferweckt und wird auch uns auferwecken durch seine Kraft.» 1. Korinther 6,14 ● «Denn wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will.» Johannes 5,21 Wir hoffen auf eine neue körperliche Existenz. Das ist das biblische Verständnis von der Auferweckung von den Toten. Unsere Auferweckung wird in der Bibel unmissverständlich als «körperlich» verstanden. Damit hängt ein Zweites zusammen: Wir hoffen auf eine neu erschaffene Welt. Gott macht «Himmel und die Erde» neu – und zwar nach dem Bild der gegenwärtigen Welt. Gott hat diese erste Erde so gut gemacht, dass sie das Bild für die erneue Erde ist. Leben in Ewigkeit findet also nicht in einem irgendwie gearteten «Himmel» statt, sondern auf einer erneuerten Erde. Offb 21/22 erzählen in Bildsprache, wie Gott zum Ziel kommt und schlussendlich seine Schöpfung erneuert. Alles läuft darauf zu, dass wir einen neuen Leib bekommen und in einer neuen Schöpfung leben werden. In der neuen Schöpfung kommen Sichtbares und Unsichtbares zusammen. Gott wohnt dann inmitten seiner Schöpfung. (3) DER HIMMEL – EINE DIMENSON UNSERES GEGENWÄRTIGEN LEBENS Wir haben in Offenbarung 7 von denjenigen Menschen gehört, die zu Jesus Christus gehören. Das sind die 144'000, die «grosse Schar aus allen Völkern, die niemand zählen konnte». Sie sind «versiegelt», mit einem Zeichen versehen, das sie zu Jesus zugehörig erklärt. Von ihnen – und damit auch von uns – wird gesagt: «Darum sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel. Und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen wohnen. ... Das Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Quellen lebendigen Wassers, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.» Offb 7,15-17 Mit ihnen sind auch wir gemeint. Offb 7 ist ein Bild für die gegenwärtige Realität, für die himmlische Dimension unseres gegenwärtigen Lebens. Hier wird unser Leben beschrieben, wie es jetzt ist. Wie es später einmal sein wird, haben wir im vorangehenden Abschnitt gehört. Die Bilder vom Himmel – die Johannes in der Offenbarung sieht – werden oft missverstanden. Es sind nicht Bilder einer Zukunft, sondern es sind Bilder für unsere gegenwärtige Wirklichkeit. Wir erinnern uns: Wenn die 24 Ältesten ihre Kronen vor dem Thron Gottes und dem des Lammes ablegen (Offb 4,10), dann ist das kein Bild vom letzten Tag. Sondern es ist ein Bild für die gegenwärtige Wirklichkeit, für die himmlische, uns aber noch verborgene Dimension unseres gegenwärtigen Lebens. Die Vertreter von Schöpfung und Geschichte beten Gott jetzt an. Wir sind als betende Gemeinde bereits jetzt mit dabei. (4) UNSER NEUES LEBEN IST DA – ABER ES IST VERBORGEN Eindrücklich beschreibt Kolosser 3,1-4 unsere Wirklichkeit. Für die glaubenden Menschen gilt: «Ihr seid mit Christus auferweckt worden» (Kol 3,1). Gleichzeitig gilt: «… euer Leben ist mit Christus in Gott verborgen» (Kol 3,3). Die Konsequenz, die sich für unsere Lebensführung daraus ergibt, lautet: «Suchet was droben ist. Richtet euern Sinn auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf Erden ist» (Kol 3,2). Dieser Zustand ist jedoch nicht das Ziel. Das lautet: «Wenn Christus, unser Leben (bei seiner Wiederkunft) offenbar werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm offenbar werden in Herrlichkeit» (Kol 3,4). Wir sind also jetzt schon die, die wir einmal sein werden. Wir glauben es ihm. Aber die Wirklichkeit ist unseren Augen bis zu dem Moment, da Jesus wiederkommen wird, noch verborgen. Dann jedoch werden wir sehen, wer wir mit Christus immer schon gewesen sind. (5) DIE VERSTORBENEN SIND AUFGEHOBEN Wer verstorben ist, ist noch nicht von den Toten auferstanden. Das ist bisher nur einer, nämlich Jesus Christus. Die Verstorbenen sind aber «aufgehoben» bei Gott. Sie gehören – wenn sie Teil der 144'000 sind – zu denen, die in Offenbarung 7 genannt werden und die «im Himmel» sind. Man kann den Ort, an dem die Verstorbenen aufgehoben sind, als «Himmel» bezeichnen, als «Paradies», als «Totenreich». Das ist ein zeitlich begrenztes Stadium VOR der Auferstehung des Leibes. .... Wenn Jesus dem Schächer am Kreuz sagt, sie würden am selben Tag im Paradies sein, dann ist das Paradies nicht das endgültige Ziel. «Das Paradies ist vielmehr der herrliche Garten, in dem sich Gottes Volk vor der Auferstehung ausruht.» (Tom Wright, Von Hoffnung überrascht, 67). Das Ziel ist die leibhafte Auferstehung und das Leben auf einer erneuerten Erde. (6) UNSERE AUFGABE Weil Jesus als Erstling auferstanden ist, werden auch wir von den Toten auferweckt werden. Das bezeugen wir schon heute mit unserem Leben. ● «So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln.» Römer 6,4 Ostern hat eine «sehr diesseitige, auf das gegenwärtige Zeitalter bezogene Bedeutung: (...) Jesus ist auferstanden, also hat Gottes neue Schöpfung begonnen – und wir, seine Nachfolger, haben einen Job zu erledigen. Jesus ist auferstanden, also müssen wir als seine Herolde handeln und seine Herrschaft der ganzen Welt verkündigen, damit sein Königreich auf Erden kommt, wie es im Himmel ist!» (Wright, ebda. 82) An die Auferstehung von den Toten zu glauben, ist keine gemütliche Sache. Der Tod ist die letzte Waffe eines Tyrannen. Auferstehung ist die «Überwindung des Todes und damit derjenigen, deren Macht vom Tod abhängt.» (ebda. 77) Die Gemeinde Jesu – weil sie an die Auferstehung glaubt – bestreitet die Macht der Tyrannen. Sie ist Gott gegenüber loyal und bezeugt seine Herrschaft. Freitag, 10. April 2020 Ulrike und Wolfgang schreiben: Drei Wochen sind wir nun schon mit der Offenbarung unterwegs. Heute ist Karfreitag und wir leben auf Ostern zu. Wir wünschen euch von Herzen gute Tage fürs Hinschauen, Beten und die Osterfreude. Damit ihr "Zeit für Ostern" habt, geht es erst am Mittwoch, dem 15. April mit dem nächsten Impuls zur Offenbarung weiter. ◎ Wir werden am Ostersonntag für die, die Freude daran haben, einen Oster-Impuls - ausserhalb der Reihe - zur Verfügung stellen: Wie ist es mit der Auferstehung von den Toten? Wer ist schon auferstanden? Wo sind die Verstorbenen jetzt? ◎ Am Ostersonntag werden wir einige unserer bisher veröffentlichten Vorträge und Predigten zur Offenbarung zur Verfügung stellen. Wolfgang stellt die Skripte und Audio-Dateien übersichtlich auf einer eigenen Seite - hier auf unserer Homepage - zusammen. Wenn ihr euer Wissen vertiefen möchtet oder wiederholen wollt, was wir in den letzten Wochen erarbeitet haben, könnt ihr das hier tun. Viel Segen euch in diesen Tagen! Donnerstag, 9. April 2020 Heute gibt es - wie immer - einen Impuls zur Offenbarung. Bitte lest Offb 8,7-13. Im Anhang findet ihr einen Info-Teil, der rein geschichtlich bzw. informativ ist. Was hat es mit den Posaunen, bzw. den Schofarim auf sich? Wann wurden sie geblasen, welche Signaltöne gab es? OFFENBARUNG 8,7-13 – DIE EREIGNISSE UND IHRE DEUTUNG Wir beobachten: Die sieben Posaunen werden den Engeln gegeben, als das siebte Siegel geöffnet wird (8,1-2). Wie in der ersten Siebener-Reihe gibt es auch hier zwei Gruppen. Die ersten vier Engel mit ihren Posaunen (8,7-13) sind ähnlich wie die vier ersten Siegel (6,1-8) eher knapp beschrieben und scheinen zusammen zu gehören. Darauf folgt die zweite Gruppe. Der fünfte und sechste Posaunen-Engel in 9,1-21 entspricht dann der Öffnung des fünften und sechsten Siegels in 6,9-17. Klar davon abgehoben ist das jeweils siebte Glied jeder Siebener-Reihe: der siebte Engel mit der Posaune folgt erst in 11,15, wie auch die Öffnung des siebten Siegels erst mit einigem Abstand in 8,1 erfolgt. Zwischen dem sechsten und dem siebten Glied jeder Reihe sind jeweils zwei sogenannte Zwischenstücke eingeschoben: 10,1-11 und 11,1-14 zwischen sechster und siebenter Posaune wie 7,1-8 und 7,9-17 zwischen sechstem und siebtem Siegel. Wir beobachten, wie sorgfältig die Darstellung aufgebaut ist. Wichtig ist einmal mehr die sorgfältige Unterscheidung: Was geschieht in der himmlischen Welt und was geht in der irdischen Welt vor sich? In unserem heutigen Abschnitt sind es die Engel, die zur himmlischen Welt gehören. Es handelt sich um die sieben „Angesichts-Engel“ Gottes. In der himmlischen Welt erhalten sie ihre Posaunen. Es scheint so zu sein, dass sie die himmlische Welt auch gar nicht verlassen. Ihre Posaunen blasen sie von ihrem himmlischen Ort aus. Alles andere geht in der irdischen Welt vor sich. DIE ENGEL LÖSEN DIE IRDISCHEN EREIGNISSE AUS Ein Missverständnis könnte entstehen. Sind es die Engel mit ihren Posaunen, die alles, was nun beschrieben wird, bewirken? Es könnte so aussehen, dass die katastrophalen Ereignisse, die nun beginnen, der Mächtigkeit der Engel entspringen. Aber das wird nicht gesagt. Die Engel bewirken nichts. Sie lösen die irdischen Ereignisse nur aus. Es ist so, als ob die Welt voll angehaltener Spannung dasteht und wartet. Durch den Klang der Posaunen wird diese Spannung gelöst, so dass die aufgestauten Ereignisse in der irdischen Wirklichkeit losbrechen können. DIE BILDER VOM ALTEN TESTAMENT HER VERSTEHEN Die Bilder, mit denen uns diese Ereignisse beschrieben werden, finden wir bereits im Alten Testament. „Hagel und Feuer mit Blut vermischt“ (Offb 8,7) kennen wir aus den Plagen, die Mose über Ägypten brachte (2. Mose 9,23-26). Auch andere Bilder der kommenden Katastrophen entstammen der Geschichte von der Befreiung aus Ägypten: das Wasser des Meeres wird zu Blut (Offb 8,8); das Wasser wird bitter (Offb 8,11); die Finsternis überfällt die Menschen (Offb 8,12) und noch weiter. Auch die Heuschrecken (Offb 9,3ff) kennen wir aus der Geschichte von Israels Auszug aus Ägypten. Was bedeutet dieses Geschehen? Damals griff Gott ein, um sein Volk aus der Knechtschaft zu befreien. Mehr: In der Auseinandersetzung zwischen dem mächtigsten Herrscher der Welt – also dem Pharao – und Gott musste deutlich werden, in wessen Hand die Herrschaft über alles liegt: Sowohl die Herrschaft über die Schöpfung als auch die Herrschaft über den Lauf der Geschichte. Nach dem Auszug konnte Israel singen: „Der Herr ist König immer und ewig“ (2. Mose 15,18). Es gehört zu den Grundlagen biblischen Verstehens, dass man die Ereignisse der Gegenwart zusammenhält mit den Ereignissen, die man aus Gottes Geschichte mit seinem Volk bereits kennt. Die wesentliche Frage lautet also: Woher kennen wir die Ereignisse bereits? Und: Welche Bedeutung hatten sie damals? Weil uns die grosse Geschichte Gottes mit den Vätern und mit seinem Volk in der Bibel erzählt wird, ist für uns vor allem das Alte Testament unverzichtbar. Im Licht der biblischen Geschichten beginnen wir die eigene Geschichte zu verstehen. Das ist ein Prozess, der für uns nie abgeschlossen ist. DIE BILDER VON UNSERER GEGENWART HER VERSTEHEN Zu den Ereignissen, die uns in dem Abschnitt Offb 8,7-12 beschrieben werden, kommen weitere Erinnerungen. Die Menschen, die zur Zeit der Abfassung der Offenbarung lebten, hatten den Ausbruch des Vesuv noch vor Augen. Da stürzt eine feurige Gesteinsmasse ins Meer. Was Johannes sieht, das war den Menschen nicht unbekannt. So müsste es auch bei uns weiter gehen. Dass Erde, Bäume und Gras in bisher nicht gekanntem Ausmass (Offb 8,7) verbrennen können, das haben wir in den letzten Monaten deutlich genug erlebt. Dass das Meer brennen kann, ist uns so noch unbekannt. Aber dass sich das Meer durch die Plastikrückstände für die Tiere, die in ihm leben, in einen gefährlichen Ort verwandelt, beginnen wir bereits zu begreifen. Seit längerer Zeit wissen wir auch, wie schnell unser Wasser vergiftet werden kann. Endlich wissen wir auch, dass durch den Smog und durch die Lichtverschmutzung das Licht von Sonne, Mond und Sternen getrübt sind. Wie viele Kinder und inzwischen auch Erwachsene haben noch nie in ihrem Leben die Milchstrasse mit eigenen Augen gesehen?! ES GIBT EINE STEIGERUNG Gegenüber den Heimsuchungen, die die Öffnung der Siegel begleiteten, weisen die Heimsuchungen, die durch die Posaunen eingeleitet werden, eine Steigerung auf. Neu an der Schilderung von Offb 8,7-12 ist die Steigerung. Beim Lösen der Siegel war das Ausmass der Katastrophe noch nicht benannt. Lediglich bei Schwert, Hunger und Pest ist genannt, dass es ein Viertel der Einwohner treffen wird (Offb 6,8). Nun aber wird bei allen vier Posaunen gesagt, die darin angekündigten Ereignisse würden ein Drittel der Erde schädigen bzw. vernichten. Also: Das Ausmass der Katastrophe nimmt zu wie auch die Präzision der Beschreibung. EIN BERICHT UND SEINE DEUTUNG Halten wir uns zum Abschluss den Weg vor Augen, auf dem es zum Verstehen kommt. Die Schau des Johannes wird von den Erzählungen her verstanden, die man aus der biblischen Geschichte kennt. Die biblischen Geschichten berichten ja nicht nur von den vergangenen Ereignissen. Sie enthalten auch eine klare Deutung. Was war gemeint, als damals Wasser zu Blut wurde, als damals … Die Geschichte vom Auszug aus Ägypten ist nicht nur die Erzählung vergangener Ereignisse. Sie enthält auch die Deutungen dieses Weges, den Gott mit seinem Volk gegangen ist. Nun werden also das prophetische Wort (die Offenbarung des Johannes) zusammen gehalten mit der Deutung der Geschichte durch den Auszug aus Ägypten. Im Licht dieser Geschichte und ihrer Deutung schauen wir nun auf das, was heute mit uns und unserer Welt geschieht. Es sind das prophetische Wort zusammen mit der biblischen Geschichte, die ihr Licht auf unsere Gegenwart werfen. Kaum jemand wird sagen können, dass das schwer verständlich ist. Natürlich kann man an dieser Deutung immer noch vorbei gehen. Aber kaum darum, weil sie einem unverständlich wäre. EXODUS – EINE GESCHICHTE VON GERICHT UND BEFREIUNG Wichtig erscheint uns die Frage, wie wir die Geschichte vom Auszug aus Ägypten zu deuten haben. Der Exodus erzählt von Gottes Gericht über alles, was Gott widersteht. Und er ist eine Befreiungsgeschichte für alles, was Gott gehört. Uns berührt es, dass wir diese Zeilen zu genau der Zeit schreiben, da die Juden mit dem Passa-Mahl beginnen (am 8. April 2020). Der Auszug ist das gewaltige Fest der Freiheit, der Befreiung. Gott erweist seine Macht gegen alle Kräfte, die die Menschen knechten und versklaven. Diesen Sieg glauben wir. Von diesem Sieg Gottes her leben wir. In seinem Licht deuten wir was mit uns, um uns und durch uns geschieht. Mittwoch, 8. April 2020 ALLES WÄCHST HERAN Wir lesen, wie ab Kapitel 6 der Offenbarung Notzeiten über den Erdkreis losbrechen. Sie geschehen kaskadenartig, sie wiederholen sich, sie steigern sich. Damit stellt sich die Frage nach Gottes Eingreifen. Sie wird ja auch oft gestellt. Warum greift Gott angesichts der vielen Nöte in unserer Welt nicht ein? Diese Frage kennt jede und jeder von uns. Wenn Gott doch allmächtig ist: Kann er nicht eingreifen? Wenn er doch der Liebende ist: Will er nicht eingreifen? Bemerkenswert ist, dass diese Frage in der Offenbarung nicht vorkommt. Die Offenbarung bezeugt – wie es auch Jesus und die Paulusbriefe tun –, dass Gott in Jesus Christus das Böse überwunden, also den endgültigen Sieg errungen hat. Alles – so lesen wir – liegt in seiner Hand. Das aber scheint die Frage, warum Gott nicht eingreift, nicht leichter sondern nur noch schwerer zu machen. Gibt es darauf eine Antwort? Mit Antworten auf solche Fragen sollte man vorsichtig sein. Hier aber unser Versuch. ZEIT ZUR REIFUNG Zu den Grundlagen apokalyptischen Denkens gehört die Einsicht, dass die Geschichte eine Geschichte des Wachstums bis hin zur Reife ist. Jesus hat das eindrücklich in seinem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen geschildert (Mt 13,24-30). Ein Landwirt hat einen Acker, auf den er guten Samen ausgebracht hat. Sein ‚Feind‘ aber hat auf denselben Acker auch Unkraut gestreut. Beides wächst nun neben einander. Als die Knechte des Landwirts es bemerken, fragen sie ihren Herrn, ob sie das Unkraut ausreissen sollen. Jeder im damaligen Israel weiss, dass das nicht geht. Zusammen mit dem Unkraut würde man gleichzeitig den guten Weizen vernichten. Es gibt nur eine Lösung: „Lasst beides MITEINANDER wachsen bis zur Ernte.“ Die Trennung zwischen gutem Weizen und Unkraut kann erst bei der Ernte vollzogen werden. Dann aber wird sie erfolgen. Damit drückt Jesus die erwähnte apokalyptische Einsicht aus. In unserer Geschichte findet ein Wachstum statt. Gottes Saat wächst in den Menschen, die zu ihm gehören. Daneben aber wächst auch eine Saat des Bösen. Beide aber benötigen Zeit, um reif zu werden. Vorher kann und darf man nicht ‚jätend‘ eingreifen. Es braucht, so schwer das auch ist, Zeit. Beides, die gute Saat wie das Unkraut haben und bekommen diese Zeit, um ihre volle Gestalt zu entfalten. Die Saat muss wachsen, die Frucht muss reifen. WAS DER MENSCH SÄT, DAS WIRD ER ERNTEN Eine ganz ähnliche Einsicht hat schon viel früher der Prophet Jeremia zum Ausdruck gebracht. Er war davon überzeugt, dass Gott über lange Zeit hinweg verhindert hat, dass die Menschen von der Frucht ihrer Untaten eingeholt werden. Eigentlich gilt doch: „Was der Mensch sät, das wird er ernten.“ Man überlege einmal wie es wäre, wenn uns die eigene Schuld in ihrer ganzen Wucht treffen würde. Jeremia meinte, Gott habe über lange Zeit hinweg seine Hand schützend dazwischen gehalten und die Menschen so vor der ‚Frucht‘ der eigenen Ungerechtigkeiten bewahrt. Irgendwann aber hatte es ein Ende. Gottes Geduld hatte die Menschen nicht zur Umkehr – nicht zur Änderung ihres Lebens – bewegt. Im Gegenteil. Sie machten immer weiter in der Überzeugung, Gott werde auch weiterhin seine Hand schützend über ihnen halten. Es wird schon nichts passieren. Sie werden von den Folgen ihres Tuns nicht eingeholt. Gottes schützende Gnade wurde zum Deckmantel, mit der eigenen Ungerechtigkeit immer weiter zu fahren. Jeremia wurde gesagt – wörtlich: „Und Jahwes Wort geschah zu mir“ – dass Gott mit seinen Menschen nicht mehr auf diese Weise umgehen wollte. Wie dann? Langsam zog Gott seine schützende Hand, die die Menschen vor den Folgen ihrer Ungerechtigkeiten abschirmte, zurück. Sie sollten erfahren, was sie mit ihrem Handeln bewirken. „Du musst innewerden und erfahren, was es für Jammer und Herzeleid bringt, den Herrn deinen Gott verlassen und ihn nicht fürchten“ (Jeremia 2,19). Wörtlich heisst es: „Belehren wird dich dein Unglück …“ WIR ERFAHREN DIE FRUCHT UNSERES TUNS Was wir erfahren, das ist die Frucht unseres Tuns, unseres Handelns und unserer Versäumnisse. Es geht doch nicht um die Frage, wie Gott das alles zulassen kann. Die sachgerechte Frage, die sich uns längstens stellt, lautet: „Wie haben wir Menschen das alles zulassen können? Warum sind wir nicht umgekehrt?“ Wie ist es heute? Wird die Not der Welt uns zur Besinnung bringen? DER RUF GILT NOCH IMMER Wir lesen den mit Offb 6 anbrechenden Geschichtsverlauf so, dass über die Menschen jetzt die Folgen ihrer Taten – die Folgen unserer Taten – herein brechen. Gott hält, wie Jeremia es angekündigt hat, seine schützende Hand nicht mehr dazwischen. Die Plagen, die in Siebenerreihen über die Menschen hereinbrechen, sind Folgen ihres, sind Folgen unseres eigenen Tuns. Von Gott her ist das immer noch ein Ruf zur Besinnung und zur Umkehr. Aber auf der Seite der Menschen führt es wiederum nicht dazu, dass die Menschen von ihrem ungerechten Handeln ablassen. Im Gegenteil. Johannes sieht, dass die Auflehnung gegenüber dem Schöpfer und seinem Christus – dem Lamm – weiterhin zunimmt. Sie wächst, so wie im Gleichnis Jesu das Unkraut unter dem Weizen wächst. ... Aber nicht nur das Unkraut wächst. Auch die gute Saat reift, wächst heran und bringt Frucht. Alles wächst heran. Dienstag, 7. April 2020 DIE GEBETE DER GEMEINDE – OFFENBARUNG 8,1-5 Offb 7 war ein Zwischenstück. Vor dem Öffnen des siebten Siegels musste etwas getan werden. Darum wurde – nachdem das Lamm sechs Siegel geöffnet hat – angehalten (Offb 7,1). Eine grosse Schar von Menschen wird versiegelt, wird wie mit einem „Eigentums-Stempel“ versehen. Das sind diejenigen, die zu Jesus Christus gehören, die „ihre Kleider gewaschen (...) haben im Blut des Lammes“ (Offb 7,14). Das ist nun geschehen. Sie haben das Zeichen Jesu auf ihrer Stirn. Es sind viele – und sie haben Anteil am Himmlischen, am Bleibenden. Jetzt erst geht es weiter. Das Lamm öffnet das letzte, das siebte Siegel. DIE GROSSE STILLE „Und als das Lamm das siebte Siegel öffnete, entstand eine grosse Stille im Himmel, etwa eine halbe Stunde lang“ (Offb 8,1). Wir merken, dass es anders zugeht als beim Öffnen der ersten sechs Siegel. Statt Stimmen und Lärm tritt eine „Stille im Himmel“ ein. Die „halbe Stunde“ entspricht menschlichem Zeitempfinden. Vielleicht können wir uns eine halbe Stunde kollektiver Stille vorstellen? Wie lang fühlt sich eine halbe Stunde an? Unser Blick geht mit Johannes zum Thron Gottes. Da geht es nach bisherigem Bericht unglaublich belebt zu. Denn dort sind die Vertreter von Schöpfung und Geschichte und die Gemeinde in ihrer Vollzahl versammelt. Nun schweigen sie alle. Wir deuten die „grosse Stille“ als ein Innehalten Gottes. Uns scheint es, als ob Gott selbst noch einmal hinsieht. Er liebt seine Schöpfung und sieht sie an. Eine halbe Stunde. .... Alle Ereignisse, die dann in Gang gesetzt werden, sind keine blosse Reaktion, kein „Gefühlsausbruch“ Gottes. Sie werden aus einer gesammelten Stille heraus entlassen. EIN NEUER ZYKLUS BRICHT AN „Und ich sah die sieben Engel, die vor Gott stehen, und ihnen wurden sieben Posaunen gegeben“ (Offb 8,2) Mit dem Öffnen des siebten Siegels werden den sieben Engeln sieben Posaunen gegeben: Wahrscheinlich handelt es sich bei den Posaunen um ein Schofar. Das sind Instrumente, mit denen in Israel Signal geblasen wird. So wie beim Öffnen der sechs Siegel eine erste Abfolge von Ereignissen in Gang gesetzt wird, wird beim Öffnen des siebten Siegels eine neue Abfolge von Ereignissen losbrechen. Diese werden durch die Posaunen in Gang gesetzt. Es sind jetzt sieben Engel, die das Signal geben. Die sieben Engel scheinen den ersten Hörerinnen und Hörern der Offenbarung bekannt zu sein. Sie gehören – wie die 24 Ältesten, wie die vier Wesen, wie die Gemeinde – in das Umfeld des Thrones. Die jüdische Tradition weiss um sie. Was ist es, das beim Blasen der Posaunen über die Erde hereinbricht? Es ist Gericht. Wir Menschen werden von den Folgen unseres Handelns eingeholt. Die Folgen unseres Tuns brechen über uns herein – wenn der Ton der Posaune erschallt. Das geschieht kaskadenartig. Ein Ereignis folgt auf das andere. DAS GEBET DER GEMEINDE Bevor die Engel die Posaune blasen und bevor wir Menschen erneut mit den Folgen unseres Tuns konfrontiert werden, wird im Himmel Gottesdienst gefeiert (Offb 8,2-5). Wir glauben nicht, dass mit dem „bevor“ eine zeitliche Abfolge gemeint ist. Vielmehr sieht Johannes: An dem, was bald geschehen wird, ist ein weiterer Akteur beteiligt. Die betende Gemeinde kommt jetzt in den Blick. Wir merken, dass das Gebet in Gottes Gerichtshandeln eine Rolle spielt. „Und ein anderer Engel kam und trat an den Altar und hatte ein goldenes Räuchergefäss. Und ihm wurde viel Räucherwerk gegeben, dass er es darbringe mit den Gebeten aller Heiligen auf dem goldenen Altar vor dem Thron.“ (Offb 8,3) Ein Räucheraltar stand in der Stiftshütte, dem tragbaren Heiligtum Israels. Die Stiftshütte wurde als Abbild des himmlischen Urbildes verstanden (2. Mose 25,40). Mose hatte die Stiftshütte bauen lassen, so wie sie ihm auf dem Sinai gezeigt wurde. Von der Stiftshütte – sozusagen der geschichtlich existenten „Kopie“ – her können wir uns das himmlische Szenarium vorstellen. Der Engel hat ein Gefäss mit Kohlen und Weihrauch. Der Weihrauch wird vermengt mit den Gebeten der Heiligen und der Rauch steigt zu Gott hin auf. Die Gebete der Heiligen kommen vor Gott. Im biblischen Verständnis heisst das: sie werden gehört. Die Heiligen – das sind die Menschen in den Gemeinden. GOTT ANTWORTET AUF DIE GEBETE „Und der Engel nahm das Räuchergefäss und füllte es mit Feuer vom Altar und schüttete es auf die Erde. Und da geschahen Donner und Stimmen und Blitze und Erdbeben“ (Offb 8,5) Die Gebete der Heiligen lösen etwas aus. Die Gemeinde muss darum gebeten haben, dass Gott eingreift: in Analogie zu Offb 6,10. Es ist die Bitte darum, dass menschliches Tun nicht folgenlos bleibt, dass Gott uns Menschen und seine Welt zurecht bringt. Wie klingen solche Bitten? „Gott, greife du ein. Bringe endlich deine Welt zurecht.“ – „Halte deine Hand nicht immer schützend über denen, die Unrecht tun.“ – „Schaffe denen Ausgleich, die leiden.“ Während die Bitte der Märyter („Wie lange ...?“) in Offb 6,11 keine konkrete Antwort bekommt, greift der Engel – nachdem die Gebete vor Gott gekommen sind – erneut zur Schale. Er antwortet auf die Gebete. Er füllt die Schale mit Feuer vom Räucheraltar und wirft das Feuer auf die Erde. „Und da geschahen Donner und Stimmen und Blitze und Erdbeben.“ (Offb 8,5) Diese Zeichen erinnern an Gottes Erscheinen auf dem Sinai. Sie sind das Zeichen dafür, dass Gott selbst auf den Plan tritt. Und schon bläst der erste Engel die Posaune. ZUM EIGENEN NACHDENKEN (1) Wie ist es mit unseren gemeinsamen Gebeten? Können wir uns vorstellen, dass unser sonntägliches Fürbittgebet bei Gott eine Rolle spielt? Warum ja, bzw. warum nicht? Wo beten wir gemeinsam und haben den Eindruck, dass unsere Gebete zu Gott „aufsteigen“, dass sie „gehört werden“, dass sie in Gottes regierendem Handeln vorkommen? (2) Die Gemeinde vergilt Taten der Ungerechtigkeit nicht selbst. Sie betet. Sie überlässt das richtende Handeln Gott. Damit sind wir bei dem, was Jesus und Paulus verkündigt haben. Die Gemeinde ist nicht beauftragt zu vergelten (Römer 12,19-21). Sie selbst hält am Tun des Guten gegenüber jedermann fest (Römer 12,17). (3) Wie ist das für mich, wenn ich höre, dass unsere Gebete gehört werden und dass sie das Gericht auslösen? Uns scheint es so, dass in vielen Gebeten ein Zwiespalt zum Ausdruck kommt. Zum einen soll Gott etwas ändern, soll Gerechtigkeit schaffen. Zum andern soll alles bleiben wie immer – vor allem bei einem selbst. Montag, 6. April 2020 OFFENBARUNG 7,13-17 – DAS BLUT DES LAMMES Der Abschnitt Offb 7,13-17 ist Teil einer Antwort. Er antwortet auf die Frage, wer in der Zeit der Gerichte, die über die Welt gehen, standhaft bleiben kann. Es sind die 144‘000, die von Gott versiegelt sind (Offb 7,4-8). In himmlischer Perspektive ist es die unzählbare Schar jener, die aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen kommen (Offb 7,9-12). Es sind aber nicht einfach „alle“. Es sind, wie wir jetzt unmissverständlich erfahren, jene, die „ihre Kleider gewaschen und sie rein gemacht haben im Blut des Lammes“ (7,14). DER ÄLTESTE FRAGT – UND GIBT BESCHEID Der Abschnitt setzt ein mit einer Frage, die einer der Ältesten an Johannes richtet. „Wer sind diese, die ...“ (Offb 7,13)? Wir meinen, dass mit dieser Frage auch wir als Hörerinnen und Hörer angeredet werden. Verstehen wir, wer die unzählbare Schar ist? Bei der Nennung „einer unzählbaren Schar“ sollen wir nicht unsere eigene Fantasie ins Spiel bringen. Weil es nicht um unsere persönlichen Vorstellungen und Wünsche geht, darum fragt der Älteste bei Johannes – und damit auch bei uns – nach. WARUM FRAGT JOHANNES NICHT SELBST? Es ist nicht Johannes, der im Himmel nachfragt. Es ist umgekehrt: Er wird aus der himmlischen Welt - von einem der Ältesten - gefragt: „Wer sind sie und woher kommen sie?“ Kann es sein, dass Johannes gar nicht wagt, diese Frage zu stellen? Kann es sein, dass die Frage zu gross und zu geheimnisvoll ist, um von einem Menschen gestellt – oder gar beantwortet – zu werden? Denn wer will begründen können, wie ganz normale Menschen in solchen Zustand der Reinheit – siehe die weissen Kleider – gelangt sind? Damit uns unsere Antwort gewiss wird, sind wir zwar gefragt. Aber die Antwort kommt dem Johannes und damit auch uns von „aussen“ zu – von jenem Ältesten aus der himmlischen Welt. Sie ist uns gewiss, weil wir sie uns nicht selbst geben. DIE GROSSE TRÜBSAL – UND IHRE VIELEN VORWEGNAHMEN Die Menschen, die diese unzählbare Schar bilden, kommen aus der „grossen Trübsal“ (Offb 7,14). Man kann auch „Bedrängnis“ übersetzen. Gemeint ist eine Zeit, die dem sichtbaren Kommen Jesu – wenn er zum Gericht erscheint – vorausgeht. Auch Jesus spricht von dieser Zeit der Trübsal (Matthäus 24, 21-29). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass das Festhalten an ihm aufs Stärkste infrage gestellt wird. Diejenigen, die in Offb 7 „aus der grossen Trübsal“ kommen, das sind jene, die mit Jesus durch diese Beschwernisse hindurch gegangen sind. Dabei fällt auf, dass Jesus die Seinen nicht vor der Trübsal bewahrt. Er bewahrt sie in der Trübsal – so dass sie an ihm und seinem Weg festhalten. Er selbst hat die Seinen auf den Hass der Welt vorbereitet: „Wenn euch die Welt hasst, so wisst, dass sie mich vor euch gehasst hat“ (Joh 15,18). Diese letzte „grosse Trübsal“ bahnt sich schon vorher an – in vielen einzelnen Situationen. Es gibt in verschiedenen Regionen der Welt und verschiedenen Zeiten immer wieder Vorwegnahmen solcher Trübsal. Sie gehören zum Wesen der letzten Zeit. Wir werden darüber noch sprechen. Die gegenwärtigen Trübsale aber erfahren zum Schluss hin eine letzte Steigerung, die in der Offenbarung die „grosse Trübsal“ heisst. DAS BLUT DES LAMMES Zeigt uns der zweite Teil des Satzes, warum diese Menschen durchhalten konnten (Offb 7,14b)? Es ist nicht von ihrem Gebet die Rede, auch nicht von ihrer Treue usw. Obwohl es Gebet und Treue gibt, sind sie nicht der letzte Grund, der den Menschen trägt. Der Grund liegt darin, dass Jesus für uns sein Leben gegeben hat. Was uns durch diese Zeit gehen lässt, ist nie das eigene Tun, auch wenn es unsere Antwort auf seinen Ruf an uns ist. Es ist immer das, was er für uns getan hat. Im Bild: Er hat als Lamm sein Blut vergossen, damit wir darin unsere Kleider rein machen. Was uns trägt, ist das, was er für uns getan hat. Damit wir das lernen, bekommen wir hier mit Johannes diese unzählbare Schar der Menschen nicht nur zu sehen. Wir bekommen durch den Ältesten auch gedeutet, worin das Geheimnis ihres Glaubens besteht: Sie haben ihre Kleider im Blut des Lammes gewaschen. ERFÜLLUNG IHRER SEHNSUCHT Dass die unzählbare Schar vor dem Thron Gottes steht, meint: Ihnen wird Erfüllung ihrer Sehnsucht zuteil. Sie sind jetzt ohne jede Trennung unmittelbar mit Gott zusammen. Damit werden uns die Grenzen der Bildsprache deutlich. Eine unzählbare Schar um den Thron Gottes würde bedeuten, dass nur wenige in der ersten Reihe stehen können. Das aber ist eine Grenze, die am bildhaften Vergleich liegt. Gemeint ist: Jeder einzelne darf und soll sich dieser Unmittelbarkeit zu Gott gewiss sein. Niemand sonst steht zwischen Gott und mir, auch kein anderer Glaubender. Und auch ich versperre niemandem diesen unmittelbaren Zugang, den Gott ihm schenkt. In der Folge greift die Schilderung des grossen Trostes auf verschiedene Bilder der Propheten und der Psalmen zurück. In Jesaja 49, 10 heisst es: „Sie werden weder hungern noch dürsten, sie wird weder Hitze noch Sonne stechen; denn ihr Erbarmer wird sie führen und sie an die Wasserquellen leiten.“ Enge Bezüge gibt es auch zu Psalm 121,5f; Psalm 23,2; Jesaja 25,8 und 40,11. Die Worte verweben sich zu einem Bild, das Altes und Neues Testament überspannt. Uns wird – in Bildern! – beschrieben, wie Gottes Heil uns am Ende der Zeit überraschen und beschenken wird. VERTRAUT WERDEN MIT DEN BILDERN DES HEILS Johannes konnte damit rechnen, dass seine Hörerinnen und Hörer die Bilder in Offb 7,15-17 kannten. Woher? Sie hatten Gottes Wort immer wieder gehört, hatten es auswendig gelernt und so diesen Bildern inwendig Raum gegeben. Johannes sagt ihnen hier nichts Neues. Er lässt anklingen, was sie an inneren Bildern bereits in sich tragen. Unser Vorschlag: Schreiben Sie sich die oben genannten Verse aus den Propheten und den Psalmen je auf ein Blatt auf. Wenn Sie die Möglichkeit haben, hängen Sie sich diese Blätter in Ihrem Zimmer auf. Und dann geben Sie sich Zeit, diese Bilder lange anzusehen. Wenn Sie diese Verse in sich einlassen, dann werden sie mit der Zeit in Ihnen wohnen. Sie werden in Ihrem Inneren davon genährt. Weil es Bilder der Bibel sind, sind sie die entscheidende Hilfe gegen die Bilder der eigenen Fantasie. Weil es Gottes Bilder sind, wird Gott sie auch einlösen: „Gott wird über ihnen wohnen … sie werden nicht mehr hungern … nicht mehr dürsten … nicht treffen … das Lamm wird sie weiden … und leiten … und Gott wird alle Tränen abwischen von ihren Augen.“ Sonntag, 5. April 2020 OFFENBARUNG 7: WER KANN BESTEHEN? In Kapitel 6 werden zwei Fragen gestellt. Einmal die Frage „Wie lange?“ (Offb 6,10) und dann die Frage „Wer kann bestehen?“ (0ffb 6,17). WIE LANGE? Jesus selbst hat damit gerechnet, dass das Ende der Geschichte und damit das Gericht Gottes schnell kommen werden (Mt 16,27f). Er meinte, einige der um ihn stehenden Menschen würden seine Wiederkunft noch zu ihren Lebzeiten erfahren. Gleichzeitig hat er aber auch davon gesprochen, dass niemand den Tag oder die Stunde kennt. Nicht einmal er als Sohn weiss das, sondern allein der Vater (Mt 24,36; Mk 13,32). Die erste Gemeinde hat die Erwartung, dass diese Zeit nahe ist, geteilt. Sie hat aber bald auch begriffen, dass sich eben diese Zeit „verzögert“. Es lohnt sich, den Abschnitt 2. Petr 3,1-10 zu lesen, der sich mit dieser Frage auseinander setzt. „Er ist langmütig gegen euch und will nicht, dass jemand verloren geht, sondern dass alle zur Umkehr gelangen“ (3,9). Es sind, wie Paulus das bereits früher formulierte, Gottes Güte und Geduld und Langmut, die uns zur Umkehr zu Gott Raum und Zeit geben (Röm 2,4). WER KANN BESTEHEN? Mit dieser ernsthaften Frage endet das sechste Kapitel (Offb 6,17). Man kann auch übersetzen: „Aus welcher Kraft kann jemand standhaft bleiben?“ Bevor das letzte Siegel geöffnet wird (Offb 8,1), muss diese Frage beantwortet werden. Johannes bekommt die Schar derjenigen Menschen zu sehen, die bestehen. DIE 144.000 UND DIE UNZÄHLBARE SCHAR Johannes bekommt in zwei Schritten gezeigt, wer diejenigen sind, die bestehen. Da ist zunächst die Beschreibung in einer irdischen Perspektive (Offb 7,4-8). Hier bekommt Johannes etwas zu hören: „Und ich hörte die Zahl der mit dem Siegel Bezeichneten.“ Darauf bekommt er dasselbe in einer himmlischen Perspektive gezeigt (Offb 7,9-12). Das kann und soll er sehen: „Ich schaute auf, und siehe da: eine grosse Menge“. Es sind nicht zwei Gruppen von Menschen. Es ist die eine Gemeinde in ihrer irdischen wie in ihrer himmlischen Dimension. Die 144.000 und die unzählbare Schar sind dieselben! Im Himmel (Offb 7,13-17) bekommt Johannes auch genaue Auskunft darüber, um wen es sich dabei handelt und was diese Menschen auszeichnet. Bei der Betrachtung beider Aspekte darf man nicht aus den Augen verlieren: Durch beide wird uns die Antwort auf die Frage von Offb 6,17 gegeben, wer in dieser Zeit fest bleiben kann. ES IST EINE GEMEINDE Wer die 144‘000 sind, wird uns von Johannes in Offb 14,1ff noch einmal und dort unmissverständlich beschrieben. Dort wird klar, dass es sich um die Gemeinde Jesu, um das gesamte Volk Gottes handelt. Es sind die, die den Namen des Vaters und den Namen des Sohnes auf ihrer Stirn tragen. Es sind die, die „aus der Erde erkauft sind“ (Offb 14,3). Schon mit der Berufung Abrahams hatte Gott die ganze Völkerwelt gemeint (1. Mose 12,3). Was Gott mit den Vätern Israels, was er mit den zwölf Söhnen Jakobs begonnen hat, kommt jetzt in der Gemeinde Jesu zu seinem Ziel. Der Weg des Glaubens und damit die Geschichte der Gemeinde begann mit der Berufung Abrahams. Warum sind es 144‘000? Die Zahlen der Apokalyptik sind nicht dazu da, dass wir mit ihnen auf unsere Weise rechnen. Wir sollen sie verstehen. Es sind 12 mal 12 mal 1‘000. Zwölf ist die Zahl der Söhne Jakobs. Zwölf ist auch die Zahl der Apostel Jesu. Multipliziert man sie mit 1‘000, dann meint das, dass das Volk Gottes seine volle Zahl erreicht hat. Die Gemeinde ist gezählt. Niemand fehlt. EINE ZWISCHENBEMERKUNG Handelt es sich nicht doch um zwei verschiedene Gruppen, die man zu unterscheiden hat? Wenn das zutrifft, taucht noch einmal die Frage auf: Wer sind die 144‘000? Die Antwort scheint nahe zu liegen. Es sind die zwölf Stämme Israels, die ja direkt beim Namen genannt werden (7,4-8) und die obendrein von der zweiten Gruppe, die „aus allen Nationen und Völkern und Stämmen und Sprachen“ (7,9) kommen, unterschieden werden. Daraus hat man gefolgert: Es handelt sich hier um Israel (bzw. um Judenchristen) auf der einen Seite (Offb 7,4-8) und die Völker (Christen aus nicht-jüdischen Völkern) auf der anderen Seite (Offb 7,9-12). Dass Israel sich am Ende der Wege Gottes zum Messias – zu Jesus als dem Christus – kehren wird, haben sowohl Jesus als auch Paulus der christlichen Gemeinde als Geheimnis und als Gewissheit anvertraut (z.B. Mt 8,1; Röm 11,17.24; Eph 2,12-19 u.a.). Die Frage aber ist, ob diese erhoffte Hinkehr Israels zur Gemeinde Jesu in Offb 7 erörtert wird. Was hilft uns zum Verstehen? Einmal der Hinweis auf Offb 14,1. Auch dort werden die 144‘000 erwähnt. Die Deutung nur auf Angehörige des Volkes Israel ist an dieser Stelle unmöglich. Hinzu kommt wie erwähnt, dass in Kapitel 7 zunächst die irdische Sicht und danach die himmlische Sicht beschrieben wird. Es liegt nahe, dass Johannes aus zwei Blickwinkeln dieselbe Gruppe gezeigt bekommt. Die Deutung auf Israel erscheint uns schwierig. Wir halten die Deutung »zwei Sichtweisen auf die eine christliche Gemeinde« für die mehr wahrscheinliche. Wer das anders sieht, beschäftige sich mit dieser Frage gern weiter. Manche Deutungen von Bildern bzw. von Aussagen der Offenbarung dürfen offen bleiben. Manches, das wir heute noch nicht klar sehen können, wird uns erst im Verlauf unserer Geschichte deutlich werden. DER AUFSCHUB Wir kehren zurück zur Frage „Wer kann bestehen?“ (Offb 6,17). Zunächst sieht Johannes, wie die vier Winde an den Ecken der Erde festgehalten werden. Es wird „windstill“. Das angekündigte Gericht muss warten. Etwas Entscheidendes muss vorher noch geschehen. Worum handelt es sich? „… bis wir die Knechte Gottes an den Stirnen bezeichnet haben“ (Offb 7,3). BILDSPRACHE: GEZÄHLT UND VERSIEGELT Wir rufen uns in Erinnerung, dass es sich hier um apokalyptische Bildsprache handelt. Hier wird nicht bis 144‘000 gezählt, um dann den Eingang zu schliessen, weil jetzt alle Plätze besetzt sind. Dasselbe gilt für den Vorgang der Versiegelung. Hier wird ein geistlicher Vorgang in einem Bild anschaubar gemacht. Vor Augen hat Johannes und haben die Leserinnen und Leser der Offenbarung die Darstellung beim Propheten Ezechiel (Ez 9,4ff). Dieses Kapitel hilft uns zu verstehen, was Johannes jetzt zu sehen bekommt. Unmittelbar bevor das Gericht vollzogen wird, werden diejenigen, die zu Gott gehören, deutlich bezeichnet. An ihnen wird das Gericht, das die Menschen selbst auf sich gezogen haben, vorüber gehen. Machen wir es uns deutlich: Auf die Frage, wer die Kraft hat, in dieser Zeit standhaft zu bleiben, wird nichts aufgezählt, was Menschen getan haben, gerade tun oder tun sollten. Es wird nur von dem gesprochen, was Gott an ihnen getan hat, tut und tun wird: Sie sind von Gott gezählt - keiner zählt sich selbst dazu! Sie sind von Gott gesucht – keiner meldet sich von sich aus! Sie werden von Gott gezeichnet – keiner markiert sich selbst. Keiner geht vergessen oder wird übersehen – keiner muss danach trachten, sich genügend bemerkbar zu machen. DAS SIEGEL – ZEICHEN DER ZUGEHÖRIGKEIT Zum Siegel: Ein Siegel ist ein Eigentumsvermerk, den der Besitzer an dem, was ihm gehört, anbringt. So trugen die Gegenstände, die man für den Tempeldienst benötigte, die Aufschrift „heilig für Gott“. Es war gleichgültig, ob es sich dabei um eine seltene Kostbarkeit oder um einen einfachen Krug handelte. Entscheidend war allein, ob der Gegenstand Eigentum des Tempels war. Die Glieder der Gemeinde haben beim «Versiegeln» gewiss an ihre Taufe gedacht. Neben dem weissen Taufkleid als Zeichen des neuen Lebens erhielten die Getauften eine Salbung. Mit geweihtem Öl wurde ihnen das Zeichen des Kreuzes auf die Stirn gemalt. Wir kennen bis heute das Wort „signieren“. Das Zeichen des Kreuzes war von jetzt an das „Signum“, das Zeichen der Getauften. Im Gottesdienst wie im Alltag hat man sich bekreuzigt. Man hat sich „signiert“. Der Gestus des sich Bekreuzigens bedeutete die Erinnerung und Vergewisserung, dass man von Gott selbst „bezeichnet“ und somit ihm zugehörig war. Der Blick geht weiter auf die grosse Menge, die niemand zählen kann (Offb 7,9). Was tun sie? Sie geben mit ihrem Lobpreis Antwort auf das, was Gott an ihnen getan hat: „Heil unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm.“ (Offb 7,10). Es ist keine Bitte um Gottes Eingreifen, kein Ruf nach Hilfe. Wie wir schon früher bemerkt haben: Es steht nichts mehr auf dem Spiel. Weil die Gemeinde das weiss, darum lobt sie Gott. Dieses Lob ist genug. In ihrem Lob ist die Gemeinde nicht allein. Sie ist umgeben von den Engeln Gottes, von den 24 Ältesten und den vier Wesen. Die Gemeinde steht unmittelbar vor Gottes Thron. Die Schar ihrer himmlischen Begleiter stimmt in ihr Lob ein und bestätigt es: „Amen! … Amen!“ Das Ende des Kapitels klingt danach, als ob man sich im Himmel vergewissern will, dass Johannes alles richtig verstanden hat. Einer der Ältesten richtet die Frage an ihn und damit auch an uns (Offb 7,13): „Wer sind sie und woher sind sie gekommen?“ Der Antwort wenden wir uns im nächsten Impuls zu. Donnerstag, 2. April 2020 EINE BESONDERE FORM, VON GOTT ZU REDEN Sobald die Beschreibung des Geschichtsverlaufs beginnt, begegnet uns in der Offenbarung eine eigenartige Formulierung. Man könnte sie leicht überlesen, sollte aber sorgsam auf sie achten. Sie taucht erstmals in Offb 6,2 auf: „Ihm (dem ersten der vier Reiter) wurde ein Siegeskranz gegeben …“. In Vers 4 folgt: „Es wurde ihm (dem zweiten Reiter) Macht gegeben …“. So geht das nun in den nächsten Kapiteln weiter. Mit dieser Formulierung vermeidet man, den Namen dessen, der den Siegeskranz, die Vollmacht usw. gibt, auszusprechen. Statt zu sagen „Gott hat ihm einen Kranz gegeben“, sagt man „ihm wurde ein Kranz gegeben“. Das Verb wird ins Passiv gesetzt. Diese theologische Sprachform nennt man ‚passivum divinum‘. Was steckt dahinter? GOTTES NAMEN NICHT AUSSPRECHEN Zu den Geboten, die Gott seinem Volk Israel gab, gehört die Weisung „Du sollst (bzw. wirst) den Namen des Herrn, deines Gottes nicht missbrauchen“ (2. Mose 20,7; ,5. Mose 5,11). Israel hat dieses Gebot sehr ernst genommen und tut es bis auf den heutigen Tag. Wie sah das aus? Zunächst hat man den Eigennamen „JHWH“ (wahrscheinlich ‚Jahwe‘), mit dem Gott angerufen wurde, nicht mehr ausgesprochen. Nur der Hohepriester sprach Gott einmal im Jahr mit diesem Namen an. Wo im biblischen Text dieser Name steht, sprach man ein Ersatzwort, z.B. Herr, Name, Himmel, Ort (des Tempels), Herrlichkeit, der Ewige usw. Diese Regel gilt im Judentum bis heute. Martin Buber z.B. verwendet in seiner Übersetzung das Personalpronomen und schreibt es immer mit Grossbuchstaben: ER, IHM, DU usw. Im Laufe der Geschichte ging man noch einen Schritt weiter. Da galt nicht mehr nur der Eigenname Gottes als heilig, sondern bereits das Wort „Gott“ selbst. Um dieses Wort nicht unbedacht auszusprechen, schreiben religiöse Texte bis heute nicht "Gott" sondern "G‘tt". Schon früh muss man damit begonnen haben, auch für die Bezeichnung „Gott" ein Ersatzwort zu verwenden. So spricht bereits das Matthäusevangelium anstelle vom „Reich Gottes“, wie Jesus es genannt hatte, vom „Reich der Himmel“. Unsere Rede vom „Himmelreich" stammt aus dieser Praxis. Ein anderer Weg, den Namen Gottes, ja sogar das Wort Gott zu vermeiden, war das erwähnte ‚passivum divinum‘. Das ging aber nur dann, wenn Gott etwas für oder an anderen tat. Grammatisch: Das Objekt wurde zum Subjekt, und das aktive Verbum wurde ins Passiv gesetzt. Natürlich muss auch das Umfeld einer solchen Aussage nahe legen. dass hier von Gott die Rede ist. Statt zu schreiben „Gott gab ihm einen Siegeskranz“ hiess es „Ihm wurde ein Siegeskranz gegeben“ (Offb 6,2). Dabei blieb allen klar, dass der nicht mehr konkret genannte Geber des Siegeskranzes Gott selbst war. GOTT GIBT EIN RECHT, EINEN AUFTRAG, EINE GRENZE In der Offenbarung fällt auf, wie oft dieses ‚passivum divinum‘ vorkommt. In der Regel lautet die Formulierung „Ihm wurde gegeben“. Uns erscheint wichtig, darauf sorgfältig zu achten. Vielleicht macht man sich in der eigenen Bibel bei jedem Vorkommen ein kleines Zeichen mit Bleistift oder Farbstift, damit man es nicht übersieht. Damit sind zwei Fragen zu verbinden. Einmal: WAS wird hier „gegeben“? Und: WEM wird hier etwas „gegeben“? Wahrscheinlich kommt man dabei ins Staunen. Wenn Gott jemandem etwas gibt, dann ist es in der Regel ein RECHT für etwas, gleichzeitig aber auch einen AUFTRAG, dem in der Regel eine klare GRENZE gesetzt wird. Der Betreffende DARF jetzt etwas tun, er SOLL es tun und darf gleichzeitig NICHT MEHR tun. Wer eine neuere Bibel in moderner Sprache benützt, kann das eventuell nur schwer beobachten. So lautet z.B. Offb 6,2 in der Übersetzung der Guten Nachricht „Sein Reiter hatte einen Bogen und erhielt eine Krone.“ Wer keine klassische Ausgabe (z.B. Elberfelder, Luther, Zwingli, Einheits-Übersetzung) besitzt, findet bei bibleserver.com zehn verschiedene deutsche Übersetzungen, darunter auch die erwähnten klassischen. Um besondere Nähe zum griechischen Urtext bemüht sich jetzt die Leonberger Bibel. Erhältlich ist sie bei https://causamundi.de/shop/page?p=bible. ZUM EIGENEN ÜBEN (so viel jeder mag) SATZ IM PASSIV: 6,2 … es wurde ihm ein Kranz gegeben MEINT AKTIV: Gott gab ihm einen Kranz SATZ IM PASSIV: 6,4 … wurde gegeben, den Frieden von der Erde wegzunehmen MEINT AKTIV: Gott gab ihm, den Frieden … wegzunehmen SATZ IM PASSIV: 6,8 … wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde MEINT AKTIV: Gott gab ihm Macht über den vierten Teil … SATZ PASSIV: 6,11 … es wurde ihnen gesagt … MEINT AKTIV: Gott sagte zu ihnen … und weiter: SATZ PASSIV: 8,2 … es wurden ihnen sieben Posaunen gegeben … MEINT AKTIV … 8,3 … wurde ihm viel Räucherwerk gegeben … 9,1 … wurde ihm der Schlüssel … gegeben … 9,3 … es wurde ihnen Macht gegeben, wie die Skorpione der Erde … 9,4 … es wurde ihnen gesagt … 9,5 … es wurde ihnen Macht gegeben, nicht dass sie töteten … 11,1 … es wurde mir ein Rohr gegeben … usw. bis 20,12 … und es wurden Bücher geöffnet … … und ein anderes Buch wurde geöffnet … … und die Toten wurden gerichtet … 20,13 … und sie wurden gerichtet … Mittwoch, 1. April 2020 HIMMEL UND ERDE Eigentlich kennen wir das bereits aus dem Buch Hiob. Da trifft sich Gott mit seiner himmlischen Beratergemeinschaft (Hiob 1-2). Satan erhebt einen unglaublichen Verdacht: Menschen sind Gott nur dann treu, wenn es ihnen gut geht. Sobald sich das Glück gegen sie wendet, werden sie sich vom Glauben verabschieden. Anders: Für die Menschen ist Glaube nichts weiter als ein grosses Geschäft. Sie glauben nur, solange es sich für sie lohnt. Damit steht Gottes Ehre auf dem Spiel. Wie aber soll Gott das Gegenteil beweisen? Argumente helfen da nicht. Darum schickt Gott seinen treuen Knecht Hiob ins Spiel. Er wird an Gott fest halten, auch wenn sich das Glück gegen ihn wendet. So erhält Satan die Erlaubnis, in Hiobs Leben einzugreifen. Die Besonderheit: Hiob weiss nichts von diesem Ratschlag im Himmel. Er weiss auch nicht, dass jetzt Gottes Ehre und letztlich auch seine eigene Ehre auf dem Spiel steht. Glaubt er wirklich nur, weil sich das für ihn lohnt? Von diesem Hintergrund wird er bis zum Ende seines Lebens nichts erfahren. Als Leserin und Leser aber weiss man von Anfang an: Das ist wahrhaftig eine doppelbödige Geschichte. Da sind einmal die Ereignisse, die sich auf der Erde abspielen: Hiob, seine Söhne und Töchter, seine Frau usw. Das Unglück bricht über Hiob herein, steigert sich immer mehr und führt zu unglaublichen Auseinandersetzungen mit den Freunden. Was auf der Erde geschieht, das hat jedoch jenen himmlischen Hintergrund, der nie aufgedeckt wird und der doch alles bestimmt. I IRDISCHES GESCHEHEN UND HIMMLISCHER HINTERGRUND Was man an der Hiobsgeschichte erfährt, das spielt im Denken der Apokalyptik und damit in der Offenbarung des Johannes eine entscheidende Rolle. Um unsere irdische Geschichte zu begreifen muss man wissen, dass Ereignisse, die sich auf der Erde abspielen, einen himmlischen Hintergrund haben können. Und genauso umgekehrt: Jedes himmlische Ereignis hat Auswirkungen auf der Erde. Diese Schau zieht sich konsequent vom Anfang des Buches der Offenbarung bis zu seinem Ende hindurch. Anders: Um unsere irdische Geschichte zu verstehen, muss man den himmlischen Hintergrund kennen. Mehr noch: Man muss begreifen, dass grundlegende Entscheidungen im Himmel getroffen werden, ja bereits getroffen worden sind. Wer nur die irdische Seite der Geschichte wahrnimmt wird denken, dass wir in einen heftigen und vor allem unentschiedenen Kampf verwickelt sind. Wird Gott siegen oder der Satan? Ja mehr: Er oder sie könnte auf die Idee kommen, dass der scheinbar offene Ausgang der Geschichte von uns Menschen – also von unserem Glauben, unserem Gebet, unserer Treue usw. – abhängt. Glauben, Beten und Fasten erscheinen dann als wesentliche Elemente einer geistlichen Kriegführung. Von uns und unserer Treue hängt der Ausgang des Kampfes, also der Ausgang der Geschichte ab. Die Offenbarung des Johannes zeigt uns ein anderes Bild. Was unsere Geschichte grundlegend bestimmt, das findet im Himmel statt. In der irdischen Geschichte zeigen sich die Auswirkungen dessen, was im Himmel vor sich geht. Anders: Wenn ich begreifen will, was die irdischen Vorgänge bedeuten, dann muss ich in den Himmel sehen und danach fragen, was dort vor sich geht. Für das Lesen der Offenbarung ergibt sich daraus eine einfache Grundregel. Bei jedem Textabschnitt stellen wir drei Fragen: Was geschieht im Himmel? Was geschieht auf der Erde? Welche Folgen haben die himmlischen Ereignisse für uns auf der Erde? Dabei berücksichtigen wir, dass diese beiden Ebenen immer miteinander verbunden sind. II DER STURZ AUS DEM HIMMEL – DIE HERRSCHAFT GEHÖRT GOTT Als Beispiel: In Kapitel 12 wird geschildert, wie im Himmel ein Kampf ausbricht, in dessen Verlauf der Satan seinen Platz im Himmel endgültig verliert und auf die Erde geworfen wird (12,7ff). Darauf bricht im Himmel grosser Jubel aus. Die himmlischen Bewohner begreifen, dass damit der endgültige Sieg über den Bösen erkämpft ist. Die Herrschaftsfrage ist entschieden. „Nun ist das Heil und die Kraft und die Herrschaft unserem Gott zuteil geworden und die Vollmacht gehört seinem Christus“ (12,10). Das also ist der himmlische Hintergrund: Ein unendlicher Jubel, weil jetzt alles klar ist. Wie aber sieht dasselbe auf der Erde aus? „Wehe der Erde und dem Meer …“ (12,12). Auf der Erde beginnt jetzt die Auseinandersetzung. Der Drache verfolgt die Frau (die Kirche) und sucht sie zu vernichten. Das ist es, was man auf der Erde sieht. Vom himmlischen Hintergrund weiss man nur, wenn man die Schau des Johannes (also das Buch der Offenbarung) kennt und ihr vertraut. Würde man man allein auf das irdische Geschehen blicken, könnte man fragen: Ist alles doch noch offen? Oder: Ist der Kampf nur im Himmel zu einem Ende gekommen, während auf der Erde alles noch unentschieden ist? Die Botschaft der Offenbarung lautet: Nein! Die irdische Gemeinde soll wissen, dass im Himmel bereits der Jubel ausgebrochen ist. Die sieben Gemeinden in Kleinasien sollen dessen gewiss sein. Obwohl der irdischen Gemeinde wahrscheinlich gar nicht zum Jubeln ist, stimmt sie in ihrem irdischen Gottesdienst jetzt schon in den himmlischen Jubel ein. Sie glaubt Johannes: „Nun ist das Heil und die Kraft und die Herrschaft unserem Gott zuteil geworden und die Vollmacht gehört seinem Christus“ (12,10). Von diesem himmlischen Jubel her versteht sie ihre eigene Geschichte – obwohl diese im Moment noch sehr anders aussieht. III VIER GRUNDLEGENDE ASPEKTE Das Buch Hiob leitet uns an, den Zusammenhang zwischen himmlischem und irdischem Geschehen zu entdecken. Das könnte jedoch zu Missverständnissen führen. Wir benennen darum vier grundlegende Aspekte: • ES LIEGT HINTER UNS Unser Inneres könnte jetzt unruhig werden. Gibt es da oben im Himmel ein Gremium, das wie bei Hiob irgendwelche Entscheidungen über uns trifft? Es ist gut, wenn wir darum bei unserem Lesen der Offenbarung sehr sorgfältig sind. Im Himmel werden keine Entscheidungen mehr getroffen. Wozu auch? Dort finden wir die Vertreter der himmlischen und der irdischen Welt. Wir finden dort auch die Vertreter der Gemeinde. Was tun sie? Sie brechen in Jubel aus und bezeugen uns, dass der Vater endgültig seine Herrschaft angetreten hat, dass die Macht endgültig und allein in den Händen Jesu Christi liegt. • ER IST HINAUSGEWORFEN Nach Offb 12,7ff ist der Satan aus dem Himmel hinausgeworfen. Er hat sein ‚Amt‘ als Ankläger (12,10) unwiderruflich verloren. Das ist kein Ereignis, auf das wir noch warten müssten. Es liegt hinter uns (Lk 10,18ff; Joh 12,31). Die Rolle, die er bei Hiob noch spielen konnte, ist längst Vergangenheit. Im himmlischen ‚Gerichtshof‘ gibt es nur noch Jesus als den Entlastungszeugen (Röm 8,31ff, besonders 8,34). • WIR STIMMEN EIN Anders als bei Hiob geht in der Offenbarung der Blick zwischen himmlischem und irdischem Geschehen immer wieder hin und her. In der Regel nehmen die Ereignisse im Himmel ihren Anfang. Der Lobpreis, der unendliche Jubel hat bereits begonnen. In der himmlischen Welt ist alles klar. Auf der Erde kann man das ohne Hilfe nicht wahrnehmen. Da scheint es ja drunter und drüber zu gehen. Man könnte meinen, dass es sich um einen Kampf handelt, dessen Ausgang noch ungewiss ist. Darum eröffnet uns die Offenbarung den Blick in den Himmel. Dieser Blick macht uns die Sachlage unmissverständlich klar: „Jetzt ist das Heil und die Kraft und die Herrschaft unserem Gott zuteil geworden und die Macht seinem Christus“ (Offb 12,10 und viele andere). Unsere Reaktion darauf kann nur sein: Wir stimmen jetzt schon von ganzem Herzen in diesen himmlischen Jubel mit ein, auch wenn der Augenschein noch dagegen spricht. • DIE BOTSCHAFT IST DIESELBE Dass Gott die Herrschaft angetreten hat, ist in der Verkündigung von Jesus und Paulus zentral. Das Markusevangelium beispielsweise setzt programmatisch ein mit dem Jesuswort: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes (die Herrschaft Gottes) ist herbeigekommen.“ Markus 1,15 Die Verkündigung Jesu und die Paulusbriefe verzichten aber (weitgehend) darauf, dass ein Blick in den Himmel getan wird. Er scheint nicht nötig zu sein. Jesus antwortet Johannes dem Täufer auf die Frage, wer er ist, mit Hinweis auf das, was in der irdischen Wirklichkeit geschieht: „Geht und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht ärgert an mir.“ (Lukas 7,22-23) ZUR EIGENEN ARBEIT AN DIESEM THEMA • Schauen Sie Kapitel 6 noch einmal an. Was sind die irdischen Vorgänge? Was sind die himmlischen Ereignisse? Wie hängen sie zusammen? • Blättern Sie ab Kapitel 4 ein wenig durch das weitere Buch. Bei jedem Abschnitt fragen Sie sich, ob er ein himmlisches oder ein irdisches Geschehen beschreibt. Sie werden merken, wie der Blick immer wieder abwechselt. Dienstag, 31. März 2020 Bitte lest Offenbarung 6. DIE ERSTEN SECHS SIEGEL – DIE ERSTE KASKADE Mit diesem Kapitel beginnen die Ereignisse der Endzeit. Der Blick des Johannes geht immer noch in den Himmel. Was hier beschrieben wird, das sind keine irdischen Wirklichkeiten. In unserer Welt werden keine vier Pferde mit Reitern auftauchen. Die Wirklichkeit wird in Bildern anschaulich. Diese Bildsprache ist eines der Kennzeichen apokalyptischen Denkens. Was bedeutet das? BILDER SIND VIELDEUTIG Bilder sind grundsätzlich mehrdeutig. Wenn ich zu einem Menschen sage, er sei «meine Sonne», dann ist das ein vieldeutiges Bild. Um es zu verstehen, frage ich danach, was alles in diesem Bild liegt. Die Sonne wärmt mich. Sie ist ein Licht. Sie geht auf, geht aber auch wieder unter. Nach einer Nacht geht sie wieder auf. Sie ermöglicht uns auf der Erde Leben, Wachstum und Fruchtbarkeit. Sie kann aber auch verbrennen, kann zu einem Hitzschlag führen. Sie kann mich mit ihrem Licht blenden … Usw. Das sind lauter einzelne Aspekte, die zusammen ein Ganzes ergeben. Es gibt sicherlich noch viel mehr. Sie sind verschieden, aber sie sind keine Gegensätze. Sie sind aber auch keine freien Phantasien. Sie ergeben sich alle aus dem Bild selbst. Kennzeichen ist, dass sie auch von anderen so wahrgenommen werden können. In unserem Kapitel tauchen vier Pferde mit ihren Reitern auf. Auch das ist Bildsprache. Was sagen diese Bilder aus? Zur Zeit des Johannes gab es keinen Pferdesport. Pferde gehören zu Eilboten und zum Militär. Ausserdem waren sie damals schon teuer. Gegenüber den Menschen und den damaligen Transportmitteln sind sie unglaublich schnell. … Was liegt sonst noch in diesem Bild? Die Ereignisse beginnen damit, dass das Lamm die Siegel löst. Auch das ist Bildsprache. Was liegt darin? Vor allem eines: Dass es jetzt losgeht ist kein Unfall, kein Kurzschluss. Es ist auch nicht ein Teil oder das Ergebnis eines Kampfes. So wie das Buch (die Schriftrolle) aus der Hand Gottes in die Hand des Lammes kam, so sieht es auch jetzt aus. Allein das Lamm, das zum Heil der Welt, der Völker und Nationen geschlachtet wurde, löst das aus, was jetzt kommt. EINE IMMER WIEDERKEHRENDE ABFOLGE Mit den ersten vier Siegeln, die das Lamm aufbricht, melden sich die vier Wesen. Warum sie? Sie sind die Vertreter der Erde. Was jetzt kommt, das hat mit unserer Erde zu tun. Das zweite, dritte und vierte Pferd bilden eine deutliche Abfolge, die sich in unserer Geschichte immer wieder zeigt. Auf den Bürgerkrieg folgt die Teuerung der Grundnahrungsmittel. Darauf kommt es zu einer Welle des Sterbens durch Terror, Hunger und Seuchen. Im Text gehören dazu auch wilde Tiere, die sich über Menschen hermachen. Unklar ist, was das erste Pferd mit seinem Reiter bedeutet. Zwei verschiedene Deutungen werden vertreten. Weil das Pferd weiss ist und Jesus in 19,11-16 ebenfalls auf einem weissen Pferd reitet, nehmen viele Ausleger an, dass es sich bei diesem ersten Reiter um Jesus als den Christus handelt. Dass er „sieghaft und um zu siegen“ kommt, wird dann auf eine Art Erweckung, auf die Verbreitung des Evangeliums, auf einen geistlichen Aufbruch gedeutet. Die andere Deutung meint, es handle sich dabei um eine Art von Globalisierung, die mit „weissem Gewand“, also mit Hoffnung auf weltweiten Aufbruch, die ganze Welt für sich einnimmt. Auf sie folgt dann der Bürgerkrieg. Ich selbst kann dieser Deutung mehr abgewinnen als der ersten, bin aber nicht sicher. Vielleicht aber handelt es sich dabei auch nicht um einen Gegensatz. DAS WARTEN DER TOTEN AUF AUFERSTEHUNG Auf das Aufbrechen des fünften Siegels erklingt keine Stimme vom Thron her. Dafür taucht jetzt ein Altar auf, unter dem die christlichen Märtyrer auf die Auferstehung und damit auf das Gericht warten. Sie sehnen sich nach Befreiung und Rehabilitation. „Wie lange …“ Sie erhalten ein weisses Kleid, das Zeichen der Reinheit und des neuen Lebens, das Jesus den Seinen schenkt. Wahrscheinlich dachten die ersten Christinnen und Christen dabei an das Taufkleid. Sie erhalten auch eine Antwort auf ihre Frage, wie lange Gott noch zuwartet. Allerdings: Die Frage „wie lange“ es noch geht wird ihnen nicht beantwortet. Sie bekommen aber eine Begründung für ihr Warten. Es gibt noch mehr Brüder und Schwestern, noch mehr Zeugen, die ihnen auf dem Weg des Martyriums folgen werden. Hilfreich ist m.E., dazu Hebräer 12,1-3 [eigentlich sollte man mit Kapitel 11,1 beginnen] zu lesen und innerlich vor sich zu sehen. Auch das ist Bildsprache. Die beiden Texte bzw. Bilder stellen sich wechselseitig ins Licht. KOSMISCHE KATASTROPHEN Mit dem Aufbrechen des sechsten Siegels wechselt die Szene nochmals. Jetzt sind es gewaltige kosmische Katastrophen, die über die Erde und ihre Menschen hereinbrechen. Eindrücklich ist eigentlich das, was hier nicht geschieht. Die Menschen kehren nicht um, um den Weg zurück zu Gott zu finden. Im Gegenteil. Sie versuchen in einer seltsamen gesellschaftlichen Einmütigkeit, sich vor Gott zu verbergen. Wahrscheinlich ahnen sie, dass das nichts mehr bewirkt. DIE GESCHICHTE LÄUFT AUF DAS GERICHT ZU Die Offenbarung bezieht ihre Sprache und viele ihrer Bilder aus dem Alten Testament. Darum ist etwas sehr klar. Mit Ende des sechsten Siegels ist die Geschichte bei ihrem Ende, also beim Gericht Gottes angekommen. Das mag einem merkwürdig erscheinen, denn die Visionen über die Geschichte und damit das Buch der Offenbarung gehen ja weiter. Wir sind ja erst im Kapitel 6. Und doch ist es so. Das Endgericht wird an so manchen Stellen der Offenbarung „erreicht“. Auch die sieben Posaunen (8,2-9,21) setzen mit dem Anfang ein und führen fast bis zum Ende. Wir werden darauf noch kommen. KEIN FAHRPLAN – SONDERN BAUSTEINE UND WESENSZÜGE DER LETZTEN ZEIT Was wir in den Kapiteln 1 bis 22 zu sehen bekommen, das ist keine – oder nur eine lückenhafte – Reihenfolge der geschichtlichen Ereignisse. Darum kann man die Offenbarung auch nicht als eine Art von Fahrplan verstehen. Es ist vielmehr die Reihenfolge, in der Johannes die einzelnen Bausteine, aus denen sich unsere Geschichte zusammensetzen wird, gezeigt bekommt. Jedoch: Auf die Frage nach der Zeit und der Reihenfolge der Ereignisse werden wir bald ausführlich eingehen. ZUR BESINNUNG • Bilder sind grundsätzlich vieldeutig, enthalten also verschiedene Aspekte. Wünsche ich mir eine ‚eindeutigere‘ Sprache? • Was bedeutet es für mich, dass das Buch (die Schriftrolle) aus der Hand des Vaters kommt, und dass die Siegel vom Lamm wie geschlachtet, also von Jesus Christus, gelöst werden? • Berühren mich die Seelen der Märtyrer unter dem Altar? Wie weiss ich mich mit ihnen verbunden? • Was lösen die Bilder der vier Pferde und der kosmischen Katastrophe in mir aus? Montag, 30. März 2020 Bitte lest Offenbarung 5. DAS BUCH IN GOTTES HAND Wir sind immer noch im himmlischen Gottesdienst, dessen Beschreibung in Kapitel 4 begonnen hat. In der rechten Hand dessen, der auf dem Thron sitzt, liegt ein ‚Buch‘. Hier bleiben wir in unserer Betrachtung zuerst einmal stehen. Auf dem Thron sitzt Gott selbst. Wir schauen damit ins Zentrum allen vergangenen, gegenwärtigen und kommenden Geschehens. Dieses Zentrum ist kein abstrakter Ort. Das ist ER, der Gott, der uns mit Namen gerufen hat und zu dem wir gehören. Seine rechte Hand ist die Hand, mit der er regiert und mit der er Menschen in Not errettet. Modern könnte man sagen: Was jetzt geschieht, das ist „alleinige Chefsache“. Beim erwähnten ‚Buch‘ handelt es sich um eine Schriftrolle. Sie ist aussen und innen beschrieben. So hat man damals Verträge abgefasst und vor Verfälschungen gesichert. Der Vertrag war auf der Aussenseite lesbar. Dort aber konnte man den Text wieder abkratzen und abändern. Darum schrieb man denselben Text zuvor auf die Innenseite. Daraufhin rollte man das Dokument ein und versiegelte es. Damit war der Vertrag vor Fälschung gesichert. Ändern hätte man ihn nur dann können, wenn man zuvor das Siegel aufgebrochen hätte. Eine moderne Kopie einer solchen Rolle, hier mit drei Siegeln, sieht so aus (bitte klicken): Rolle-Siegel ES IST ALLES AUFGESCHRIEBEN Wir erfahren im Fortgang des Berichts, dass die Schriftrolle den aufgezeichneten Lauf der kommenden Ereignisse enthält. Alles, was von jetzt an geschehen wird, ist hier aufgeschrieben. Wir nehmen uns Zeit, das zu bedenken: Die kommende Geschichte entsteht nicht erst durch den Kampf der verschiedenen Beteiligten. Sie ist wie ein Vertrag – aussen und innen, also fälschungssicher – in dieser Rolle aufgezeichnet. Und: Sie liegt in Gottes guter rechter Hand. Hier könnte es zu einem Missverständnis kommen. Die kommende Geschichte ist die Geschichte der Menschheit, ihrer Verwicklungen, ihrer Schuld und aller damit verbundenen Konsequenzen. Sie ist nicht von Gott bestimmt. Sie ist von Gott nur aufgezeichnet. WER DARF DIE SIEGEL ÖFFNEN? Damit die Geschichte beginnen kann, braucht es jemand, der würdig ist, die Schriftrolle zu empfangen und ihre Siegel zu öffnen. Nur: In der ganzen himmlischen Welt gibt es niemand, der dazu geeignet ist. Keines der vier Wesen, keiner der Ältesten, ja keiner der Engel (die in Kapitel vier nicht erwähnt werden und erst in 5,11 als himmlischer Lobpreischor auftreten), kommt dafür in Frage. Der Seher Johannes weint. Das Weinen drückt eine Sehnsucht danach aus, dass das, was in Gottes rechter Hand liegt, endlich los geht. DAS LAMM DARF DAS BUCH ÖFFNEN Johannes wird von einem der Ältesten getröstet (Offb. 5,5). Als Ältester gehört er zu jenen, die Anteil an der Heilsgeschichte haben. Er ist mit Gott und seiner Weise, Wege in der Geschichte zu gehen, vertraut. Noch bevor Christus als das Lamm auftritt, weiss der Älteste, wer hier gebraucht wird und kommen wird: der Messias, der Christus. Er ist der Löwe aus Juda (1. Mose 49,9) und der Wurzelspross Davids (Jes 11,1). Entscheidend ist, dass er „überwunden“ hat. Das griechische Wort bedeutet, dass er bereits „gesiegt“ hat. Wir merken hier nochmals: Es steht nichts mehr auf dem Spiel. Aber, das wird uns hier deutlich: Es hat den Messias etwas gekostet. Das wird sofort sichtbar. Christus ist Gottes Lamm. Es ist „gleichsam geschlachtet“ (Offb. 5,6). Das war und ist der Preis. Als Lamm ist Christus der Träger des Geistes Gottes. Durch den Geist hat er alles in der Welt im Blick (die sieben Augen). Er tritt zum Thron und empfängt die Schriftrolle. Die darin aufgezeichnete kommende Geschichte liegt nun allein in seiner Hand. Wir haben es mit Jesus zu tun, zu dem wir gehören und der zu uns gehört. Es ist gut, wenn man das langsam und lange in seinem Inneren betrachtet. JUBEL BRICHT AUS In diesem Moment – als das Lamm das Buch entgegen nimmt – beginnt ein umfassender Jubel in der himmlischen Welt. Zunächst sind es die bereits bekannten vier Wesen und die 24 Ältesten. Neu ist, dass die Ältesten je eine Harfe haben sowie eine goldene Räucherschale. In ihr sind unsere Gebete aufbewahrt und gelangen so vor Gottes Thron und vor das Lamm. Auch dabei sollte man verweilen. Jedes meiner Gebete und unser aller Gebete sind nicht irgendwohin verschwunden. Sie sind in diesen 24 goldenen Schalen aufgehoben und steigen nun als Rauch zu Gott und zum Lamm auf, begleitet vom Gesang und vom Klang der Harfen. Wir werden Zeugen des neuen Liedes, das die vier Wesen und die 24 Ältesten singen. Sie besingen die Würde des Lammes. Sie besingen damit auch den Preis, den das Lamm bezahlt hat, sowie die Gabe, die er sich damit ‚erkauft‘ hat: die weltweite Gemeinde, die zu ihm gehört. Erst jetzt tauchen Engel auf. Sie umringen den ganzen Kreis, den wir bereits aus Kapitel vier kennen: den Thron, die vier Wesen und die Ältesten. So, wie die Wesen und die Ältesten die Würde des Lammes besingen, ebenso stimmen die Engel in das Lob der Würde des Lammes ein. Es sind zehntausendmal tausend Engel. Und schliesslich stimmt noch eine weitere Gruppe als äusserster Kreis in den Lobgesang ein: jedes Geschöpf im Himmel, auf der Erde, unter der Erde und im Meer. Es ist ein gewaltiger Gottesdienst, an dem wir schauend teilhaben. Die vier Wesen sagen „Amen“. Übersetzt heisst das: „So ist es!“ Die 24 Ältesten bestätigen das: Sie werfen sich vor Gott und dem Lamm nieder und beten sie an. IMPULS FÜRS GESPRÄCH – UNSER GOTTESDIENST Im orthodoxen Gottesdienstverständnis tritt die feiernde Gemeinde immer zur himmlischen Gemeinde dazu. Die Gottesdienstgemeinde weiss: Im Himmel wird bereits gefeiert – siehe Offenbarung 4 und 5. Wir als irdische Gemeinde treten dazu und feiern hier und heute mit. Wie wäre es, wenn auch wir uns das in unseren reformierten Gottesdiensten vor Augen halten? Der Gottesdienst beginnt nicht mit dem Spiel der Orgel. Er beginnt nicht damit, dass die Pfarrperson die Eingangsworte spricht. Sondern: Der Gottesdienst wird im Himmel bereits gefeiert, die Lieder werden bereits gesungen. ... Und wir stimmen als irdische Gemeinde mit ein. Sonntag, 29. März 2020 Bitte lest Offenbarung 4. DER BLICK IN DEN HIMMEL „Danach sah ich, und siehe, eine Tür war aufgetan im Himmel.“ Es gibt eine Reihenfolge, in der Johannes etwas zu sehen bekommt. Die Reihenfolge ist nicht zufällig. Johannes soll zuerst – noch bevor die Ereignisse auf Erden losbrechen – einen Blick in den Himmel tun. Der Blick in den Himmel steht am Anfang. WER REDET UND WORÜBER? Johannes wird von demjenigen angerufen, der schon in Offb 1 mit ihm geredet hat: „die erste Stimme, die ich gehört hatte mit mir reden wie eine Posaune.“ Es ist Jesus Christus, dessen Bild (Ikone) wir betrachtet haben. Die Stimme fordert Johannes auf, sich im Himmel etwas zeigen zu lassen. Was soll Johannes da sehen? Er soll sich zeigen lassen, „was nach diesem geschehen soll.“ (Offb. 4,1). Auch das ist nicht überraschend. Wir haben das bereits in der Einleitung, in Offb 1,1 gelesen. Johannes soll Einsicht in den bald einsetzenden Geschichtsverlauf bekommen. Bald werden auf der Erde Ereignisse losbrechen. Die Gemeinde soll verstehen, was auf Erden losbrechen wird – und vor allem: wie es einzuordnen ist. Dafür braucht es zuerst und vor allem den Blick in den Himmel. WAS SIEHT JOHANNES IM HIMMEL? Er sieht einen Thron im Himmel stehen und einen, der darauf sitzt. Am Thron Gottes gibt es etwas zu sehen und zu hören: Farben, Stimmen und Bilder. Für den jüdischen Leser, die jüdische Leserin, sind diese Bilder nicht neu. Was Johannes zu sehen bekommt, hat in ähnlicher Weise der Prophet Hesekiel zu sehen bekommen – fast 700 Jahre zuvor. Hesekiel sah etwas wie einen Thron und auf dem Thron sass einer (Hesekiel 1,26). Er sah eine „Feste wie Kristall“, Farben wir von Edelsteinen und um den Thron etwas „wie einen Regenbogen“. Bilder, die jetzt auch Johannes sieht. [Hesekiel ist kurz vor der Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier zum Propheten berufen worden (597 v. Chr.). Kurz bevor das jüdische Volk seine Heimat verlassen musste und ins Exil geführt wurde: nach Babylonien. Hesekiel bekommt – unter anderem – zu sehen, wie die Herrlichkeit Gottes den Tempel in Jerusalem verlässt und nach Osten – nämlich zur jüdischen Gemeinde ins Exil nach Babylonien – hinüberzieht (Hesekiel 10).] Johannes sieht noch mehr. „Von dem Thron gingen aus Blitze und Stimmen und Donner“ (Offb. 1,5) Auch das kennt der jüdische Leser, die jüdische Leserin. Es sind Erinnerungen an eine grosse Geschichte. In dieser Weise ist Gott dem Mose am Berg Sinai erschienen. „Als nun der dritte Tag kam und es Morgen ward, da erhob sich ein Donnern und Blitzen und eine dichte Wolke auf dem Berge und der Ton einer sehr starken Posaune“(2. Mose 19,16). Am Sinai hat Gott mit seinem Volk einen Bund geschlossen. Der heute noch besteht. ZWEI DINGE WERDEN KLAR - Was Johannes zu sehen bekommt – und was er mit den sieben Gemeinden zu teilen hat – lässt keinen Zweifel: Es ist Gott selbst, dem Johannes hier begegnet. - Es ist nicht irgendeine versponnene Idee, dass Gott jetzt, in dieser Zeit, mit Johannes über den bald eintretenden Lauf der Geschichte redet. Johannes ist – und damit sind wir es auch – in die grosse Geschichte Gottes eingebettet. Die Offenbarung schliesst wie eine Perle in einer Kette an alles bisherige Handeln Gottes an – und entfaltet es nun in seinen Konsequenzen. DIE SIEBEN GEISTER GOTTES „Und sieben Fackeln mit Feuer brannten vor dem Thron, welches sind die sieben Geister Gottes.“ Offb. 4,5 Die Sieben ist die göttliche Vollzahl. Es ist Gott in seiner ganzen Fülle, den Johannes zu sehen bekommt, nicht nur ein „Stückchen“ von ihm. Die sieben Geister Gottes weisen auf Gott in seiner Fülle. Sie sind es, die auf dem Messias ruhen: Jesaja 11. An ihnen wird der Messias – an ihnen wird Jesus als der Christus – erkannt. „Auf ihm wird ruhen der Geist Jahwes, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht Jahwes.“ (Jes. 11,1-2) In der jüdischen Tradition tritt zu diesen sechs Geistern an vorletzter Stelle der Geist der Frömmigkeit hinzu. Darum spricht sie von sieben Geistern. DIE 24 ÄLTESTEN – DAS GESCHICHTSHANDELN GOTTES Am Thron und um den Thron herum gibt es zwei Hauptakteure. Sie sind immer da, haben ihren Ort am Thron Gottes. Das sind die 24 Ältesten und die 4 Wesen. „Und um den Thron waren vierzundzwanzig Throne, und auf den Thronen sassen vierundzwanzig Älteste, mit weissen Kleidern angetan, und hatten auf ihren Häuptern goldene Siegeskränze.“ Offenbarung 4,4 24 sind zweimal 12. Das sind zum einen die 12 Stämme Israels. Israel wohnt – nicht als Rest, sondern in seiner Vollzahl – am Thron Gottes. Die anderen 12 sind die 12 Apostel Jesu. Sie sind die Gefährten und Freunde Jesu. Beginnend mit dieser Jüngergemeinschaft hat sich Gottes Bund für Menschen aus allen Völkern geöffnet. Interessant ist, dass hier weder von „Israel“, noch von den „Aposteln“ die Rede ist, sondern von „Ältesten“. Das ist unserer Meinung nach wichtig. Die 24 Ältesten sind eine neue Gemeinschaft aus Israel und den Aposteln Jesu. Die 24 Ältesten haben Siegeskränze [stephanoi] auf ihrem Haupt. Das sind nicht Kronen. Die Kränze sind Zeichen derjenigen, die „überwunden“ haben. Paulus gebraucht das Bild des Laufes und des Siegeskranzes mehrmals. Den Kranz empfangen die, die den Lauf gelaufen sind (zum Beispiel 1. Korinther 9, 24-25). DIE VIER WESEN – DAS SCHÖPFUNGSHANDELN GOTTES „Mitten am Thron und um den Thron vier Gestalten, voll Augen, vorne und hinten.“ Offb. 4,6 Diese Wesen hat bereits der Prophet Hesekiel am Thron Gottes gesehen. Nicht ganz identisch, aber ähnlich. Wer ist das? Die vier ist eine irdische Zahl. Sie steht für die Ganzheit der Schöpfungsmächte. Es gibt vier Himmelsrichtungen. Wenn ich zum Beispiel sagen will, dass „von allen Seiten“ etwas auf mich zu kommt, dann sage ich: „aus allen vier Himmelsrichtungen“. Es sind Gottes Schöpfungswerke, die immer am Thron Gottes versammelt sind. Gottes Schöpfungswerke loben ihren Schöpfer ohne Unterlass. Versucht das zu betrachten. Es vor eurem inneren und äusseren Auge zu sehen: Alles, was ihr um euch herum seht, ist allezeit daran, Gott vor seinem Thron für sein Tun zu loben. Psalmen und Propheten sind voll von diesem Wissen, dass die Schöpfung Gott zujubelt. Nun gibt es einen spannenden Zusammenhang: „Immer wenn die Gestalten Preis und Ehre und Dank gaben dem der auf dem Thron sass“, dann geschieht etwas. Dann fallen auch die 24 Ältesten nieder und stimmen in das Lob der 4 Gestalten ein. Dann loben sie Gott ebenfalls für sein Schöpfungshandeln: „Herr, unser Gott, du bist würdig zu nehmen Preis und Ehre und Kraft; denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen waren sie und wurden geschaffen.“ (Offb. 4,11) Das heisst: auch die 24 Ältesten – das ist die neue Gemeinschaft am Thron Gottes – lobt Gott für sein Schöpfungswerk. Nicht nur die Schöpfung singt ihrem Schöpfer zu. Auch die Menschen, mit denen Gott unterwegs ist, loben Gott dafür, dass er alles wunderbar gemacht hat. ZUM EIGENEN SCHAUEN UND VERINNERLICHEN Bevor die Ereignisse der Endzeit beginnen (ab Kapitel 5) bekommt Johannes den Einblick in den Himmel. Was er dort sieht, muss man von jetzt an wissen und immer festhalten. Wer ist dort? Gott, Christus, die Vertreter der Heilsgeschichte Israels und der Völker, die Vertreter der Schöpfung. Wer ist nicht da? Da ist keine Gegenseite. Keine Mächte des Bösen. Was geschieht? In grosser Ruhe beugen sich alle vor Gott und stimmen den vielfältigen Lobpreis Gottes an. Was geschieht nicht? Keine Sorge, keine Hektik, keine ‚letzten‘ Vorbereitungen. Über dem, was Johannes im Himmel gezeigt wird, liegt eine grosse Ruhe. Noch bevor alles beginnt, ist eines klar: Es steht nichts mehr auf dem Spiel. ANREGUNG FÜRS GESPRÄCH (1) Am Thron Gottes sind die 24 Ältesten und die 4 Wesen. Sie repräsentieren das Geschichtshandeln Gottes und das Schöpfungshandeln Gottes. Manche von uns Christinnen und Christen sind mehr mit dem Geschichtshandeln Gottes vertraut, andere mehr mit dem Schöpfungshandeln Gottes. Wie ist es bei mir? Wie gewichtet mein Inneres? Für welches Handeln Gottes muss ich meinen Blick öffnen? Beides hat immer seinen Ort am Thron Gottes und beides reagiert aufeinander. (2) Wie geht es mir mit der grossen Ruhe und dem Lob, das im Himmel anzutreffen ist? Donnerstag, 26. März 2020 Ulrike und Wolfgang schreiben: Mit dem Impuls für heute antworten wir auf die Frage einer Teilnehmerin. KIRCHE UND STAAT - PAULUS UND DIE OFFENBARUNG FRAGE: Die sieben Gemeinden der Offenbarung liegen in den Gebieten, in denen Paulus auf Missionsreise war. Paulus war mehrere Monate in Ephesus (Apostelgeschichte 19), Timotheus war auch da (1. Timotheus 1,3). Es fällt auf, dass Paulus in der Offenbarung des Johannes nicht erwähnt wird. Die Vorstellung, die Paulus von der Rolle der Kirche hat und die Vorstellung, die uns in der Offenbarung begegnet, sind ziemlich verschieden: • Die Offenbarung sieht die Kirche im Endkampf gegen die Widersacher Christi, daher muss sich die Kirche gegen die politisch-gesellschaftlichen Mächte stellen und die Feindschaft der Welt ertragen. Kirche und Welt sind Gegensätze, die getrennt gehalten werden müssen bzw. sich sogar im Kampf gegenüberstehen. • Paulus sieht das anders (Römer 13,1-7, 1. Timotheus 2,2; Titusbrief 3,1). Kirche und Gesellschaft sind nach dem Willen Gottes aufeinander bezogen. Die Kirche soll bzw. muss der Gesellschaft entgegenkommen, um alle Menschen mit dem Evangelium zu erreichen. Ist die Kritik an den Gemeinden in der Offenbarung vielleicht auch eine Kritik an zu viel paulinischer Kulturoffenheit und Assimilation? ANTWORT: Danke für deine ausgezeichneten Beobachtungen und deine klare und wichtige Frage. Eine eindeutige ‚letzte‘ Antwort darauf wird es wohl nicht geben. Aber wir wollen gerne sagen, wie wir das sehen. Wir meinen, dass Paulus und Johannes einen anderen Erfahrungs- und Zeithorizont haben, was die römische Behörde betrifft. Zwischen dem Tod des Paulus und der Abfassung der Offenbarung liegen etwa 30 Jahre. PAULUS UND DER RÖMISCHE RECHTSSTAAT Paulus wuchs im römischen Reich und in einer Zeit politisch grossen Friedens auf. Jedenfalls war es das für seine Zeit. Der Staat war stark und die Rechtssicherheit war in einem Mass gegeben, wie man das in der Antike bisher nicht gekannt hatte. Man nannte es ja auch die ‚Pax Romana‘, den römischen Frieden. Natürlich gab es regionale Unterschiede und auch Ungerechtigkeiten. Aber im grossen und ganzen lebte man im Frieden. So hat sich Paulus in der für ihn äusserst gefährlichen Situation des Widerstandes in Jerusalem auf den Kaiser in Rom berufen und wurde auch zu ihm gebracht. Daraus erklärt sich unserer Meinung nach seine positive Haltung zum Rechtsstaat. Wahrscheinlich hat er diese Zeit der Rechtssicherheit und damit die rechtliche Struktur der Obrigkeit als ein Geschenk Gottes aufgefasst (Römer 13,1ff). DIE VERÄNDERUNG DER RECHTSSICHERHEIT Zu beachten hat man auch die Zeit, in der Paulus lebte. Er starb wahrscheinlich um das Jahr 60. Erst in der allerletzten Zeit seines Lebens (oder erst nach seinem Tod?) erhoben die römischen Kaiser (in der Diaspora, also vor allem in Kleinasien; nicht bzw. noch nicht in Rom) den Anspruch, als göttlich verehrt zu werden. Faktisch war das der Anspruch, ausserhalb bzw. oberhalb menschlichen Rechtes zu stehen. Der Brief des Plinius, den Ulrike im gestrigen Impuls ausführlich zitiert hat, zeigt eine ganz andere Situation, die Paulus so nicht (noch nicht) erfahren hat. Der Brief zeichnet die Situation in Kleinasien etwa um 110. Das war bereits eine andere Welt. DIE OBRIGKEIT STELLT SICH ÜBER DAS RECHT Die Offenbarung stammt aus ziemlich späterer Zeit. Mit einiger Wahrscheinlichkeit hat Johannes seine Visionen um das Jahr 90 bis 95 gehabt. Da glich die politische Situation schon sehr dem, was wir bei Plinius erfahren. Der römische Staat zeigte ein sehr anderes Gesicht. Die Kaiser haben versucht, sich gegen Unruhen abzusichern. Ein zentrales Mittel war, dass sie schon zur Lebenszeit göttlichen Anspruch erhoben und von ihren Bewohnern göttliche Verehrung erwarteten. Gemeinschaften, deren Mitglieder sich nicht am Opfer für den Kaiser und die Götter beteiligen wollten, waren verdächtig und erschienen dem Staat als Bedrohung. In allen Gemeinden, die die Offenbarung namentlich nennt, gab es Tempel und Altäre für den jeweiligen Kaiser. Wie hätte Paulus reagiert, wenn er das zu seiner Lebenszeit erfahren hätte? DER STAAT WIRD ANTICHRISTLICH Johannes lebte in der Verbannung. Für uns mag das harmlos klingen. Ist Patmos nicht so etwas wie eine Ferieninsel? Nein! Verbannung war eine der schwersten Strafen, die die römische Obrigkeit verhängen konnte. Manche sind der Überzeugung, dass Verbannung schlimmer als die Todesstrafe war. Johannes war dort „um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses Jesu willen“. Der Staat hatte damit sein Gesicht als ein antichristlicher Staat aufgedeckt. Den Staat, den Paulus vor Augen hatte, gab es zur Zeit der Offenbarung nicht mehr. RECHTSSTAAT ODER ABSOLUTER STAAT Auf diesem Hintergrund verstehen wir die beiden so verschiedenen Haltungen des Johannes wie des Paulus zum Staat. Könnte das eine Hilfe für uns heute sein? Ein Staat, der auf einer Rechtsordnung aufbaut, sie vertritt und verteidigt, ist - bei allen Schwächen - unbedingt anzuerkennen. Ein Staat hingegen, bei dem sich die Obrigkeit absolut setzt und meint, jenseits oder gar oberhalb aller Rechtsordnung zu stehen, ist grundsätzlich antichristlich geworden. Und das auch da, wo er sich nicht (noch nicht) gegen Christen bzw. gegen die Kirche wendet. AB WANN GEHT ES LOS? Zu Beginn des Dritten Reiches haben sich die Nationalsozialisten gegen verschiedene Gruppen gewandt: gegen Juden, gegen Homosexuelle, gegen Zeugen Jehovas, gegen Roma. In der Kirche blieb es lange, zu lange merkwürdig still. Viele sagten sich: „Solange es uns nicht betrifft … Solange wir noch die Freiheit haben, das Evangelium zu predigen.“ … Das aber war ein Verhängnis. Als man dann selbst dran war, war es längst zu spät. Wie ist das heute? Wo sehen wir zu, wenn Menschen bzw. Gruppen grundlegende Menschenrechte eingeschränkt oder verweigert werden? DREI IMPULSE FÜRS GESPRÄCH 1) Lest 2 Thess 2, 1-4. Paulus sieht bereits, dass der Rechtsstaat ein Ende finden wird. Solange er besteht, kann der Antichrist – den er den „Mann der Gesetzlosigkeit“ (2. Thess 2,3) nennt, nicht in Erscheinung treten. Das Kommen einer Obrigkeit, die Züge des Antichristen trägt, setzt für Paulus die Auflösung rechtsstaatlicher Verhältnisse voraus. 2) Wir können dem einmal nachgehen, wo überall wir – wie Paulus – die Obrigkeit, die politisch-gesellschaftliche Macht, als hilfreich und gut wahrnehmen. 3) Wo sehen oder erfahren wir, dass die Obrigkeit sich gegen Menschen wendet? Dass Rechtsunsicherheit und Rechtsbeugung erstarken? Mittwoch, 25. März 2020 WER SIND DIE SIEBEN GEMEINDEN? - OFFENBARUNG 2 UND 3 Wer einen Eindruck vom westlichen Kleinasien – der heutigen westlichen Türkei – bekommen möchte, kann das hier tun: Westliches Kleinasien In LAODICEA wurden mehrere Kirchen – eine von ihnen aus dem frühen 4. Jahrhundert – freigelegt. Im letzten Jahr wurde ein wohlhabendes Privathaus ausgegraben, das einen eigenen Raum für die christliche Versammlung hatte, also noch früher datiert wird. Das Städtchen SELÇUK liegt südlich von Ephesus und hiess bis 1914 Ayasoluk. Das bedeutet Hagios Theologos (heiliger Theologe) und war der Beiname des Apostels Johannes. Die Stadt wurde nach Johannes benannt, weil er mit einiger Wahrscheinlichkeit in der Johannesbasilika begraben ist. Die vier Säulen im Video sind Teil der Apsis. Auf der Karte sieht man, dass es von Patmos – dem Ort der Verbannung des Johannes – bis Selçuk nicht weit ist. ZUR SITUATION DER CHRISTLICHEN GEMEINDEN IM RÖMISCHEN REICH Vom 1. Jhd. bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts lebten Christen im römischen Reich in einem Zustand der Rechtsunsicherheit. Zeitweise kam es zu Christenverfolgungen. Der Zustand der Rechtsunsicherheit spiegelt sich in einem Briefwechsel, den Plinius – ein hoher römischer Beamter – und Kaiser Trajan führten. Plinius war zwischen 109 und 113 als Richter in den Nordosten Kleinasiens geschickt worden. Weil er nicht wusste, wie mit Christinnen und Christen umzugehen ist, ersuchte er schriftlich um Rat beim Kaiser: C. Plinius an Kaiser Trajan: Einstweilen bin ich mit denen, die mir als Christen angezeigt wurden, folgendermassen verfahren: (3) Ich habe sie gefragt, ob sie Christen seien. Gestanden sie, so habe ich ihnen unter Androhung der Todesstrafe ein zweites und drittes Mal dieselbe Frage gestellt; beharrten sie [bei ihrem Geständnis], so habe ich sie [zur Hinrichtung] abführen lassen. Denn ich zweifelte nicht: Was immer sie gestehen mochten, so verdienten allein schon ihre Hartnäckigkeit und ihr unbeugsamer Starrsinn Bestrafung. (4) Andere, die einem ähnlichen Wahnsinn verfallen waren, habe ich, weil sie das römische Bürgerrecht besassen, zur Rückführung nach Rom vormerken lassen. Wie es aber zu gehen pflegt, nahmen auf das gerichtliche Einschreiten hin bald die Anschuldigungen zu und kamen weitere Fälle zur Anzeige. (5) Eine anonyme Anklageschrift wurde vorgelegt, die zahlreiche Namen enthielt. Die leugneten, Christen zu sein oder es je gewesen zu sein, habe ich entlassen zu können geglaubt, sobald sie, nach meinem Vorgang, die Götter anriefen und deinem Bild, das ich mit den Götterstatuen zu diesem Zweck hatte herbeischaffen lassen, mit Weihrauch und Wein opferten, ausserdem noch Christus lästerten - alles Dinge, zu denen sich, wie es heisst, überzeugte Christen niemals zwingen lassen. (6) Andere von dem Denunzianten Genannte gaben erst zu, Christen zu sein, widerriefen aber gleich darauf: sie seien es wohl [einmal] gewesen, hätten es aber [längst] wieder aufgegeben, [und zwar] manche vor drei, manche vor [noch] mehr Jahren, ein paar sogar schon vor 20 Jahren. Sie alle haben ebenfalls deinem Bild sowie den Götterstatuen gehuldigt und Christus gelästert. (7) Sie beteuerten jedoch, ihre ganze Schuld oder auch ihre Verirrung habe darin bestanden, dass sie gewöhnlich an einem fest gesetzten Tag vor Sonnenaufgang sich versammelt, Christus als ihrem Gott im Wechsel Lob gesungen und sich mit einem Eid verpflichtet hätten – nicht etwa zu irgendeinem Verbrechen, sondern [gerade] zur Unterlassung von Diebstahl, Raub, Ehebruch, Treulosigkeit und Unterschlagung von anvertrautem Gut. Danach sei es bei ihnen Brauch gewesen, auseinanderzugehen und [später] wieder zusammenzukommen, um ein Mahl einzunehmen, allerdings ein ganz gewöhnliches und unschuldiges; selbst das aber hätten sie nach meinem Edikt eingestellt, mit dem ich entsprechend deinen Verfügungen das Bestehen von Hetärien [Vereinen] verboten hatte. (8) Um so mehr hielt ich es für angezeigt, aus zwei Sklavinnen, sog, >Dienerinnen< (ministrae [=Diakonissen!]), die Wahrheit unter der Folter herauszubekommen. Ich fand aber nichts anderes heraus als minderwertigen, masslosen Aberglauben. (9) Daher setzte ich das Verfahren aus, um eiligst deinen Rat einzuholen. Mir schien nämlich die Sache einer Konsultation wert, vor allem um der grossen Zahl derer willen, die hierbei auf dem Spiele stehen [oder: die angeklagt sind]; sind doch zahlreiche Angehörige jeglichen Alters und Standes, auch beiderlei Geschlechts, von diesen Untersuchungen betroffen und werden es noch sein, da sich nicht allein in Städten, sondern auch über die Dörfer und das flache Land hin die Seuche dieses Aberglaubens ausgebreitet hat. Anmerkung Ulrike Bittner: Wenn Plinus Aberglauben (superstitio) schreibt, meint er den christlichen Glauben. Quelle: Ritter, Alte Kirche, 1977, 14-15 Den gesamten Briefwechsel findet ihr hier: https://www.uni-due.de/~gev020/courses/course-stuff/pliniusjun.htm DIE BRIEFE AN DIE GEMEINDEN Wir haben in Offb. 1 mit Johannes einen Blick in den Himmel getan. Wir haben gesehen, dass Jesus Christus von sieben Leuchtern umgeben ist. Das sind die sieben Gemeinden in Kleinasien. Sie sind ihm nahe, vertraut und kostbar. Auf seiner Hand hat Jesus Christus sieben Sterne – das sind Engel. Sie vertreten in einer Weise, die nicht näher erklärt wird, die sieben Gemeinden. Johannes bekommt den Auftrag, jeder der sieben Gemeinden zu schreiben. In jedem Brief kommt ein erstaunlich präzises Wissen darüber zum Ausdruck, was in den Gemeinden vorgeht. Alles sieben Briefe haben denselben Aufbau: (1) Anweisung an Johannes, an den Engel der Gemeinde zu schreiben (2) Jesus Christus stellt sich selbst vor (3) Er sagt: Ich kenne deine Werke und deine Situation. (4) Er lobt: Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Philadelphia (5) Er weist zurecht: Ephesus, Pergamon, Thyatira, Sardis, Laodicea (6) Er ruft zur Umkehr oder zum Durchhalten (7) Aufforderung, auf das Reden des Geistes zu hören (8) Versprechen für die, die überwinden Zwei Gemeinden empfangen ausschliesslich Lob – das sind Smyrna (heute Izmir) und Philadelphia (heute Alaşehir). Eine Gemeinde wird ausschliesslich zurecht gewiesen – das ist Laodicea. Für die andern vier Gemeinden hat Jesus sowohl Worte des Lobes als auch Worte der Zurechtweisung. WER REDET MIT DER GEMEINDE? Jesus stellt sich im Brief der Gemeinde vor. Das ist der übliche Eingang eines antiken Briefes: man sagt, wer hier schreibt. ... Für uns die Frage: Achte ich darauf, wer mit mir redet? Macht es einen Unterschied für das, was gesagt wird, wenn ich weiss, wer es sagt? ICH KENNE DEINE WERKE Jeder Brief setzt ein mit dem Wort Jesu: „Ich kenne deine Werke.“ Wie ist das, als Gemeinde gekannt zu sein? Nicht in Bezug auf das, was wir meinen, denken, wollen (= die Gesinnung), sondern in Bezug auf das, was wir tatsächlich tun (= das Handeln). Wer OHREN HAT ZU HÖREN Die Briefe sind an sieben konkrete Gemeinden geschrieben. Jeder Brief schliesst mit der Aufforderung an diejenigen, die hören können, dass sie hören. Offb 1,7: „Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinden ( = Plural) sagt.“ Woher wissen wir, mit welchem Lob, mit welchem Ruf zur Umkehr wir gemeint sind? Dienstag, 24. März 2020 Ulrike schreibt: Für den heutigen Tag hat Wolfgang den Impuls geschrieben. ICH – ORTSGEMEINDEN – WELTWEITE KIRCHE – SIEBEN GEMEINDEN ICH GLAUBE Wenn jemand zum Glauben kommt, dann gründet er keine „Jesus und Ich AG“. Wer glaubt, der gehört zu jenen, die auch glauben. Ob einem das passt oder nicht. Schwestern und Brüder bekommt man. Man sucht sie sich selbst nicht aus. HAUSGEMEINDEN In neutestamentlicher Zeit waren die Gemeinden (mit Ausnahme von Jerusalem und wohl auch Antiochien) eher kleinere Hauskreise. Schätzungen gehen von einem Durchschnitt von etwa 15 Personen aus. So viele also, wie sich in einem Wohnzimmer versammeln konnten. Die Gemeinde in Rom bestand wahrscheinlich aus mehreren solchen Hausgemeinden, die untereinander vernetzt waren. Man traf sich im „Haus“. „Haus“ war in dieser Zeit die Gemeinschaft aller, die im Haus lebten und arbeiteten: die engere Familie, Verwandte, Knechte und Mägde usw. „Haus“ war eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft. Gemeinde war also zunächst Hausgemeinschaft. WELTWEITE KIRCHE In einem nächsten Schritt hatte eine solche Hausgemeinschaft Kontakt mit anderen christlichen Hausgemeinden an anderen Orten. Man hörte voneinander, besuchte sich wenn möglich, schrieb sich Briefe und betete füreinander. So entstand die Erfahrung, dass man den Glauben Jesu auch mit Menschen an anderen Orten teilt. Man gehörte zusammen, auch wenn man an verschiedenen Orten lebte. Dadurch erlebte man: Ich gehöre zur „Hausgemeinde am Ort“ und gleichzeitig zur „weltweiten Kirche“. FRAGEN DER LEHRE UND DES VERHALTENS Wichtig wurde das schon früh bei aufbrechenden Lehrfragen (was bedeutet Glauben?) sowie bei ethischen Fragen (wie lebt man den Glauben?). Die Gemeinden begriffen sofort, dass solche Fragen gemeinsam gelöst werden mussten. Weil Christus bei allen derselbe war konnte man in solchen Fragen nicht unterschiedliche Entscheidungen treffen. Was uns heute im Zug der Zeit beinahe als normal erscheint – Ich entscheide für mich, was für mich gerade richtig ist – haben die werdenden Gemeinden von Anfang an abgewehrt. Sie hatten ein Bewusstsein davon, dass sie mit allen anderen Gemeinden eine Kirche sind. DIE EINHEIT DER KIRCHE Deutlich wird uns das an der damals brennenden Frage, ob Nichtjuden, die zum Glauben an Jesus kommen, zuerst dem Judentum beitreten mussten. Jesus war ja der Messias Israels. Starke Stimmen in der frühen Kirche waren dieser Meinung. Andere – zu ihnen gehörte vor allem Paulus – waren anderer Ansicht. Jesus hat als Christus die Mauer zwischen Juden und Nichtjuden eingerissen. Nichtjuden haben damit einen direkten Zugang zu Jesus, ohne zuvor dem Judentum beitreten zu müssen. Diese Frage beschäftigte alle Gemeinden. Keine konnte diese Frage einfach so „für sich“ entscheiden. So traf man sich zur ersten weltweiten Kirchenversammlung: dem sogenannten Apostelkonzil (man lese dazu den spannenden Bericht in Apg 15). Man hat verhandelt, hat alle Parteien mit ihren Argumenten angehört und dann gemeinsam entschieden. Diesen Entscheid hat man dann allen einzelnen Gemeinden mitgeteilt in der Erwartung, dass sich alle an diese Beschlüsse halten. Wichtig: Von diesem Entschluss des ersten Konzils leben wir heute noch. Obwohl die Kirche am Anfang eine Gruppe innerhalb des Judentums war, blieb sie das nicht. Der Weg des Evangeliums führte über das Judentum hinaus. Wie heftig und grundsätzlich diese Auseinandersetzung geführt wurde, kann einem am Galaterbrief deutlich werden. Seither ist klar: Es gibt Fragen der Lehre und Fragen der Lebensführung, die niemand nach dem Muster „ich für mich gerade jetzt“ entscheiden kann. Was Jesus in der Stille zu mir spricht, das muss übereinstimmen mit dem, was die Kirche als ganze anerkennt und vertritt. UND HEUTE? An wesentlichen Punkten hat sich unsere Lebenswirklichkeit verändert und damit die Frage, zu welcher Kirche wir gehören, überaus schwierig gemacht. Die ursprünglich kleinen Hausgemeinschaften wurden grösser. Bald hatte man in der Wohnstube nicht mehr Platz. Damit begann man, Kirchen zu bauen, in denen sich die einzelnen Hausgemeinden eines Ortes zum Gottesdienst und zum Teilen des Lebens trafen. Das Wachstum aber ging weiter. Heute leben wir Menschen an einem Ort (an dem wir unsere Wohnung oder unser Haus gefunden haben), arbeiten an einem anderen Ort (wo wir eine Arbeitsstelle gefunden haben) und haben unsere Familien und Freunde verstreut an noch anderen Orten. Die frühere Einheit unserer Lebenswelt gibt es so nicht mehr. Wohin gehören wir, wenn wir Christinnen und Christen sind? Hinzu kommt das Wachstum der Gemeinden. Sie bestehen nicht mehr aus überschaubaren Kreisen. Aus den vielleicht 15 Leuten des „Hauses“ wurden 100 Mitglieder und bald 200. Heute haben die Kirchen tausende von Mitgliedern. Was aber bedeutet das für unser Christ-Sein? Ich schlage dafür folgende Gliederung vor: • Ich gehöre zu Christus, weil ich glaube. Darauf gründet mein persönliches Leben mit ihm. • Weil ich glaube gehöre ich zu anderen Christen, die mir Schwestern und Brüder sind. Ich suche sie mir nicht aus. Darauf gründet meine Zugehörigkeit zu anderen Christen. • Diese Zusammengehörigkeit muss in meinem Leben eine konkrete Gestalt gewinnen. Ich brauche Menschen, mit denen zusammen ich glaube: mit denen ich Gottesdienst feiere, mit denen ich das Leben teile und einen Dienst der Liebe tue. Kirche ist grundlegend Anbetungsgemeinschaft, ist Lebensgemeinschaft und Dienstgemeinschaft. Darauf gründet unser gemeinsames Leben innerhalb der Kirche. • Als Glaubende wie als überschaubare Gruppe gehören wir in den grossen Kreis der weltweiten Kirche. Wenn in Afrika und Südamerika die christlichen Gemeinden wachsen, dann sind das meine Geschwister. Wenn im Westen unserer Welt die Kirchen müde werden und an Bedeutung verlieren, dann sind das meine Geschwister. Wenn in den muslimischen Ländern Christen bedrängt werden, dann sind das meine Geschwister. Darauf gründet unsere Zugehörigkeit zur weltweiten Kirche. Nun kann und soll ich mich fragen: Wo und wie finden diese einzelnen Aspekte in meinem Leben als Christin und als Christ Ausdruck? • Wie sieht mein eigenes geistliches Leben mit Christus aus? • Mit welchen Menschen bilde ich eine christliche Gemeinschaft? • Wie sieht dieses gemeinsame Leben aus: Anbetung, Leben, Dienst? • Was nehme ich wahr und teile ich mit den Christinnen und Christen der weltweiten Kirche? SIEBEN GEMEINDEN DER OFFENBARUNG Johannes schreibt die Offenbarung an sieben konkrete Ortsgemeinden. Das Buch wird versandt, reihum zu diesen einzelnen Gemeinden gebracht und dort – wahrscheinlich im Gottesdienst – vorgelesen. Jede Gemeinde wird direkt angesprochen. Für jede dieser Gemeinden gibt es in Kapitel 2 und 3 je einen einzelnen Brief. Auffallend ist: Diese Einzelbriefe werden nicht nur in der jeweiligen Gemeinde vorgelesen. Sie werden in allen Gemeinden vorgelesen. Sie bleiben auch Teil des gesamten Buches, das bis heute uns allen gilt. In jedem Schreiben steht: „Wer Ohren hat zu hören der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“ Auch wenn wir nur Zuhörerinnen und Zuhörer dessen sind, was diesen sieben Gemeinden gesagt wird, können und sollen wir unsere eigenen Schlüsse daraus ziehen. Darum lesen wir ja jetzt die Offenbarung miteinander. Johannes richtet sein Buch an sieben Gemeinden in Kleinasien. Warum nur an sieben? Zu dieser Zeit gab es in Kleinasien bereits länger auch andere Gemeinden, z.B. die Gemeinde in Kolossae. Dafür mag es manchen historischen Grund geben. Auffallend war immer schon die Sieben-Zahl. Sie ist in der Apokalyptik bedeutend und wird auch in der Offenbarung häufig vorkommen. Wir kommen später darauf zurück. Sieben ist hier neben ihrer konkreten Bedeutung vor allem eine symbolische Zahl. Sie meint die „Ganzheit“ – so, wie sieben Tage eine ganze Woche ergeben. Daraus hat bereits die alte Kirche ihren Schluss gezogen: Natürlich sind es sieben konkrete Gemeinden, denen dieses Buch gilt. Sieben aber bedeutet: Damit ist die gesamte Kirche gemeint und angesprochen. Montag, 23. März 2020 Ulrike schreibt: Bitte lest Offenbarung 1,1-3: Wer schreibt an wen und mit welchem Auftrag? 1 Dies ist die Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, um seinen Knechten zu zeigen, was in Kürze geschehen muss. Und er hat sie durch seinen Engel gesandt und seinem Knecht Johannes kundgetan. 2 Dieser bezeugte das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi, alles, was er gesehen hat. 3 Selig ist, der die Worte der Weissagung vorliest, und die, die sie hören und das in ihr Geschriebene bewahren. Denn die Zeit ist nahe. WER SCHREIBT? Johannes ist einer aus dem Zwölferkreis – also einer, der mit Jesus persönlich unterwegs war. Er war zusammen mit seinem Bruder Jakobus und mit Simon Petrus eine Autorität in den ersten Gemeinden (Galater 2,9) Johannes ist mit einiger Wahrscheinlichkeit – man kann das diskutieren – der Verfasser • des Johannesevangeliums • der drei Johannesbriefe • der Offenbarung des Johannes Hier ein schöner Hinweis des Neutestamentlers Adolf Schlatter: • Im Johannesevangelium geht es um Glauben. • In den Briefen des Johannes geht es um Liebe. • In der Offenbarung des Johannes geht es um Hoffnung. WOHER KOMMT DIE BOTSCHAFT? Es ist Jesus selbst, der seiner Kirche etwas zu sagen hat. Wenn Jesus etwas tut, bringt er damit immer den Willen seines (himmlischen) Vaters zum Ziel. Darum heisst es: Die Offenbarung, die Johannes von Jesus Christus empfängt, ist diesem von Gott gegeben worden (1,1). Denn Jesus empfängt alles, was er tut, von seinem Vater. WOZU EMPFÄNGT JOHANNES DIE OFFENBARUNG? Johannes empfängt sie nicht, damit er einen persönlichen Zuwachs an Erkenntnis – ein ganz spezielles Wissen – hat. Was Johannes sieht, ist auch heute nicht zum Füttern der eigenen Phantasie, Wissbegier oder Neugierde da. Wer etwas Geheimes oder Spezielles aus der Offenbarung machen will, dem hat sie sich nicht erschlossen. Was Johannes sieht, sieht er für die Gemeinden: für die ganz normalen Christinnen und Christen. Konkret für die sieben Gemeinden in Kleinasien, aber auch für alle anderen Gemeinden. Die Weissagung des Johannes ist für diejenigen bestimmt, «die als Gottes Knechte mit dem Einsatz ihrer Person und ihres Lebens Gottes Werk unter den Menschen tun. ... Ihr Ziel besteht darin, dass die Knechte Gottes denjenigen Einblick in den Verlauf der Regierung Gottes bekommen, der ihnen zur Erfüllung ihres Dienstes hilft.» (Adolf Schlatter) Wie geht es euch damit, dass Johannes seine Adressaten und sich selbst als Knechte bezeichnet? Für viele von uns klingt das abwertend. Für Johannes ist es ein Ehrentitel. Es ist ein Ehre, im Dienste Jesu zu stehen. Es ist wie bei Paulus: Der versteht sich im Blick auf die Gottesbeziehung als ein Kind Gottes. In Bezug auf seinen Dienst nennt er sich einen Knecht Jesu Christi. (Philipper 1,1) LESEN – HÖREN - HALTEN Was Johannes sieht, ist ihm gezeigt worden, damit er es mit den Gemeinden teilt. Er soll es an sie weitergeben. Die Gemeinden sollen sehen und verstehen, wie es zugeht. Sie sollen sehen, wer das Sagen hat (Jesus Christus), wo sie selbst ihren Ort haben (nahe bei ihm) und welche Ereignisse in Kürze auf sie zukommen: „Gott will seinen Knechten zeigen, was in Kürze geschehen muss.“ (1,1) Darum soll die Offenbarung (1,3) • in den Gemeinden vorgelesen werden • von allen Gemeindemitgliedern gehört werden • fest im Gedächtnis behalten/bewacht werden Erst dann – wenn sie vorgelesen, gehört und bewahrt wird – kommt die Offenbarung zu ihrem Ziel. Luther würde wohl sagen: Die Worte Gottes erreichen immer ihr Ziel. Sie sollen aber auch bei uns – in den Gemeinden in Liestal, in Basel, in Berlin, in ... – ihr Ziel erreichen. Sie sollen auch bei uns vorgelesen, gehört und (fest)gehalten werden. (Luther, 3. Hauptstück im Kleinen Katechismus) JESUS BEREITET SEINE GEMEINDE VOR Jesus bereitet die Gemeinden vor. Er sagt ihnen, „was in Kürze geschehen muss.“ (1,1). Das hat Jesus auch schon vor seinem Tod und seiner Auferstehung getan: «Ich habe euch alles zuvor gesagt!» (Markus 13,23) Mit dem Leben, Sterben und Auferstehen Jesu beginnt etwas Neues, eine neue Art von Zeit. Die Geschichte folgt ab jetzt einem Grundmuster, das die Gemeinden kennen und verstehen sollen. Darüber gibt Jesus dem Johannes und durch ihn den Gemeinden – und uns! – Bescheid. Jesus hat seine Jünger immer schon vorbereitet (Johannes 15,15). Jesus selbst ist vorbereitet und er bereitet die Seinen vor. Er lässt seine Jünger – und damit auch uns – niemals ins offene Messer laufen. Ihr könntet die Evangelien einmal unter dem Aspekt lesen, wann und wie oft Jesus den Seinen vorher sagt, was geschehen wird. Es ist oft. Die Jünger verstehen das nicht immer sofort, sie können es auch nicht immer verstehen. Es gibt Worte, die man hört und behält und die man erst einmal nicht versteht. Aber sie sind da und erschliessen sich, sobald sich die entsprechende Situation einstellt. ANREGUNGEN FÜRS GESPRÄCH (1) Die Worte der Offenbarung wollen in der ganz normalen Gemeinde vorgelesen, gehört und festgehalten werden. .... Hier im Chat bemühen wir uns darum, das zu tun. Wie können wir in unseren eigenen Zusammenhängen (in unseren Hauskreisen, Gottesdiensten usw.) das Vorlesen – Hören – (Fest)halten einüben? (2) Johannes nennt nicht nur sich selbst, sondern seine Adressaten Knechte (Jesu Christi). Es ist eine Ehre, mit dem eigenen Leben Jesus Christus zu dienen. Wie geht es uns damit? Sonntag, 22. März 2020 Ulrike B.: Bitte lest Offenbarung 1, 9-20: Der Menschensohn inmitten der sieben Leuchter Die Offenbarung ist von Johannes geschrieben. So sagt es die Tradition. Mit den wissenschaftlichen Fragen, den Theorien zur Verfasserschaft, setzen wir uns jetzt nicht auseinander. Die Tradition sagt, dass Johannes auf der Insel Patmos gefangen war. Es gibt viele Höhlen auf der Insel, und die Höhle, in der Johannes gelebt hat, kann man heute noch besuchen. Die Mönche zeigen einem noch heute, wo Johannes gelegen hat, wo sein Sekretär gestanden hat, wo der Handgriff ist, an dem Johannes sich aufgerichtet hat. Und so weiter. In dieser Höhle ist eine Kapelle angebaut. Man kann dort sitzen, man kann dort beten. An der Wand, an der das Bett des Johannes, des Evangelisten, des Theologen war, steht eine Ikone. Die ist in Wirklichkeit etwa zwei Meter hoch. Die Ikone zeigt, was der Seher Johannes im ersten Kapitel seiner Offenbarung zu sehen bekommt. Vielleicht könnt ihr jetzt die Offenbarung, Kapitel eins, aufschlagen. Was hier in Kapitel eins steht, ist nicht zum Nachdenken, sondern es ist zum Schauen. Es öffnet sich wirklich nur im Hinschauen. Natürlich darf man auch nachdenken, das ist kein Verbot. DER MENSCHENSOHN INMITTEN DER SIEBEN LEUCHTER Aber das blosse Nachdenken öffnet einem diese Botschaft nicht. In Kapitel eins sagt Johannes, Vers 12: «Ich wandte mich um, um die Stimme zu sehen, die mit mir redete. Als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter.» Ihr seht sie da auf der Ikone: Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben goldene Leuchter. Es wird zunächst einmal nicht erklärt, was diese Leuchter sind. Johannes beschreibt sie in der Erwartung, dass die Leute – seine Worte werden ja vorgelesen – dass die Leute vor ihrer ‹inneren Leinwand› die sieben Leuchter vor sich sehen. Wichtig ist das Sehen! Man muss zunächst gar nicht wissen, was gemeint ist. Inmitten der sieben Leuchter einen, der einem Menschensohn, also einem Menschen ähnlich oder gleich war. Bekleidet mit einem langen Gewand, das bis auf die Füsse reicht, die Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel. Sein Haupt aber und sein Haar war weiss wie Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme. Und seine Füsse gleich schimmerndem Erz, wie aus einem feurigen Ofen. Seine Stimme war wie das Rauschen vieler Wasser. Und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand. Aus seinem Mund ging ein zweischneidiges scharfes Schwert hervor. Und sein Angesicht war, wie die Sonne, die in ihrer Kraft leuchtet. Als ich ihn sah, sank ich wie tot ihm zu Füßen. Und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach: "Fürchte dich nicht." Jetzt stellt der Menschensohn – also Jesus Christus – sich vor. "Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot und siehe, ich bin lebendig in alle Ewigkeit. Und ich habe die Schlüssel des Todes und des Totenreiches." Manches war den ersten Hörerinnen und Hörern der Offenbarung klar, weil sie manche Bilder aus den Schriften des Alten Testamentes, aus Daniel, aus Hesekiel gekannt haben. Das doppelschneidige Schwert ist das Richtschwert. Das heisst, der, der hier steht, ist der Richter. Er hat das letzte Wort. Der, der hier steht, ist auch der, der die sieben Sterne in seiner Hand hält. Er ist der, dem die sieben Leuchter um ihn herum das allernächste sind. Und er hat die Schlüssel zum Tod und zum Totenreich. "Schreibe nun", heisst es in Vers 19, "was du gesehen hast, was es bedeutet, und was nachher geschehen soll. Das Geheimnis der sieben Sterne, die du auf meiner Rechten gesehen hast, und der sieben goldenen Leuchter ist dies: Die sieben Sterne sind die Boten der sieben Gemeinden.“ Manche Übersetzungen sagen auch Engel. "Und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden." Hier wird also das Bild zum ersten Mal erklärt. JOHANNES SCHREIBT FÜR EINE BEDRÄNGTE GEMEINDE Jetzt muss man sich vorstellen: Johannes schreibt in einer Zeit, in der er selber unter Druck steht, man kann sagen: verfolgt wird. Er ahnt, dass die Gemeinde in eine Zeit der Erschwernis, der Behinderung – die Offenbarung wird sagen: der Verfolgung bis zum Tod – hineinkommen wird. Diese Gemeinde braucht jetzt eine Botschaft, damit sie sich auf diese kommende Zeit einrichten kann. Stellt euch vor, wir wären das und wir wüssten, dass etwas Schweres auf uns zukommt, weil wir glauben. Was haben wir nötig, damit wir in diese Zeit hineingehen können? Dafür hilft es, lange, lange dieses Bild anzusehen: In der Mitte steht Christus. Er und niemand anders ist der Richter – in Bezug auf die ganze Weltgeschichte. Er und niemand anders, hält, die Schlüssel des Todes und des Totenreichs in der Hand. Wenn ihr das Bild anschaut: Wo ist die Gemeinde? Wo sind die sieben Leuchter? Sieben meint nicht nur die sieben einzelnen Gemeinden, sondern steht symbolisch für alle Gemeinden, auch für uns. Die Gemeinde, die sieben Leuchter, sind das, was dem Christus am nächsten ist! Das ist das allererste. Zuerst muss einem das gewiss werden . Da sind nicht irgendwelche Engel und Heilige um ihn herum und irgendwo weit hinten kommt dann auch noch die Gemeinde vor. Sondern das, was diesem Christus am allernächsten ist, ist die Gemeinde! Das sollen Menschen, wenn sie in eine solche bedrängende Zeit reingehen, anschauen. Jede dieser Gemeinden hat einen Boten. Manche Übersetzungen sagen „Engel“, andere Übersetzungen „Bischof der Gemeinde“. Er ist der, der die Gemeinde vertritt. Wo sind diese Boten, die die Gemeinde vertreten? Sie sind in der rechten Hand des Menschensohns aufgehoben. Dort hält er sie fest. DER MENSCHENSOHN HAT DIE SCHLÜSSEL DES TODES UND DES TOTENREICHS Von Anfang an, in Kapitel eins, bevor all die anderen Bilder kommen, sehen wir als erstes: Die Schlüssel des Todes und des Totenreiches sind in der Hand des Menschensohns. Sie sind nirgends anders. Wenn ich über den Tod und über das Sterben nachdenke, dann weiss ich, in wessen Hand auch mein Tod und mein Sterben liegen. Der Tod und das Totenreich gehören nicht auf die Seite des Bösen. Sie gehören zu den Machtbefugnissen des Christus. Stellt euch vor, es sind sieben Gemeinden, die in Verfolgungszeiten gehen. Jeder Einzelne ahnt, dass eventuell der Tod auch auf ihn zukommt. Und dann könnte es sein, dass sie Angst bekommen. Sie denken: „Solange ich lebe, gehöre ich zu Jesus. Wenn ich dann aber sterbe, gehöre ich dann zu jemand anderem, der die Schlüssel des Todes hat?“ Das Bild zeigt uns: Auch dann gehörst du zu Jesus. Wenn du in dieser Verfolgungszeit auch stirbst: aus der Hand Christi fällst du darum nicht heraus. Die Offenbarung ist grundlegend ein Trostbuch. Eigentlich würde es reichen, das Bild anzuschauen. Ihr merkt: Man soll dieses Bild nicht einfach schnell zur Kenntnis nehmen. Sondern das Bild ist zum Meditieren, davor sitzen, immer wieder hingehen, es sich immer wieder ansehen. Das Bild soll Raum in meinem Innern bekommen und mein Inneres soll sehen, dass Jesus die Schlüssel des Todes und des Totenreiches hat und dass er das doppelschneidige Schwert hat. DIE HERRSCHAFT JESU IST UNBESTRITTEN In der Schau des Johannes in Kapitel eins kommen nur Jesus Christus und die Gemeinde vor: also die sieben Leuchter, die sieben Engel und Jesus Christus mit dem Schwert und dem Schlüssel. Von der sogenannten Gegenseite, dem Bösen, kommt nichts vor! Es ist, als ob die Offenbarung – auch diese Ikone – sagt: "Wenn du wissen willst, was wichtig ist, und wenn du nicht unsicher werden willst in der späteren Zeit, dann schau dir das an und begreife, dass die anderen gar nicht vorkommen." Johannes stellt sich der Gefährdung der Zeit, die er vor sich sieht. Und er bietet der Gemeinde, die in diese Zeit hineingeht, das Maximum an Trost. Der Trost heisst: "Aus der Hand von ihm wirst du nicht rausfallen, was immer mit dir geschieht." Es muss einem dann ja nicht wohler sein. Vielleicht betet man dann trotzdem und sagt: "Ich möchte gerne, dass diese Zeit an mir vorbeigeht." Aber du fällst nicht aus seiner Hand heraus. ZUSAMMENFASSUNG • Der Menschensohn steht inmitten der Leuchter – das sind die Gemeinden. • Nichts anderes ist ihm so nahe wie die Gemeinden. • Jesus Herrschaft ist unbestritten. Er muss mit niemandem kämpfen. |